Als unbeweglich geltende Bazillen-Familie hat auch motorisierte Arten

Wien (APA) - Die verschiedenen Vertreter der Chlamydien galten bisher als unbeweglich. Bei ihren Studien zur Evolution dieser Bakterien-Fami...

Wien (APA) - Die verschiedenen Vertreter der Chlamydien galten bisher als unbeweglich. Bei ihren Studien zur Evolution dieser Bakterien-Familie haben Forscher der Uni Wien nun erstmals im Meer lebende Arten entdeckt, die sich mit Hilfe von Flagellen, einer Art molekularer Motor, fortbewegen können. Dies dürfte ihnen dabei helfen, neue Wirtszellen zu finden, berichten die Forscher im „The ISME Journal“.

Chlamydien haben sich seit Urzeiten an das Leben in Einzellern sowie Zellen von Tieren und Menschen angepasst. Sie brauchen diese Wirtszellen, um sich zu vermehren. Im Lauf der Zeit haben die Keime ihr Erbgut stark verkleinert und an die ressourcenreiche Umgebung in den Wirtszellen angepasst. So gingen zahlreiche Gene verloren, die für freilebende Bakterien lebensnotwendig sind.

Am Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung an der Universität Wien erforscht man schon seit Jahren die Evolution dieser Bakterien. Weil es zuletzt zunehmend Hinweise auf zahlreiche unbekannte Entwicklungslinien im Meer gegeben hat, konzentrierten sich die Forscher auf die Untersuchung von Meerwasser.

In der aktuellen Arbeit analysierten die Mikrobiologen Astrid Collingro und Matthias Horn Zehntausende Bakterienzellen aus Meerwasserproben und fanden darunter drei Chlamydien-Arten. Die Sequenzierung ihrer Genome erlaubte erstmals Einblicke in die genetische Ausstattung und die Biologie mariner Chlamydien.

Die Wissenschafter stießen bei der Analyse der Erbsubstanz nicht nur auf typische Eigenschaften bekannter Arten, sondern auch auf ein völlig unerwartetes Merkmal: Während alle bekannten Chlamydien aufgrund ihrer reduzierten Genome völlig unbeweglich sind, besitzen die untersuchten marinen Chlamydien die genetische Ausstattung für sogenannte Flagellen. Dabei handelt es sich um komplexe Strukturen mit einem molekularen Motor, der eine Art Geißel so antreibt, dass die Zelle sich fortbewegen kann.

Weitere Untersuchungen zeigten, dass solche Flagellen eine ursprüngliche Eigenschaft der Chlamydien sind, die im Laufe der Evolution in den meisten Entwicklungslinien verloren gegangen ist. Die Forscher vermuten, dass im Meer aber Beweglichkeit eine Voraussetzung ist, um neue Wirtszellen zu finden.

(SERVICE - Internet: http://dx.doi.org/10.1038/ismej.2017.95)

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