Ewige Monotonie mit Pasteten
Bavo Defurne lässt in „Ein Chanson für dich“ ein Schlagermärchen wahr werden.
Innsbruck –Für Jean (Kévin Azaïs) ist die Arbeit in der Pastetenfabrik etwas Vorübergehendes. Liliane (Isabelle Huppert) ist anzusehen, dass sie jede Hoffnung aufgegeben hat. Sie drückt Lorbeerblätter und Wacholderbeeren auf die Pasteten, um fünf Uhr nimmt sie den Bus, serviert sich zu Hause eine Flasche Whisky, sucht Erlösung bei einer TV-Quizshow. Tausende Pasteten und einige Abende später folgt sie der 1000-Euro-Frage: „Wie lautete der Künstlername von Liliane Cheverny, die Frankreich beim Eurovision Song Contest vertrat und der Popgruppe ABBA unterlag?“
Das geht sich knapp aus, denn Isabelle Huppert erregte bereits in den 70er-Jahren in Filmen von Claude Goretta oder Patricia Moraz Aufsehen. Ihre Kunst, Verzweiflung und emotionale Isolation mit reduzierten Mitteln darzustellen, setzt sie auch in Bavo Defurnes „Ein Chanson für dich“ auf sehenswerte Weise ein. Wie sie die Monotonie der Fabriksarbeit mit eisiger Miene kommentiert, weil das Leben der Arbeiterin in einer Sackgasse angekommen ist. Aber dann wird aus Liliane Laura.
Jean, der in seiner Freizeit im Boxklub trainiert, hat es natürlich geahnt, schließlich war schon sein Vater ein Verehrer von Liliane/Laura. Diese Anspielung auf das Alter liegt zwar an der Grenze zur Beleidigung, aber die Begeisterung des 22-Jährigen schmeichelt der Künstlerin, die sich prompt zu einem Auftritt in Jeans Sportverein überreden lässt. Laura wirft mit ihren Schlagern ein Seil um die Generationen, die sich in ihrem Musikgeschmack sonst nur selten treffen. Aufgewühlt von diesem Erfolgserlebnis erlaubt Laura/Liliane dem Leichtgewichtler, mit ihr die Nacht zu verbringen. Einmal in der Schlagerwelt angekommen, lässt sie sich von Sätzen wie „Du brauchst Liebe wie eine Blume Wasser!“ verführen, ein Comeback zu versuchen, auf das Frankreich gewartet hat.
In der Erwartung, mit der Aufnahme von zehn Liedern schon den Mehrwert für einen Film über Wiedererkennung oder darin transportierte Gefühle erreicht zu haben, werden meistens die Geschichten übersehen, weshalb Filme über Sänger, die ihre beste Zeit hinter sich haben, oft als Katastrophe enden. Verführerisch sind bei solchen Projekten aber jeweils die Schauspieler, die sich als Sänger auf die Bühne wagen. Ein Glücksfall war Gérard Depardieu, der in Xavier Giannolis „Die Liebe ist ein Chanson“ in der Provinz um sein Leben sang. Giannolis Film hat immerhin den deutschen Verleih beflügelt, Bavo Defurnes Schlagermärchen „Souvenir“ in „Ein Chanson für dich“ zu verwandeln. Leider fehlt dem Film das Quantum Glaubwürdigkeit, das schon jeder simple Schlager bietet. (p. a.)