Kardinal Meisner scherte sich nicht um die Meinung der Mehrheiten
Köln (APA/AFP) - Als kürzlich an den 25. Jahrestag der Reform des Abtreibungsrechts in Deutschland erinnert wurde, fiel häufig der Name von ...
Köln (APA/AFP) - Als kürzlich an den 25. Jahrestag der Reform des Abtreibungsrechts in Deutschland erinnert wurde, fiel häufig der Name von Joachim Meisner. Kaum jemand hatte so scharf gegen die Reform gestritten wie der damalige Kölner Kardinal. Das Streitbare bewahrte er sich bis zum Schluss - so machte der nun mit 83 Jahren während eines Urlaubs in Bad Füssing verstorbene Meisner auch Papst Franziskus öffentlich Druck, dies aber erfolglos.
In Meisners Vita finden sich viele Formulierungen, die unbequem sein sollten, in ihrer Schärfe aber viele auch verstörten. So sagte er etwa am Dreikönigstag 2005 zum Abtreibungsrecht: „Zuerst Herodes, der die Kinder von Bethlehem umbringen lässt, dann unter anderem Hitler und Stalin, die Millionen Menschen vernichten ließen, und heute, in unserer Zeit, werden ungeborene Kinder millionenfach umgebracht.“ Erst nach einem öffentlichen Aufschrei entschuldigte sich Meisner.
Den Kölnern wird generell ein zwiespältiges Verhältnis zu ihren Erzbischöfen nachgesagt: Im Mittelalter jagten sie die geistlichen Feudalherren aus der Stadt, andere Erzbischöfe wie der 1978 verstorbene Josef Frings stehen im größten deutschen Bistum noch heute in höchstem Ansehen.
Bei dem am 25. Dezember 1933 nahe Breslau geborenen Meisner hätten viele wohl auch gern in seiner 25-jährigen Amtszeit am liebsten die mittelalterliche Vertreibung gewählt. Der Kardinal stand im krassen Widerspruch zur liberalen Grundeinstellung der meisten Katholiken in seinem Bistum. Doch der wahlweise als „Gottes Rottweiler“, „geistiger Brandstifter“ oder als „Krawallkardinal“ bezeichnete Meisner scherte sich nie um die Meinung von Mehrheiten. „Die Kirche hat sich dem Wort Gottes anzupassen und nicht der Meinung der Menschen“, sagte er noch kurz vor seinem Ausscheiden 2014.
Der 1969 im Vatikan promovierte Theologe war von 1980 bis 1989 zunächst Bischof von Berlin, bevor ihn Papst Johannes Paul II. dann nach Köln schickte. In seiner Zeit dort ließ der nach einer Banklehre in Magdeburg spätberufene und in der DDR ausgebildete Meisner nie Zweifel daran aufkommen, dass er sich auf dem Kölner Kirchenthron als Hüter der „reinen Lehre“ sah.
Tatsächlich machte kaum ein katholischer Würdenträger so entschieden Front gegen Frauenpriestertum und Abschaffung des Zölibats. Auch die Homosexuellen verschonte Meisner nicht. Der CDU empfahl er wegen für ihn unvertretbarer Positionen, das „C“ aus dem Namen zu streichen.
Später verdammte Meisner die Abtreibungspille RU 486 als „Tötungsinstrument“, dessen Anwendung mit der chemischen Vernichtung von Leben in der NS-Zeit vergleichbar sei. Doch nach einem Skandal um eine mutmaßlich vergewaltige Frau, der von zwei katholischen Kliniken in Köln die „Pille danach“ verweigert worden war, bewegte sich auch Meisner unerwartet. Für viele überraschend bezeichnete er damals die Verschreibung bestimmter Präparate bei Vergewaltigungsopfern als „vertretbar“. Dies zählte aber zu den wenigen Gesten eines Entgegenkommens in seiner Laufbahn. Und obwohl Meisner nach seiner Emeritierung bis zu seinem Tod weitgehend zurückgezogen in Köln lebte, zeigte er auch keine Altersmilde.
So machte Meisner noch im vergangenen Herbst mit drei anderen erzkonservativen Kardinälen öffentlich Front gegen das Schreiben „Amoris laetitia“ von Papst Franziskus, in dem dieser mehr Barmherzigkeit in der Anwendung der kirchlichen Morallehre forderte. Doch Franziskus ließ Meisner und seine Mitautoren abprallen.
Einige verstünden es weiterhin nicht, entgegnete er seinen Kritikern. Dies liege daran, dass sie nach dem Schema schwarz oder weiß dächten - für diese Vereinfachungen fand Meisner bei Franziskus keinen Platz.