Grenzkontrollen

Debatte um Kontrollen: Fischler rügt Wahlkampf am Brenner

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Bundeskanzler Kern (SP) räumte gestern Brenner-Irritationen mit Italien aus. Ex-EU-Kommissar Fischler wirft der Politik Wahlkampfgetöse vor.

Von Peter Nindler und Michael Sprenger

Innsbruck –An den vier nach Tirol verlegten Rad-Panzern hat sich jetzt die SPÖ verschluckt. Panzer und 750 Soldaten für mögliche Grenzkontrollen am Brenner, die Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SP) zeitnah, aber beinahe im Alleingang erwartet, waren wohl zu viel. Italien und die EU protestierten. Bundeskanzler Christian Kern (SP) rüstete gestern ab.

In einem Telefongespräch mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und seinem italienischen Amtskollegen Paolo Gentiloni habe er alle Missverständnisse aus dem Weg räumen können, sagte Kern im TT-Gespräch. „Österreich ist und bleibt ein Teil Europas. Wir werden auch nichts unternehmen, ohne es zuvor mit Italien und Brüssel abzustimmen.“ Schon jetzt funktioniere die Zusammenarbeit mit den italienischen Behörden ausgezeichnet. Italien brauche aber jetzt die europäische Solidarität. „Ich hoffe auch, dass dies der Herr Außenminister ebenso sieht“, fügt Kern hinzu.

Für den Kanzler geht es vielmehr um Unterstützung im Falle eines Assistenzeinsatzes. Eine Situation wie 2015 dürfe sich nicht wiederholen. Die Polizei hat gleichsam entsprechende Vorkehrungen für den Aufbau des Grenzmanagements getroffen. „Sollte die Lage es in Zukunft verlangen, könnten die notwendigen Entscheidungen auf österreichischer und europäischer Ebene zur Einführung temporärer Grenzkontrollen schnell gefasst und implementiert werden“, hieß es dann in einer gemeinsamen Erklärung von Kern und Dos­kozil.

Mit dieser Klarstellung zeigte sich denn auch Rom zufrieden. Kopfschütteln erntet die österreichische Politik beim ehemaligen EU-Kommissar Franz Fischler. „Das ist das Ergebnis des Wahlkampfs“, hält er die Vorgangsweise von Doskozil für extrem schlecht. „Vor allem deshalb, weil derzeit offensichtlich keine Notwendigkeit für Grenzkontrollen besteht.“ Natürlich müsse man vorbereitet sein, „aber das sind wir bereits seit einem Jahr“. Was sich rund um die Flüchtlingspolitik abspiele, sei Wahlkampfgetöse, „das dient nicht der Sache“.

Fischler kann einem von Deutschland forcierten „Marshall-Plan mit Afrika“ viel abgewinnen. Er verweist in diesem Zusammenhang auf den britischen Migrationsforscher Paul Collier. Die Schließung der Mittelmeerroute sei möglich, aber nur in Verbindung mit Investitions- und Hilfsprojekten in Afrika. Von einer Kürzung der Entwicklungshilfegelder hält Fischler nichts.

Ein Ende der Wahlkampfspiele am Brenner fordern die NEOS. Für die Freiheitlichen nördlich und südlich des Brenners sind mögliche Grenzkontrollen am Brenner die Folge der gescheiterten Einwanderungspolitik.

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