Tirols Wirtschaft zündet den Turbo beim Wachstum
Volle Auftragsbücher, mehr Jobs, weniger Arbeitslose: Tirols Firmen sind so zuversichtlich wie nie seit der Krise. Mau bleibt die Laune im Tourismus.
Innsbruck – In der Tiroler Wirtschaft ist die Stimmung so gut wie lange nicht. Das geht aus der aktuellen Top-Tirol-Befragung der Wirtschaftskammer Tirol hervor, bei der im Juni 237 Tiroler Betriebe mit zusammen 39.000 Mitarbeitern mitgemacht haben. Was die Einschätzung der wirtschaftlichen Lage und die Erwartungen angeht, so beurteilen die Firmen die Situation aktuell sogar so gut wie noch nie, seit diese Studie erstellt wird: Der Geschäftsklimawert für das erste Halbjahr 2017 sei das dritte Mal in Folge gestiegen und habe mit 61 % einen historischen Höhepunkt erreicht, erklärten Wirtschaftskammer-Präsident Jürgen Bodenseer und Chefstatistiker Stefan Garbislander gestern. Das Top-Tirol-Konjunktur-Barometer gibt es seit Frühjahr 1996. „Es geht bergauf“, resümierte Bodenseer. Der Konjunkturmotor sei seit Jahresbeginn weiter auf Touren gekommen – angeschoben von Export und privatem Konsum. Ein Überblick:
1Zwei Drittel machen gute Geschäfte. 65 % der Leitbetriebe melden aktuell eine gute Geschäftslage, 62 % erwarten auch, dass es im Herbst wirtschaftlich gut weitergehen wird. Lediglich 2 % bewerten die eigene Lage negativ. Etwa jeder zweite Chef ist zudem optimistisch, was die Wirtschaftsentwicklung Tirols im nächsten halben Jahr betrifft, fast ebenso viele gehen von einer unveränderten Lage aus.
Die Stimmung ist dabei quer durch die meisten Branchen gut bis sehr gut. Vergleichsweise mau ist die Laune allerdings bei den Touristikern. Hoteliers und Wirte sind die Schlusslichter bei der Beurteilung ihrer eigenen wirtschaftlichen Lage sowie bei Auftrags- und Buchungslage. Das Geschäft brummt vor allem in der Industrie, der Produktion und in den exportierenden Betrieben – angeschoben auch von der Entwicklung Deutschlands. Auch Verkehr, Bau und Gewerbe haben mehrheitlich volle Auftragsbücher. Fast zwei Drittel der Tiroler Betriebe sind gut ausgelastet, bei knapp jedem Vierten werden derzeit sogar die Kapazitäten gesprengt.
2Es wird mehr investiert, aber der millionenschwere Investitionsstau bleibt. Jeder vierte Betrieb will in den kommenden sechs Monaten mehr Geld investieren. Jeder Zehnte wird indes die Investitionsbremse ziehen – wobei dies vor einem Jahr noch fast doppelt so viele wollten. Laut WK hat sich in Tirol in den vergangenen Jahren ein Investitionsstau von 425 Mio. Euro angehäuft – unter anderem weil die öffentliche Hand weniger investiert hat. Um die Lücke zu schließen, werde es „einige Jahre“ brauchen, hieß es. Mehr Geld fließe nun für Digitalisierung und Rationalisierung.
3Mehr Wachstum, weniger Arbeitslose. Jeder dritte Leitbetrieb will laut der Befragung in den kommenden drei Monaten mehr Personal einstellen, mehr als die Hälfte hält den Beschäftigungsstand. 12 % planen, Mitarbeiter abzubauen. Die WK erwartet, dass die Arbeitslosenquote heuer auf 5,8 % fallen könnte (2016: 6,4 %). Das wäre der beste Wert seit fünf Jahren. Auch das Wachstum soll sich weiter beschleunigen: Bei der Bruttowertschöpfung wird real ein Plus von 2,3 bis 2,5 % vorhergesagt. Damit würde die Tiroler Wirtschaft ähnlich stark wachsen wie Österreich. Die Exporte könnten erstmals die 13-Mrd.-Marke knacken.
4Kritik an Wettbewerbsfähigkeit und Fachkräfte-Niveau. Weiter kritisch beäugen die Chefs die Wettbewerbfähigkeit Tirols, auch wenn es hier eine leicht verbesserte Einschätzung gibt als noch vor zwei Jahren. Zugleich kritisieren 51 %, dass sich das Qualifikationsniveau der Fachkräfte in den vergangenen fünf Jahren verschlechtert habe. (wer)