Aktion 20.000

800 Stellen in Tirol lassen ältere Jobsuchende hoffen

Ältere Job-Suchende sind mit vielen Vorurteilen behaftet. Das soll sich mit der Aktion 20.000 ändern.
© Keystone

Zwei Tiroler haben im Rahmen der Aktion 20.000 schon einen Job, diese Zahl soll jedoch rapide ansteigen: Wer aller vom Projekt für ältere Langzeitarbeitslose profitieren könnte.

Von Kathrin Siller und Irene Rapp

Innsbruck –Männlich. Alter: zwischen 50 und 65 Jahre. Ausbildung: lediglich ein Pflichtschulabschluss. So sieht laut Arbeitsmarktservice (AMS) der typische Langzeitarbeitslose in Tirol aus – sprich, die betroffenen Personen sind bereits länger als ein Jahr auf der Suche nach einem Job.

Mit Ende Juni 2017 waren tirolweit 1881 Personen davon betroffen – „und hinter jeder Zahl steckt ein ganz persönliches Schicksal“, sagt AMS-Chef Anton Kern. Eines eint aber den Großteil: dass sie auf der Suche nach einer Arbeit unzählige Bewerbungsschreiben verfasst haben – immer erfolglos.

Genau in diese Kerbe schlägt die Aktion 20.000, die erst vor zwei Wochen vom Nationalrat abgesegnet worden ist: Österreichweit werden demnach Arbeitsplätze für Langzeitarbeitslose geschaffen – in Tirol etwa 800 und auf eine Dauer von zwei Jahren ausgerichtet. Gestartet wird in Gemeinden und gemeindenahen Bereichen, in der Folge soll das Programm in Richtung Vereine und gemeinnützige Organisationen ausgebaut werden.

In den zwei Tiroler Modellregionen – Innsbruck bzw. Innsbruck-Land – sind bereits die ersten zwei Jobs für Betroffene vom AMS abgesegnet worden. Weitere 50 Stellen haben die Gemeinden der zwei Bezirke bislang eingereicht: Hall etwa eine Kanzleikraft, Vals eine Person für den Bauhof. Beim AMS werden jetzt die „passenden Menschen zu den angebotenen Bereichen gesucht“, ist Kern wichtig.

Dass Langzeitarbeitslose vor allem an ihrem ramponierten Selbstvertrauen knabbern, weiß der Arbeitspsychologe Paul Jiménez vom Institut für Psychologie der Universität Graz: „Wer auf 200 Bewerbungen nur Absagen bekommt, bei dem leidet das Selbstwirksamkeitsdenken.“ Mit der Einstellung „Die wollen mich eh nicht“ sei jedoch jedes Zusammentreffen mit potenziellen Chefs zum Scheitern verurteilt.

Doch jetzt heißt es „Die wollen mich“ und das wirke sich bereits aus: „Die Reaktionen sind durchwegs positiv, die Langzeitarbeitslosen sehr interessiert“, sagt Kern. Allerdings: Wenn jemand ein Job-Angebot ablehne, könne auch an die Streichung der Leistung aus der Arbeitslosenversicherung gedacht werden. Davon kann aber vorerst noch nicht die Rede sein: „Die wollen wirklich arbeiten“, sagt Kern.

Aber auch die Gemeinden sind Nutznießer: Die Stellen werden laut Kollektivvertrag entlohnt, 100 Prozent des Bruttoentgeltes zuzüglich 50 Prozent Pauschale für Lohnnebenkosten vom Bund gefördert. „Für die Gemeinden fallen also keine Kosten an“, sagt Kern. Ab 2018 soll die Aktion 20.000 dann auf alle Tiroler Bezirke ausgedehnt werden. Und Kern ist sich sicher, dass in den nächsten Wochen noch viele weitere zu besetzende Stellen von den Kommunen gemeldet werden.

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Die Aktion ist übrigens bis Mitte 2019 finanziert. Das Sozialministerium, das die Aktion initiiert hat, verfolgt damit aber noch einen weiteren Plan: Von ähnlichen Förderprogrammen weiß man, dass meist zwei Drittel der Betroffenen danach einen fixen Job haben – entweder, weil sie aus einem Beschäftigungsverhältnis heraus eine neue Arbeit suchen können oder weil sie von ihrem neuen Arbeitgeber fix übernommen werden.

Doch noch sind die Vorbehalte gegenüber älteren Arbeitnehmern groß: Sie seien langsam, unmotiviert, häufiger krank, unflexibel oder denken nur an ihre Pension. Dieses negative Image stört Jiménez sehr: „Da muss man bitte äußerst differenziert hinschauen“, mahnt er.

Natürlich würden sich gewisse Dinge im Alter ändern: Die körperliche Leistungsfähigkeit nehme ab, gleich wie die Geschwindigkeit der Informationsaufnahme oder das Kurzzeitgedächtnis. Ältere Arbeitnehmer könnten diese Defizite jedoch meist gut kompensieren: mit langjähriger Berufserfahrung, viel Wissen und Motivation, Neues zu lernen. Sie würden über gute Urteilsfähigkeit verfügen und seien oft zuverlässiger, konfliktfähiger, besonnener und betriebstreuer.

Die Jungen gegen die Alten auszuspielen, ist aber nicht in Jiménez’ Sinne. Im Gegenteil: „In Teams ist ein ausgeglichener Mix von Älteren und Jüngeren von Vorteil. Die älteren bringen nämlich u. a. viel Ruhe rein, wohl auch, weil sie nicht mehr so unter Druck stehen, Karriere zu machen.“

Letztendlich darf auch ein anderer Punkt nicht unterschätzt werden: In wenigen Jahren werden Betriebe aufgrund der demographischen Entwicklung – immer weniger Junge kommen nach, die Gesellschaft altert immer mehr – froh um genau diese Arbeitnehmer sein.

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