Demos und Schulterschlüsse vor G-20-Gipfel in Hamburg
Berlin/Hamburg (APA/Reuters) - Vor Beginn des G-20-Gipfels in Hamburg loteten die Teilnehmer am Donnerstag in bilateralen Treffen noch einma...
Berlin/Hamburg (APA/Reuters) - Vor Beginn des G-20-Gipfels in Hamburg loteten die Teilnehmer am Donnerstag in bilateralen Treffen noch einmal die Einigungschancen in den konfliktträchtigen Themen Handel und Klima aus.
US-Präsident Donald Trump besuchte am Vormittag in Warschau eine Konferenz von zwölf osteuropäischen Regierungschefs. Danach wurde er in der Hansestadt erwartet, wo für den Abend ein Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel vorgesehen war. Russlands Präsident Wladimir Putin sicherte Merkel Unterstützung gegen Protektionismus zu. In Hamburg liefen sich unterdessen die G-20-Gegner warm, eine Großdemonstration war für den Nachmittag geplant. Ein „Protestzug“ hatte in der Nacht Hunderte Demonstranten in ganz Deutschland eingesammelt.
Der Gipfel am Freitag und Samstag in der Elbmetropole birgt erhebliches Konfliktpotenzial, aber auch Chancen auf Annäherung in den aktuellen Krisen in Syrien, der Ost-Ukraine oder Katar. Als G-20-Vorsitzende kommt Merkel eine Schlüsselrolle zu. Am Mittwoch hatten sich sowohl Chinas Präsident Xi Jinping als auch Japans Ministerpräsident Shinzo Abe hinter den multilateralen Ansatz der deutschen Kanzlerin bei den Themen Klimawandel und Freihandel gestellt. Auch Putin stärkte ihr im „Handelsblatt“ den Rücken: „Ich bin der Überzeugung, dass nur offene, auf einheitlichen Normen und Standards basierende Handelsverbindungen das Wachstum der globalen Wirtschaft stimulieren und eine fortschreitende Entwicklung zwischenstaatlicher Beziehungen fördern können.“ Zugleich machte Putin aber Differenzen deutlich. So seien die Sanktionen der USA und der EU gegen sein Land verdeckter Protektionismus.
Als eines der größten Probleme des Treffens gilt das Abrücken von US-Präsident Trump vom Pariser Klimaschutzabkommen. Hier wiederum bekannte sich Putin zum Pariser Klimavertrag, aus dem die USA aussteigen wollen. Der Entwurf für die G-20-Abschlusserklärung sieht nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters einen Kompromissvorschlag vor: Zwar wird einerseits die Kluft zwischen den USA und den anderen führenden Industrie- und Schwellenländern beim Klimaabkommen betont. Andererseits sollen sich aber alle 20 Regierungen dazu bekennen, die Treibhausgase zu verringern.
Trump suchte sich als Startpunkt für seinen Europa-Besuch vor dem G-20-Treffen nicht Paris, London oder Berlin aus, sondern Warschau und die dortige rechtspopulistische und euroskeptische Regierung. In erster Linie geht es Polen und den anderen Ländern der Region um amerikanische Gaslieferungen, mit denen sie ihre Abhängigkeit vom russischen Gas verringern wollen. Trumps Besuch wertet das Treffen der „Drei-Meeres-Initiative“ vom Baltikum bis zum Balkan erheblich auf - Kritiker sehen darin auch einen Versuch, ein Gegengewicht zu den westlichen EU-Staaten zu schaffen, die Merkels EU-Integrationskurs skeptisch bewerten.
Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wird wahrscheinlich am Abend mit Merkel zusammentreffen wollte. Dabei dürften die Spannungen im deutsch-türkischen Verhältnis zur Sprache kommen.
Geplant waren dann am Freitag das erste Treffen von Trump und Putin überhaupt seit Amtsantritt des US-Präsidenten. Hier reicht die Themenpalette vom Kampf gegen Terrorismus über Syrien und den Irak bis hin zur Krise um Katar und Nordkoreas Raketen- und Atomprogramm. Außerdem sollte es ein Treffen von Merkel und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron mit Putin geben, bei dem die Ukraine-Krise im Vordergrund stehen dürfte.
Begleitet wird der Gipfel vor Ort von Hunderttausenden Demonstranten, von denen die Polizei mehrere Tausend als gewaltbereit einstuft. Eine „Welcome to Hell“-Demonstration am Nachmittag galt als erster Test für das Sicherheitskonzept der Polizei, die aus dem gesamten Bundesgebiet zusammengezogen wurde. In der Nacht auf Donnerstag war es zu einem Brandanschlag auf ein Autohaus gekommen.
Ein Sonderzug aus der Schweiz hatte in der Nacht in Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen weitere G-20-Gegner eingesammelt. Begleitet wird das G-20-Treffen auch von Kulturveranstaltungen und Pop-Konzerten - aber auch von Konferenzen, die über Alternativen zu den Lösungsansätzen der G-20-Regierungen für die von Klima bis Krieg reichenden Krisen der Welt debattieren.