Jefta soll ab 2019 gelten, Tiroler Speck in Japan geschützt
EU und Japan erzielten vor G-20-Gipfel eine Grundsatzeinigung. 200 regionale Erzeugnisse bleiben geschützt. Offenen Fragen bleiben beim Investitionsschutz.
Brüssel – Die Europäische Union und Die EU und Japan haben sich auf die Grundsätze eines Freihandelsabkommens geeinigt. Die Verhandlungen gingen aber weiter, sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Donnerstag nach einem Treffen mit dem japanischen Regierungschef Shinzo Abe und EU-Ratspräsident Donald Tusk in Brüssel.
Ziel sei es, dass das Abkommen Anfang 2019 in Kraft treten könne. Geklärt werden müsse unter anderem noch die Frage des Investitionsschutzes.
Keinen Schutz durch Protektionismus
Juncker zufolge wird mit der Grundsatzeinigung ein starkes Signal vor dem Gipfel der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G-20) in Hamburg gesandt. Ähnlich äußerte sich die deutsche Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries. Juncker betonte: „Für uns gibt es keinen Schutz durch Protektionismus.“ In der Hansestadt treffen die Vertreter Japans und der EU auch US-Präsident Donald Trump, der protektionistische Töne angeschlagen hat. Er fordert eine Neuverhandlung bestehender Vereinbarungen, die seiner Ansicht nach schlecht für die USA sind. Abe lobte die Vereinbarung mit der EU als Geburtsstunde der weltweit größten Wirtschaftszone mit freiem Warenverkehr.
EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström hatte die Einigung auf Ministerebene bereits am Mittwoch verkündet. Die EU rechnet durch das Abkommen mit einer Zunahme des Handels zwischen Europa und Fernost um ein Drittel und einem langfristigen Anstieg der EU-Wirtschaftsleistung um 0,8 Prozent. Exportfirmen aus der EU sollen jährlich rund eine Milliarde Euro an Zöllen einsparen können.
Der deutsche Außenhandelsverband BGA nannte die Vereinbarung einen Meilenstein in der europäischen Handelspolitik und einen Lichtblick angesichts weltweiter Abschottungstendenzen. Zugleich wurde aber auch Skepsis laut: Wegen der noch ungeklärten Fragen sprach der EU-Abgeordnete Helmut Scholz von den Linken von einem „politischen Showeffekt“. Der Vorsitzende des Handelsausschusses im EU-Parlament, Bernd Lange (SPD), mahnte: „Eine politische Einigung ist nicht mit einem Abschluss der Verhandlungen gleichzusetzen, und bis zu einem guten Abkommen ist der Weg noch weit.“ So seien mögliche private Schiedsstellen beim Streit über Investitionen (ISDS) für die Sozialdemokraten inakzeptabel. Zudem müssten Arbeitnehmerrechte geschützt werden. Die Vereinbarungen zum Datenschutz seien voraussichtlich erst Anfang 2018 fertig. Das EU-Parlament muss wie die Mitgliedsländer allen EU-Handelsabkommen zustimmen.
Tiroler Speck in Japan geschützt
Nach Angaben der EU-Kommission sollen 85 Prozent der Zölle auf landwirtschaftliche Produkte stufenweise fallen. Über europäische 200 Erzeugnisse von ausgewiesener geografischer Herkunft sollen auch in Japan geschützt werden. Dazu gehören etwa Lübecker Marzipan, Tiroler Speck oder Wodka aus Polen (Polska Wodka). Für den Abbau von Zöllen auf Fahrzeuge aus Japan sollen Übergangsfristen gelten, um die europäischen Hersteller zu schützen. Medienberichten zufolge konnte sich die EU gegenüber Japan mit einer Übergangszeit von sieben Jahren durchsetzen. Der Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) forderte aber zugleich den Abbau von Steuervorteilen für japanische Rivalen und technischen Vorgaben beim Export Richtung Fernost.
Die von Umweltschützern befürchtete Einfuhr von Walfleisch in die EU soll es den EU-Angaben zufolge auch künftig nicht geben. Den Import von illegal geschlagenem Holz wollen beide Seiten verhindern.
Das bilaterale Handelsvolumen zwischen der EU und Japan belief sich voriges Jahr auf 144 Mrd. Dollar. Wenn das Abkommen endgültig vereinbart wird, wäre es das bisher größte der EU. Ihm sollen möglichst bald Verträge mit den Mercosur-Staaten Südamerikas und Mexiko folgen. (APA, Reuters)
JEFTA: Die Kernelemente des Handelsabkommens
Europa und Japan senden unmittelbar vor dem G-20-Gipfel in Hamburg ein weltweit sichtbares Signal für den Abbau von Handelsschranken und gegen nationale Abschottung. Nach über vierjährigen Gesprächen und 18 Verhandlungsrunden stellten die Spitzenvertreter beider Seiten am Donnerstag in Brüssel die Eckpunkte eines Freihandelsabkommens vor. Die wichtigsten Elemente im Überblick.
Ziele: Hauptziel der Europäer ist es, mit dem Abkommen einen besseren Zugang von europäischen Firmen auf dem immer noch als schwierig geltenden japanischen Markt zu erlangen. Zugleich wollen beide Seiten internationale Standards und Regeln für eine Vielzahl von Feldern, wie den Verbraucher- und Arbeitsschutz oder der Unternehmensführung setzen sowie gemeinsame Werte wie Demokratie und Umweltschutz betonen. Die Verhandlungen sollen Mitte 2018 abgeschlossen sein, damit das Abkommen Anfang 2019 in Kraft treten kann.
Japan und die EU: Japan ist nach China für die EU der zweitwichtigste Handelspartner in Asien. Insgesamt liegt Japan auf Rang sechs der größten EU-Handelspartner. Fast 74.000 europäische Firmen sind im Handel mit Japan tätig, davon vier Fünftel kleinere Unternehmen. Die Ausfuhren nach Japan beliefen sich 2016 auf insgesamt 80 Mrd. Euro, ebenso wie die Einfuhren japanischer Firmen Richtung EU. In der EU hängen rund 600.000 Jobs von Japan-Exporten direkt ab. Zugleich beschäftigen japanische Firmen in Europa mehr als eine halbe Million Menschen.
Zölle: Mit dem Freihandelsabkommen wollen beide Seiten fast alle Zölle im Warenhandel abschaffen, was den europäischen Exporteuren laut EU-Kommission Einsparungen von rund einer Milliarden Euro jährlich einbringt. Bei agrarischen Produkten ist Japan mit mehr als 5,7 Mrd. Euro pro Jahr bereits jetzt der viertgrößte Markt für die EU. Stufenweise sollen hier 85 Prozent der Zölle wegfallen. Innerhalb von 15 Jahren ist eine Absenkung der Einfuhrgebühren bei Rindfleischprodukten von 28,5 auf 9 Prozent geplant. Bei Schuhen ist eine Reduzierung von 30 auf 21 Prozent und nach zehn Jahren ein kompletter Abbau vorgesehen. Japan wiederum ist vor allem an Zollsenkungen für Industriegüter - speziell Autos - interessiert. Auch hier soll es auf Druck der europäischen Automobilbauer aber eine Übergangsphase geben - laut Medienberichten konnte sich die EU in diesem Punkt mit einer siebenjährigen Frist durchsetzen.
Abbau anderer Handelshemmnsise: Jenseits der Zollschranken wollen beide Seiten auch andere Handelshemmnisse abschaffen. So soll die Zulassung von Kraftfahrzeugs-Modellen vereinfacht und die Regelungen bei Medizinprodukten sowie der Kennzeichnung von Textilien angepasst werden. Ab 2018 kann zudem europäisches Bier unter genau dieser Bezeichnung statt als "alkoholhaltiges Erfrischungsgetränk" nach Nippon verschifft werden und wird damit günstiger besteuert.
Vergabe öffentlicher Aufträge: Firmen aus der EU werden nach Angaben der EU-Kommission gleichberechtigt mit japanischen Unternehmen bei der Vergabe von Aufträgen in 48 "Kernstädten" Japans mit Einwohnern zwischen 300.000 und 500.000 Einwohnern mitbieten können. Hemmnisse bei der Vergabe öffentlicher Aufträge im Eisenbahnsektor sollen beseitigt werden.
Investitionschutz: Noch nicht einig ist man sich beim Investitionsschutz. Die deutsche Regierung betrachtet Japan als relativ rechtssicher für deutsche Investoren. Dennoch sollen die neuen europäischen Regeln für einen modernen Investitionsschutz mit einem Gerichtshof und öffentlich bestellten Richtern, transparenten Verfahren sowie einer Berufungsinstanz möglichst im Abkommen verankert werden.