G20-Gipfel

Von Donald Trump bis Joko Widodo: Das ist die G20

Merkel, Macron, Trump, Abe, May: Die G20-Chefs (hier in Form von Pappmache-Köpfen bei Gegenprotesten) versammeln sich zum Gipfel in Hamburg.
© Reuters

Schon mal etwas von Joko Widodo gehört? Der Indonesier ist wohl der Unbekannteste unter den Teilnehmern des G20-Gipfels – obwohl er Präsident von 255 Millionen Menschen ist. Zusammen vertreten Widodo, Merkel, Trump und Co. 64 Prozent der Weltbevölkerung.

Hamburg – Zur „Gruppe der 20“ wichtigsten Wirtschaftsmächte gehören 19 Länder, aber 21 Personen - weil die Europäische Union als 20. Mitglied zu zweit vertreten ist. Einer der 21 will aber zuhause bleiben - damit sitzen beim G20-Gipfel in Hamburg nach jetzigem Stand nur 20 Chefs am Tisch. Ein Überblick:

DEUTSCHLAND: Kanzlerin ANGELAMERKEL (62) richtet ihren ersten G20-Gipfel im eigenen Land innen- wie außenpolitisch in starker Verfassung aus. Sie hat gute Chancen auf eine vierte Kanzlerschaft im Herbst und wird wegen der schwierigen Entwicklung in den USA inzwischen als „Führerin der freien Welt“ betitelt - gegen ihren Willen.

USA: Präsident DONALDTRUMP(71) steckt zu Hause in einem Sumpf aus Problemen, von einer noch fehlenden Steuerreform bis zur Russland-Affäre. In Hamburg wird er wegen seiner nationalistischen Handels- und Wirtschaftspolitik sowie der kontroversen US-Klimapolitik für Gesprächsstoff, vielleicht auch Streit sorgen.

RUSSLAND: Für Kremlchef WLADIMIRPUTIN (64)ist die erste Begegnung mit US-Präsident Trump das wichtigste Gipfel-Ereignis. Die Beziehungen zwischen Moskau und Washington sind so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht. Bei den Krisenherden Syrien, Ukraine und Nordkorea hat Putin, dienstältester Staatenlenker der G20, ein wichtiges Wort mitzureden.

CHINA: Der chinesische Staats- und Parteichef Xi JINPING (64) bündelt mehr Macht als seine Vorgänger in seinen Händen und sucht eine größere Rolle für China auf der Weltbühne. Der Isolationismus der USA unter Trump hilft ihm, sich als Vorreiter im Freihandel und Klimaschutz zu präsentieren, obwohl die Realität in China ganz anders aussieht.

TÜRKEI: Der türkische Präsident RECEP TAYYIP ERDOGAN (63) ist seit seinem Sieg beim Verfassungsreferendum mächtig wie nie. Die Opposition wirft ihm vor, eine Diktatur zu errichten. Sein erster Deutschland-Besuch seit zwei Jahren ist wegen der Krise in den deutsch-türkischen Beziehungen heikel. Einen Auftritt vor Anhängern hat die Bundesregierung ihm verboten. Möglich, dass er deswegen noch absagt.

SAUDI-ARABIEN: An der Spitze des schwerreichen Saudi-Arabien steht König SALMAN (81), dessen Sohn Mohammed bin Salman (31) in den vergangenen Jahren mehr und mehr zum starken Mann wurde. Wegen der Katar-Krise sagte Salman seine Teilnahme am G20-Gipfel aber am Montag ab. Nach Angaben der saudi-arabischen Botschaft in Berlin wird Staatsminister Ibrahim al-Assaf die Delegation des Königreiches anführen.

JAPAN: Unter Ministerpräsident SHINZOABE (62) ist Asiens älteste Demokratie autoritärer geworden. Der Rechtskonservative sorgte nach Jahren wechselnder Regierungen für Stabilität. Doch nun machen Skandale Schlagzeilen. Abes Umfragewerte sind deutlich gesunken. Eine Einigung mit der EU über ein Freihandelsabkommen am Rande des G20-Gipfels würde für willkommene Ablenkung sorgen.

EUROPÄISCHEUNION: Die EU wird in Hamburg von Ratspräsident DONALD TUSK (60) und Kommissionschef JEAN-CLAUDE JUNCKER (62) vertreten. Die beiden Politiker wollen die Staatengemeinschaft als Vorkämpferin für freien Welthandel positionieren. Bereits im Vorfeld gab es aber auch Drohungen. Wenn Handelspartner ihre Märkte abschotten, sollen sie künftig verstärkt mit Gegenmaßnahmen der EU rechnen müssen.

FRANKREICH: Noch vor einem halben Jahr galt EMMANUEL MACRON (39) als chancenloser Außenseiter, nun ist er jüngster französischer Präsident aller Zeiten mit weitreichenden Kompetenzen. In Europa arbeitet er Hand in Hand mit Kanzlerin Merkel, auf internationaler Ebene will er das bürgerkriegserschütterte Syrien befrieden.

GROßBRITANNIEN: Premierministerin THERESAMAY (60) kommt nach ihrem Wahldesaster geschwächt zum G20-Gipfel. Trotz erfolgreicher Gespräche mit der nordirischen DUP steht ihre Minderheitsregierung auf wackeligen Beinen. In den Brexit-Verhandlungen über einen EU-Austritt hat sie in vielen Punkten gegensätzliche Interessen zu den Noch-Partnern.

ITALIEN: Ministerpräsident PAOLO GENTILONI (62) ist erst seit Dezember im Amt. Als derzeitigem Vorsitzenden der G7-Gruppe steht das Thema Migration und somit die Kooperation mit afrikanischen Staaten ganz oben auf seiner Agenda, weil Italien besonders betroffen ist. Sein Manko: Er wurde nicht vom Volk gewählt und gilt als Übergangs-Premier.

KANADA: Der liberale Premierminister JUSTINTRUDEAU (45)gilt als „Kennedy Kanadas“ und Darling der Diplomatie, auch wenn die Euphorie um ihn im Heimatland etwas nachgelassen hat. Trudeau will Kanada eine stärkere und aktivere Rolle auf der internationalen Politikbühne geben.

SÜDKOREA: Präsident MOON JAE IN (64) gibt sein Gipfeldebüt. Nach Turbulenzen wegen eines Korruptionsskandals um seine konservative Vorgängerin Park Geun Hye trauen die Südkoreaner dem Linksliberalen zu, das Land in ruhigere Fahrwasser zu steuern und die Wirtschaft anzukurbeln. Die größte Herausforderung bleibt der Streit um Nordkoreas Atomprogramm.

ARGENTINIEN: Wegen Sparprogrammen und hoher Inflationdaheim unter Druck, ist Präsident MAURICIO MACRI (58) international als Verfechter offener Märkte umgarnt. Investoren geben sich die Klinke in die Hand. Die Agrarmacht will rasch ein Freihandelsabkommen zwischen dem südamerikanischen Mercosur-Bund und der EU abschließen.

MEXIKO: Angesichts der Konflikte mit dem wichtigen Partner USA seit der Wahl von Donald Trump sucht Mexikos Staatschef Enrique PENA NIETO (50) weltweit nach neuen Verbündeten. Beim Besuch von Angela Merkel sagte der daheim äußerst unbeliebte Präsident der Bundeskanzlerin bereits Unterstützung bei den G20-Themen Klimaschutz und Freihandel zu.

BRASILIEN: Präsident MICHEL TEMER (76) droht das Aus wegen einer Korruptionsaffäre - erst sagte er deswegen für Hamburg ab, nun will er doch kommen, auch um neueHandelsbündnisse zu schmieden. Die Not ist groß:Seit 2015 brach die Wirtschaft des Landes um 7,4 Prozent ein. Die politische Krise lähmt notwendige Reformen. Die Zustimmung zu Temer sank auf sieben Prozent.

SÜDAFRIKA: Präsident JACOB ZUMA (75) ist im Herbst seiner Regierungszeit angekommen. Wegen Korruptionsskandalen gilt der Staatschef als angezählt. Zudem schwächelt die Wirtschaft, die Arbeitslosigkeit ist zuletzt auf Rekordhöhe von knapp 28 Prozent gestiegen. Schöne G20-Bilder kommen Zuma daher sicher gelegen.

AUSTRALIEN: Premierminister MALCOLM TURNBULL (62) kommt mit einem Weltrekord nach Hamburg: Australiens Wirtschaft wächst und wächst und wächst - seit bald 26 Jahren ist sein Land inzwischen ohne Rezession. Allerdings wird auch die Abhängigkeit von China immer größer. Zunehmend bereitet auch der Klimawandel Probleme.

INDIEN: Ministerpräsident NARENDRA MODI (66) reist mit viel Selbstbewusstsein an. Der 1,3-Milliarden-Einwohner-Staat wird China bald als bevölkerungsreichste Nation ablösen. Wirtschaftswachstum: 7,1 Prozent - mehr hat bei den G20 keiner. Aber: Die Reformen gehen nicht voran wie erhofft. Der „Economist“ veralberte Indien als zahnlosen Tiger.

INDONESIEN: Präsident JOKO WIDODO (56) gehört zu den unbekannteren Gesichtern. Aber „Jokowi“ - so sein Spitzname - vertritt ein Land, das immer wichtiger wird: 255 Millionen Einwohner, bevölkerungsreichster muslimischer Staat, eine der größten Demokratien. Wirtschaftswachstum: 5 Prozent. Sorge bereitet, dass der radikale Islam an Boden gewinnt. (dpa)