Zwei Monate bedingt für vermeintliche Amokfahrt von Wien-Favoriten
Wien (APA) - Nichts ist vom ursprünglichen Vorwurf gegen den vermeintlichen Amokfahrer von Wien-Favoriten übrig geblieben. Die Geschworenen ...
Wien (APA) - Nichts ist vom ursprünglichen Vorwurf gegen den vermeintlichen Amokfahrer von Wien-Favoriten übrig geblieben. Die Geschworenen verneinten am Donnerstag im Wiener Landesgericht für Strafsachen einstimmig die auf versuchten Mord lautende Anklage. Es reichte nicht einmal für eine Verurteilung wegen versuchter Körperverletzung - die entsprechenden Fragen wurden von den Laienrichtern ebenso verneint.
Der 21-jährige Installateur wurde am Ende wegen Gefährdung der körperlichen Sicherheit (Paragraf 89 StGB) verurteilt. Bei einem Strafrahmen von bis zu drei Monaten verhängte das Schwurgericht (Vorsitz: Martina Krainz) zwei Monate bedingt. Darüber hinaus wurde Bewährungshilfe angeordnet. Außerdem wurde der junge Mann per Weisung verpflichtet, Alkohol und sonstige Drogen zu meiden, sich in Psychotherapie zu begeben und an einem Anti-Aggressions-Training teilzunehmen.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Während der 21-Jährige, der unmittelbar nach der Urteilsverkündung einige Zuhörer mit dem Statement „Ich bin damit nicht einverstanden!“ irritiert hatte, nach Rücksprache mit Verteidiger Wolfgang Blaschitz doch noch auf Rechtsmittel verzichtete, gab die Anklagebehörde vorerst keine Erklärung ab. Dessen ungeachtet konnte der 21-Jährige nach über neunmonatiger U-Haft rund 20 Minuten nach Schluss der Verhandlung die Justizanstalt Josefstadt verlassen. Nachdem er nur wegen eines bezirksgerichtlichen Vergehens verurteilt wurde, darf er sich jetzt berechtigte Hoffnungen auf eine Haftentschädigung machen.
Dem Mann war ursprünglich angelastet worden, am 29. September 2016 mit dem Pkw seines Vaters im Kreuzungsbereich Laxenburger Straße - Quellenstraße mit Tötungsabsicht auf eine dreiköpfige Personengruppe losgefahren zu sein, die gerade die Fahrbahn überquerte. Dass diese Anschuldigung nach einem umfangreichen Beweisverfahren nicht mehr aufrecht zu erhalten war, hatte Staatsanwalt Florian Pöschl in seinem Schlussvortrag zugestanden. „Es besteht kein Zweifel, dass er mit überhöhter Geschwindigkeit auf den Zebrastreifen zugefahren ist. Aber ich glaube, dass kein versuchter Mord vorliegt“, räumte Pöschl ein. Die Beweisergebnisse würden sich jetzt anders darstellen als beim Abschluss des Ermittlungsverfahrens: „Ich glaube nicht, dass der Angeklagte töten wollte.“
Verteidiger Blaschitz, der von Beginn an den Tötungsvorsatz bestritten hatte, zollte dem Ankläger Respekt für dessen Rückzieher. Dieses Vorgehen sei dem Staatsanwalt „hoch anzurechnen“. Bereits am ersten Verhandlungstag Mitte Mai hatte es erhebliche Zweifel am inkriminierten Tötungsvorsatz gegeben. Das Gericht lehnte damals allerdings die vom Verteidiger beantragte Enthaftung des Angeklagten noch mit der Begründung ab, am dringenden Tatverdacht habe sich „nichts Wesentliches geändert“.
Fest steht, dass der 21-Jährige auf drei Personen zugerast war, wobei der Tacho mehr als 70 Stundenkilometer anzeigte. Ursprünglich hatte es geheißen, ein 53-jähriger Mann habe sich in allerletzter Sekunde nur mit einem Hechtsprung auf eine Verkehrsinsel vor dem Zusammenstoß retten können. Der 53-Jährige revidierte jedoch seine polizeilichen Angaben schon am ersten Verhandlungstag, indem er zunächst einräumte, möglicherweise bei Rot die Kreuzung überquert zu haben. Als das Auto seitlich von hinten näher kam, sei er praktisch schon auf der Verkehrsinsel gewesen: „50 Zentimeter haben gefehlt.“ Um sich in Sicherheit zu bringen, hätte es eines „schnellen Sprungs“ bedurft: „Das war alles.“ Und weiter: „Er (der Angeklagte, Anm.) wollte mich sicher nicht töten.“
Ein zweiter Mann und eine Frau, die den 53-Jährigen damals begleiteten, bestätigten das heute im Zeugenstand mehr oder weniger deutlich. „Es war relativ knapp“, sagte der Mann. Der 53-Jährige habe „einen Hopser“ machen müssen, um dem Auto auszuweichen. Für den Zeugen handelte es sich bei der zur Anklage gebrachten Tat um einen „dummen Jugendstreich, einen gefährlichen“, wie er mit Blick auf den Angeklagten betonte.
Die Frau war demgegenüber sogar überzeugt, dass überhaupt keine Gefährdungssituation gegeben war: „Er (ihr Bekannter, Anm.) war zu weit weg, dass er ihn erwischen hätte können.“ Laut einem verkehrstechnischen Gutachten wäre dem Fahrzeuglenker „ein Auslenken und Vorbeifahren möglich gewesen“, selbst wenn der 53-Jährige nicht zur Seite gesprungen wäre, wie im Anschluss der beigezogene Sachverständige erklärte.
Der Fall hatte im vergangenen Herbst für Aufsehen gesorgt, weil ursprünglich der Verdacht einer terroristischen Straftat im Raum stand. Der junge Mann mit türkischen Wurzeln hätte durchs geöffnete Fenster „Allahu Akbar“ (Gott ist groß) gerufen und ein markantes Gebetstuch getragen, hieß es. Außerdem wurde im Fahrzeuginneren ein Koran gefunden - der, wie sich später herausstellte, dem Vater des 21-Jährigen gehörte, der zwar regelmäßig die Moschee besucht, aber in keiner Weise einer radikalislamistischen Glaubensrichtung angehört. Zu den „Allahu Akbar“-Rufen wiederum hatte der Angeklagte erklärt, er habe im Autoradio orientalische Rap-Musik gehört und lautstark mitgesungen.