Auftakt zum Spiel auf der grünen Wiese
Unkonventionell und schillernd in der politischen Grundierung der Eröffnungsredner begannen die Tiroler Festspiele Erl.
Erl –„18 Uhr“ war das Stichwort der Herren am Rednerpult, einander mit Dank, Bestätigung und Gratulation zugeworfen: Vor dem Eröffnungsabend der Tiroler Festspiele Erl am Donnerstag haben, wie berichtet, die Vertreter von Bund, Land Tirol, Festspielverein, Strabag und Haselsteiner Privatstiftung die Stiftungsurkunde der Festspiele unterzeichnet. Erste musikalische Gratulanten waren aus Rom der zwiespältige Coriolanus und der milde Kaiser Titus. Die Ouvertüren von Beethoven und Mozart dirigierten Andreas Leisner und Patrick Hahn.
Hans Peter Haselsteiner betonte die öffentlich erklärte Bereitschaft, die nunmehr „unverzichtbar im österreichischen Festspielgeschehen verankerten Tiroler Festspiele Erl“ zu unterstützen und für die Zukunft abzusichern. Er mahnte generell die Verpflichtung zu karitativer und kultureller Unterstützung ein. Es sei die Pflicht vermögender Menschen, etwas zurückzugeben, und von den anderen seien gerade kleine Beträge am höchsten zu schätzen.
Landeshauptmann Günther Platter verwies auf den symbolischen Charakter der kleinen Tiroler Gemeinde Erl, die schon sehr lange Tradition und Moderne auf höchstem Niveau verbinde. Bundesminister Thomas Drozda erlebt Erl nicht zum ersten Mal als „Höhepunkt im österreichischen Kultursommer“, sprach von Qualität und Publikumszuspruch, die die bisherigen 20 Festspieljahre ermöglichten und wandte sich nach einem Streifzug durch internationale Problemfelder – Arbeitslosigkeit, Flüchtlingsproblematik, Terrorismus, Brexit, Globalisierung, Digitalisierung – der Wichtigkeit von Kunstbegegnung und Künstlerbeitrag zu Öffnung und Diskurs zu. Sein Aufruf galt der Gestaltung des Gemeinwohls.
Das schuf Raum für die Uraufführung des Abends, „Lux aeterna“ des Südkoreaners Beomseok Yi, der seit einem Jahr in Erl arbeitet, von Richard Wagner Kenntnis hat und auch die Kraft und Farbe eines großen Orchesters und der Erler Chorakademie (die eingangs dem Festspiel ein Geburtstagsständchen brachte) zu nutzen weiß. Auf sanften Schwingen trug Bar Avni Mendelssohns Bitte „Verleih uns Frieden gnädiglich“. Zuvor aber sprach Bundespräsident Alexander Van der Bellen ebenso geistreich wie humorvoll von Idealisten, Realisten und Begeisterungsfähigkeit, die es braucht, um ein Festival zu etablieren, von diesem einzigartigen auf der grünen Wiese und Adlern überm Abgrund. Er wünschte, dass Innovation und Risikobereitschaft Tirol noch lange auszeichne – „das war nicht immer so“ –, und eröffnete die Tiroler Festspiele Erl 2017.
Das erste offizielle Großprojekt von Gustav Kuhn und seinem Festspielorchester galt der einstündigen Symphonie Nr. 1 in E-Dur von Hans Rott, der 1884 erst 26-jährig starb und mit der Symphonie einen unfassbaren Talentebeweis hinterlassen hat. Kuhn, auswendig dirigierend, führte alle im Saal höchst eindrucksvoll durch die Gedanken- und Klangwelt des jungen Mannes, an dessen Reichtum sich Gustav Mahler – die Partitur unter Verschluss haltend – ungeniert bediente. (u.st.)