G-20 - Internationale Pressestimmen zu Gipfel in Hamburg
Hamburg (APA/dpa/AFP) - Internationale Zeitungen schreiben am Freitag zum G-20-Gipfel in Hamburg:...
Hamburg (APA/dpa/AFP) - Internationale Zeitungen schreiben am Freitag zum G-20-Gipfel in Hamburg:
„Corriere della Sera“ (Mailand):
„Was wird wichtiger sein, das eigentliche Treffen der Spitzen der G-20 oder das Karussell bilateraler Gespräche, das in diesen Stunden um die Luxushotels in Hamburg kreist? Oder gewinnen bei dem Gipfel die Demonstrationen und die Zusammenstöße Oberhand, die die Stadt seit zwei Tagen auf den Kopf stellen? (...) Für heute und morgen erwartet die Polizei neue Straßenkämpfe. Sollten diese Spannungen Oberhand gewinnen und damit den G-20-Gipfel überschatten, wäre das für Angela Merkel ein ernsthaftes Problem: Mit diesem Gipfel hat sie viel aufs Spiel gesetzt und, sollte sich zeigen, dass Deutschland nicht in der Lage ist, Ruhe zu garantieren, sie wäre die erste, die den Preis dafür bezahlen muss. Mitten im Wahlkampf für die (Bundestags-)Wahl im September.“
„Lidove noviny“ (Prag):
„Donald Trump wird von vielen als Zerstörer der westlichen Werte angesehen - von Werten wie Offenheit, Solidarität und Hilfsbereitschaft. Wer aber seine Rede in Warschau gehört hat, dem konnte nicht entgehen, dass auch Trump sich auf Werte stützt. Ihm geht es um Freiheit, den amerikanischen Traum, den eigenen Überlebenswillen und die Bereitschaft, die eigenen Werte zu verteidigen. Gehört das etwa nicht zur gedanklichen Linie des Westens?“
„Politiken“ (Kopenhagen):
„Die Idee der G-20-Treffen basiert auf dem Gegenteil von (US-Präsident Donald) Trumps schamloser Vermarktung von ‚America First‘, seiner Tendenz zum Protektionismus, seiner Verachtung gegenüber den internationalen Handelsabkommen und seinem Widerwillen gegen die gemeinsame Verhinderung des von Menschen verursachten Klimawandels. (...) Die G-20-Spitze sollte Trump heute und morgen zeigen, dass internationales Vertrauen und Glaubwürdigkeit auf der Bereitschaft beruhen, an andere zu denken und nicht an sich selbst zuerst.“
„The Times“ am Freitag:
„Angela Merkel möchte, wie alle in der EU, an den Verpflichtungen des Pariser Klimagipfels zur Reduzierung des Ausstoßes von Kohlendioxid festhalten. Ihr Eintreten für diese Ziele bringt ihr Unterstützung in einem Wahlkampf mit anti-amerikanischen Untertönen. Die Demonstranten in Hamburg ziehen über Donald Trump her, nicht über sie. Für viele ist sie die aktuelle Führerin der freien Welt. (...) Merkels Aufgabe ist klar: Sie muss dafür sorgen, dass aus den G-20 nicht die G-19 plus eins werden - mit der einzigen Supermacht der Welt in der Ecke für Dummköpfe. Als Präsident ist Donald Trump weit stärker im Ausland engagiert, als seine Wahlkampf-Rhetorik dies erwarten ließ. Bei seinem Kreuzzug gegen terroristische Gruppen geht es nicht allein um die Sicherheit Amerikas, sondern auch um die seiner Verbündeten. Das sollte von seinen Amtskollegen honoriert und vom gemeinen Volk zumindest eingeräumt werden.“
„De Tijd“ (Brüssel):
„Mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, seinem türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan und dem saudi-arabischen Finanzminister sitzen Vertreter autokratischer Regimes am Tisch. Die britische Premierministerin Theresa May hält die Erinnerung an den Brexit wach. Und US-Präsident Donald Trump wird sich nicht plötzlich doch noch für das Pariser Klimaabkommen einsetzen. Das sagt soviel über G-20-Treffen wie über den Zustand der Welt an sich.
Die G-20-Staaten waren nie eine Weltregierung, wenngleich sie 2008 wichtige kollektive Maßnahmen gegen die Finanzkrise vereinbarten. Im besten Fall ist die G-20 ein Forum, in dem wichtige Länder einen Konsens über die Richtung finden, in die die Welt gehen sollte. Mit dieser Botschaft kehrt jeder beteiligte Politiker zu seiner Regierung und seinem Parlament zurück, um die vereinbarte Richtung zu verteidigen. Mehr ist nicht drin. Aber selbst das gelingt in diesen Zeiten nicht immer. Dass beim G-20-Gipfel nicht einmal jeder dazu bewegt werden kann, wenigstens ein Lippenbekenntnis zum internationalen Handel und zum Kampf gegen die Klimaerwärmung abzugeben, macht das Ausmaß der bestehenden Spannungen deutlich.“
„Neue Zürcher Zeitung“:
„Haben die Damen und Herren Protestierenden nicht bemerkt, dass 1989 die Mauer gefallen und der Sozialismus an seinen eigenen Widersprüchen gescheitert ist? Wäre es ihnen vielleicht unter dem Diktat der Kommunistischen Partei Chinas wohler? Willkommen in der ideologischen Steinzeit. Dabei gäbe es zehn Jahre nach den ersten Anzeichen der Finanzkrise durchaus viel zu kritisieren am heute real existierenden kapitalistischen System. Dieses hebelt die Marktkräfte allzu oft aus. Mächtige Interessengruppen werden zum Schaden der Normalbürger und der Steuerzahler staatlich protegiert und begünstigt. Die Lehren aus der Krise werden von der Politik weitgehend ignoriert. Doch das scheint die in Hamburg sich selbst feiernden ewiggestrigen Protestierenden nicht zu interessieren. Lieber hat man seinen Spaß mit Krawall und Fundamentalopposition.“
„Frankfurter Rundschau“:
„Um was muss es gehen, wenn der Club der potentesten Ökonomien es wirklich ernst meint mit Afrika? Schlicht um grundlegende Menschenrechte und ein Leben in Würde. Alle Masterpläne - heißen sie nun ‚Compact with Afrika‘ oder ‚Marshall-Plan mit Afrika‘ - müssten das zum Ausgangspunkt nehmen und ihre Strategien und Instrumente danach ausrichten. Diesem Anspruch aber werden die von der deutschen G-20-Präsidentschaft initiierten Investitionspartnerschaften mit afrikanischen Ländern nicht gerecht. Sie folgen noch immer dem neoliberalen Credo, dass Investitionen automatisch Wachstum und Arbeitsplätze, mithin Entwicklung und Wohlstand schaffen. Viel zu oft aber geht diese Gleichung nicht auf. Für Mega-Projekte wie Kraftwerke, Staudämme, Plantagen oder Bergbau, die Anlegern Rendite bringen, zahlt die lokale Bevölkerung meist einen hohen Preis.“
„Stuttgarter Zeitung“:
„Das realpolitische Machbare dominiert in Hamburg. Das ist durchaus wertvoll und sollte nicht verunglimpft werden. Die Vorstellung, es gäbe nicht einmal mehr den Versuch, zwischen den so unterschiedlichen Vorstellungen zu vermitteln, erscheint als Graus. Und doch behandelt die G-20-Runde eben nicht alles in der Realität Notwendige, um die großen Gerechtigkeits- und Zukunftsfragen zu lösen. In diesem Punkt lässt sich den Gipfelkritikern schlecht widersprechen - ganz abgesehen davon, dass G-20 die Vereinten Nationen als globales Zukunftsorgan schwächt und weit über 150 Länder außen vor lässt.“