Mindestsicherung - Rechnungshof heizt Debatte um Einheit wieder an

Wien (APA) - Die Mindestsicherung sorgt einmal mehr für rege Diskussionen - nachdem der Rechnungshof am Freitag eine österreichweit einheitl...

Wien (APA) - Die Mindestsicherung sorgt einmal mehr für rege Diskussionen - nachdem der Rechnungshof am Freitag eine österreichweit einheitliche Regelung urgiert hat. Das Sozialministerium, so heißt es in einem aktuellen Bericht, solle diesbezüglich aktiv werden. Anlass für den Vorstoß war eine Prüfung des Vollzugs in Wien. Sie ergab grobe Mängel, etwa in der Kontrolle.

Für den Rechnungshof ist klar, dass der Bund längst aktiv hätte werden sollen - um harmonisierte Vorgaben im Bereich der Mindestsicherung (die in die Zuständigkeit der Länder fällt, Anm.) zu erstellen. Wobei das Kontrollorgan noch weitergeht. Denn auch Empfehlungen, was in dem Gesetz geregelt sein soll, werden ausgeführt: So solle der Bund auf ein Verschlechterungsverbot verzichten und einheitliche Ansprüche für den Lebensunterhalt festlegen. Auch die Erstattung von Wohnkosten sollten strenger gehandhabt und Sanktionen wirksamer werden.

In Wien wurde der Zeitraum bis 2015 geprüft, also die Zeit vor der kürzlich präsentierten Mindestsicherungsreform. Bemängelt wurde, dass quantifizierbare Ziele und messbare Indikatoren zur Zielerreichung fehlten. Kritik übt der RH weiters daran, dass die Leistungsüberprüfungen mitunter gar nicht, unvollständig oder verspätet durchgeführt wurden. Die Anzahl der Mindestsicherungsbezieher in Wien stieg im Zeitraum 2010 bis 2015 jedenfalls um 71 Prozent auf 138.592 Personen.

Etwas mehr als die Hälfte (54 Prozent) der Bezieher waren aus Österreich, auf Staaten außerhalb der EU entfiel rund ein Drittel (30 Prozent) - wobei deren Zahl stark anstieg. Auch jene der Asylberechtigten verdreifachte sich. Die Entwicklung dürfte sich übrigens fortsetzen. Laut „Standard“ waren im vergangenen Mai erstmals mehr ausländische als österreichische Bezieher registriert.

Die Bandbreite des monatlichen Mindestsicherungsanspruchs in Wien reichte von Beträgen unter 100 Euro bis zu rund 2.000 Euro bei einem nicht erwerbstätigen Paar mit fünf minderjährigen Kindern. Die - laut Stadt mittlerweile revidierten - ursprünglichen Schätzungen, wonach 2022 Ausgaben von bis zu 1,8 Mrd. Euro drohen, zeigt laut Rechnungshof zudem die Problematik der Finanzierbarkeit auf.

Dass es schwierig sein wird, in Sachen erneuter Vereinheitlichung eine einheitliche Linie zu finden, wurde rasch klar: Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) hält das Ansinnen für „eher unrealistisch“. Die Haltung der ÖVP-geführten Länder Ober- und Niederösterreich mache eine Wiederaufnahme der Verhandlungen über eine 15a-Vereinbarung schwierig. Bloße Leitlinien würden nichts bringen, befand er.

Der Sozialsprecher der Volkspartei, ÖAAB-Chef August Wöginger, begrüßte die Empfehlung des Rechnungshofs. Allerdings brachte er erneut eine bundesweite Deckelung der Mindestsicherung ins Spiel - die von der rot-grünen Stadtregierung auch nach der jüngsten Reform abgelehnt wird. Kürzungen sind dort nicht vorgesehen, allerdings wurden die Kriterien für den Bezug verschärft.

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Auch die Vorschläge aus den Bundesländern divergieren. Immerhin zeichnet sich ab, dass ein erneuter Versuch einer gemeinsamen Regelung nach der Wahl begrüßt wird. „Ich appelliere an alle Parteien dieses Thema in die nächsten Koalitionsverhandlungen aufzunehmen“, erklärte etwa der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP). Die einheitliche Lösung sei auch nötig, „um Mindestsicherungstourismus zu verhindern“.

Oberösterreich und Niederösterreich sprachen sich für Deckelungen aus, auch das Burgenland - wo man sich im Frühjahr ebenfalls auf Einschränkungen einigte - warb mit seinem Modell. Vorarlberg und Salzburg sind ebenfalls für ein einheitliches Vorgehen, auch wenn beklagt wird, dass die Bundesländer sich aufgrund der jeweils eigenen Regelungen inzwischen weit auseinander bewegt haben. Die Steiermark brachte ihr System ins Spiel, das verstärkt Sachleistungen beinhaltet. Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) plädierte ebenfalls für eine Harmonisierung. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass sich mittelfristig eine Binnenwanderung in das Bundesland mit der höchsten Mindestsicherung in Bewegung setze, warnte auch er.

Die Wirtschaftskammer unterstützte ebenfalls die Empfehlung des Rechnungshofs. Eine österreichweite Regelung für die Mindestsicherung würde nicht nur endlich mehr Transparenz bringen, sondern auch für mehr Effizienz beim Vollzug sorgen, ist man dort überzeugt. Die Grüne Sozialsprecherin Judith Schwentner forderte wiederum den Beschluss eines Grundsatzgesetzes zur Mindestsicherung durch den Nationalrat.

In Wien sprachen sich die NEOS erneut für eine Wartefrist für asylberechtigte Bezieher aus, die aus anderen Bundesländern nach Wien kommen. FPÖ und ÖVP übten hingegen harsche Kritik an den Missständen etwa in Sachen Kontrolle. Die hatten schon nach publik werden des Rohberichtes für Aufsehen gesorgt. Die Stadt gelobte daraufhin Besserung und setzte sogar eine eigene „Task Force“ ein.

Am Freitag wurde zudem bekannt, dass die Regelung in Niederösterreich verfassungskonform ist. Subsidiär Schutzberechtigte haben in Niederösterreich seit 5. April 2016 im Gegensatz zu Asylberechtigten nicht mehr Anspruch auf Leistungen aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung, sondern nur noch auf sogenannte Kernleistungen nach dem Grundversorgungsgesetz.