Bachmann-Preis 2 - Ein nervöser Raumpfleger und eine Steppen-Kapelle
Klagenfurt/Wien (APA) - Nach zehn von 14 Autorinnen und Autoren hat sich in Klagenfurt das Feld beim Wettlesen um den Ingeborg-Bachmann-Prei...
Klagenfurt/Wien (APA) - Nach zehn von 14 Autorinnen und Autoren hat sich in Klagenfurt das Feld beim Wettlesen um den Ingeborg-Bachmann-Preis ein wenig geordnet: Große Chancen bei der sonntägigen Preisverleihung dürfen sich John Wray und Ferdinand Schmalz ausrechnen, auch Karin Peschka, Verena Dürr und Jackie Thomae sind nach dem zweiten Lesetag der 41. Tage der deutschsprachigen Literatur noch nicht ganz aus dem Rennen.
Jackie Thomae eröffnete die Nachmittags-Session am Freitag. Ein Raumpfleger stand im Zentrum des Textes der in Berlin lebenden deutschen Autorin (Jahrgang 1972), die auf Einladung von Hubert Winkels las. „Cleanster“ schildert einen jungen Mann mit Migrationshintergrund bei seinem siebenten Putz-Auftrag. Doch in drei Stunden eine Drei-Zimmer-Wohnung zu reinigen, kann sich manchmal als erstaunlich problematisch erweisen - etwa, wenn die Vase umfällt und die Waschmaschine piept. Der Putzmann flüchtet in einer Panik-Attacke, der Auftrags-Abbruch gibt der Wohnungsbesitzerin Rätsel auf.
Einiges Lob, aber wenig Begeisterung gab es dafür von der Jury. Sandra Kegel sah ein Kammerspiel, das den „Clash of Civilizations“ zeige. „Die Frage des Putzens führt ins Zentrum der Widersprüche unserer Gesellschaft“, lobte Meike Feßmann, die den Text „gut erzählt, aber etwas zu glatt für das Thema“ fand. Gespalten zeigten sich auch Stefan Gmünder und Hildegard Keller, die „gern mehr von den Figuren gewusst“ hätte. Michael Wiederstein ortete „zwischenzeitlich fast Hörspiel-Qualitäten“. „Sie kann Dialoge“, lobte Hubert Winkels, eine „gewisse Leichtigkeit“ fand Klaus Kastberger.
„In der Steppe“ spielt der Text des 1960 in Bremen geborenen und in Berlin lebenden Autors Jörg-Uwe Albig, der auf Einladung von Meike Feßmann las. In der „offenen, semiariden Graslandschaft gemäßigter Zonen“ trifft Gregor auf „das Ding“, eine offenbar als Kapelle dienende Hütte mit der Aufschrift „St. Maria Magdalena“, die er in der Folge regelmäßig besucht und zärtlich „Madeleine“ nennt - eine seltsame, abwegige Liebesgeschichte beginnt.
Irritiert zeigte sich die Mehrheit der Juroren. „Der Text ist überfrachtet“, meinte Sandra Kegel und kritisierte „eine Pseudo-Poetisierung, die mich immer wieder rausgeworfen hat“. „Ganz, ganz dick aufgetragen“, befand Klaus Kastberger: „Alles, was an schrägem Pathos möglich ist, wird aufgeboten.“ - „Too much von allem“ fand auch Hubert Winkels. „Respektabel“, fand das Hildegard Keller, die jedoch einräumte: „Warum er genau dem Liebesobjekt verfällt, ist mir nicht ganz klar.“ Positiver äußerten sich Stefan Gmünder und Michael Wiederstein. „Es ist die erste Liebesgeschichte des Wettbewerbs, gleichzeitig eine Leidensgeschichte“, urteilte Meike Feßmann, der Text enthalte „viele starke Bilder und tolle Szenerien“. Zwischen ihr und Kastberger entspannt sich am Ende des zweiten Lesetages auch die erste heftige Diskussion innerhalb der Jury: Kastberger ertrage keine pathetischen, nur noch ironische Texte, die Jury könne keine klassische Liebesgeschichte mehr erkennen.
Den morgigen letzten Lesetag bestreiten der Deutsche Eckhart Nickel, die Schweizerin Gianna Molinari, die Südtirolerin Maxi Obexer sowie der Schweizer Urs Mannhart.
(S E R V I C E - http://bachmannpreis.orf.at/)