Krawalle überschatteten G20-Auftakt, EU droht Trump mit Sanktionen
Während auf den Straßen Hamburgs Straßenschlachten tobten, kam es wie erwartet auch politisch zu einigen Konflikten.
Hamburg – Der erste G20-Gipfel in Deutschland wird von Gewalt und Chaos auf Hamburgs Straßen überschattet. Die Anfahrt der Staats- und Regierungschefs zur ersten Arbeitssitzung wurde am Freitag durch Straßenblockaden behindert, das Partnerprogramm musste wegen der angespannten Sicherheitslage umgeworfen werden.
Auch politisch war der Gipfelauftakt von Konflikten geprägt: Die Europäische Union wehrte sich mit dem Androhen von Sanktionen gegen die Abschottungspolitik von US-Präsident Donald Trump. Beim Klimaschutz blieben die USA isoliert.
Stundenlange Straßenschlachten
Die größte Aufmerksamkeit bekam aber das erste Treffen Trumps mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Zu Beginn des mehr als zweistündigen Gesprächs äußerten beide die Hoffnung auf positive Impulse für die angespannten Beziehungen. Zuvor hatte Trump noch mit Schritten gegen „destabilisierendes Verhalten“ Russlands in Syrien und der Ukraine gedroht. Das bilaterale Verhältnis gilt als so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht mehr - unter anderem wegen der mutmaßlichen russischen Einmischung in die US-Wahl.
Tausende G20-Gegner haben am Freitag versucht, zur abgesperrten Elbphilharmonie in Hamburg vorzudringen, wo sich am Abend die G-20-Gipfelteilnehmer zu einem Konzert treffen wollten. In der Umgebung der Landungsbrücken etwa 1,7 Kilometer Fußweg von der Elbphilharmonie entfernt kam es zu Straßenschlachten. Die Polizei sprach von etwa 6.000 Demonstranten.
Die Polizei setzte wieder Wasserwerfer ein, um die Ausschreitungen an den Landesbrücken unter Kontrolle zu bringen. Flaschen und Steine flogen aus Demonstrantengruppen auf Beamte. Die Polizei meldete auch „massiven Bewurf mit Gegenständen“ in der Umgebung. Auf dem Wasser fuhren Greenpeace-Aktivisten mit Schnellbooten auf die Elbphilharmonie zu. Etwa 15 Boote näherten sich der Sperre auf der Elbe mit hoher Geschwindigkeit. Mehrere Aktivisten sprangen rund 200 Meter vor der Elbphilharmonie ins Wasser. Dort wurden sie von der Wasserpolizei aus der Elbe geholt.
Auf der Flucht vor der Polizei hatten sich am frühen Freitagmorgen elf Anti-G20-Demonstranten schwer verletzt. Wie die Feuerwehr mitteilte, stürzten sie bei dem Versuch, mit einer größeren Gruppe in Hamburg-Bahrenfeld über eine Mauer mit Absperrgitter zu klettern, aus etwa vier Metern Höhe ab, weil das Absperrgitter unter der Last zusammenbrach.
Nach den langen Staus am Vortag in einigen Stadtteilen forderte die Polizei die Autofahrer am Freitag auf, ihre Wagen stehen zu lassen. „Aufgrund der derzeitigen Krawalle empfehlen wir, nicht mit dem Fahrzeug in die Innenstadt zu fahren.“ Aber auch im S- und U-Bahn-Verkehr kam es zu Störungen.
Von den Krawallen waren die Staats- und Regierungschefs auf dem Messegelände in der Innenstadt abgeschottet. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel verurteilte die Gewalt scharf: „Gewalttätige Demonstrationen bringen Menschenleben in Gefahr“, sagte sie. Ähnlich äußerte sich Deutschlands Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier: „Brutale Gewalt hat auf unseren Straßen nichts verloren. Sie hat keine Rechtfertigung und kann nicht mit Verständnis rechnen“, sagte er der Bild-Zeitung (Samstag-Ausgabe).
21-Punkte-Erklärung zur Terrorbekämpfung
Erstes handfestes Gipfelergebnis war eine Erklärung zur Terrorbekämpfung. Darin sprechen sich die Staats- und Regierungschefs vor allem für ein schärferes Vorgehen gegen Terrorfinanzierung aus. In der 21-Punkte-Erklärung wird die Geschlossenheit im Kampf gegen den Terrorismus betont. Ansonsten dominierten die Differenzen.
Die EU drohte Trump umgehende Sanktionen an, sollte dieser zulasten europäischer Unternehmen den US-Stahlmarkt abschotten. „Wir sind in gehobener Kampfesstimmung“, sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Protektionismus sei „absolut der falsche Weg“. Trump hatte im April eine Untersuchung in Auftrag gegeben, die klären soll, ob Stahlimporte die nationale Sicherheit in den USA beinträchtigen. Sie könnte eine Beschränkung der Einfuhren zur Folge haben.
Merkel sprach von schwierigen Diskussionen über den Freihandel: „Da will ich gar nicht drumrum reden.“ Weiterhin unklar blieb, wie die G-20 mit dem Ausstieg der USA aus dem Pariser UNO-Klimaabkommen umgehen werden. In einem der Deutschen Presse-Agentur (dpa) vorliegenden Entwurf für die Abschlusserklärung ist ein Dissens zwischen den USA und den anderen 19 Mitgliedern festgeschrieben. Es war aber unklar, ob der Entwurf in dieser Form in der Spitzenrunde angenommen wird.
„Wir wissen, dass die Zeit drängt.“
Merkel betonte, man dürfe sich nicht zu sehr verbiegen und müsse Differenzen auch aussprechen. Bei den Verhandlungen sei man zwar vorangekommen, die Unterhändler hätten aber noch Arbeit vor sich. „Sie müssen noch einmal eine Nacht durcharbeiten, das gehört aber dazu“, sagte sie. Die deutsche Regierungschefin appellierte an die Kompromissbereitschaft der Gipfelteilnehmer. „Wir wissen, dass die Zeit drängt.“
Eines der wichtigsten Themen für Merkel ist Hilfe für Afrika. Dabei geht es auch um Kleinkredite für Frauen in Entwicklungsländern. „Wie viel Geld da konkret drin ist, werden wir morgen früh erfahren“, sagte Merkel. Juncker mahnte angesichts der Flüchtlingskrise in Europa zu verbindlichen Beschlüssen und deutlichen Akzenten zur Unterstützung des Nachbarkontinents. „Es wurden der Gedichte über Afrika jetzt genug geschrieben. Es muss jetzt gehandelt werden“, sagte er. „Da tun sich auch die Europäer sehr oft schwer.“ (APA, dpa, Reuters)