Bachmann-Preis 2 - Flüchtlinge, Fehlzündungen, 24 Pferde und ein Wolf
Klagenfurt (APA) - Mit Maxi Obexer und Urs Mannhart, die am Samstagnachmittag lasen, ist das Wettlesen nun absolviert. Jetzt geht es ans Prä...
Klagenfurt (APA) - Mit Maxi Obexer und Urs Mannhart, die am Samstagnachmittag lasen, ist das Wettlesen nun absolviert. Jetzt geht es ans Prämieren. Nach 14 Lesungen geht bei den 41. Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt ein Favoriten-Trio in das Rennen um den Ingeborg-Bachmann-Preis: Sähe der morgige Zieleinlauf Ferdinand Schmalz vor John Wray und Eckhart Nickel, wäre es keine Überraschung.
Die in Berlin lebende Südtirolerin Maxi Obexer (Jahrgang 1970), die u.a. in Wien Philosophie und Theaterwissenschaften studiert hat, beschäftigt sich in ihren Theaterstücken, Hörspielen, Essays und Romanen vor allem mit den vielfältigen Aspekten von Migration und Einwanderungspolitik. Auch in ihrem Wettbewerbstext „Europas längster Sommer“ geht es um Einbürgerungsurkunden, „unbefristete Aufenthaltserlaubnis“ und „Freizügigkeitsbescheinigung“. Die Erzählerin fährt mit dem Zug von Bozen nach Berlin. Ihr deutsches Einbürgerungsverfahren wurde positiv abgeschlossen, die Urkunde liegt zum Abholen bereit. Am Bahnhof Franzensfeste steigen aber auch sechs junge Männer ein, die es zwar über den Brenner schaffen, aber in Rosenheim von der deutschen Polizei aus dem Zug geholt werden.
Obexers Text fand nur wenige Anhänger. Hubert Winkels sah zu viele Klischees und bekannte, diese „schwer ertragen“ zu können, Sandra Kegel fehlte „die literarische Finesse“, Stefan Gmünder hielt den Text für „misslungen“: „Der Mix zündet nicht, es kommt sogar zu Fehlzündungen.“ - „Es geht um viel, aber auch um zu viel“, urteilte Michael Wiederstein. Klaus Kastberger fand einiges Gute daran und den Text „eh okay“ - eine überraschende Koalition mit Meike Feßmann, die Obexer eingeladen hatte, und das „Experiment, in dem die Sprache komplett abgerüstet ist“, verteidigte. Feßmann zeigte sich erfreut, erstmals mit Kastberger einig zu sein. „Drei Jahre haben wir dazu gebraucht“, entgegnete der Grazer Germanist schmunzelnd.
Der 1975 geborene Schweizer Urs Mannhart las auf Einladung von Michael Wiederstein als letzter des 14-köpfigen Feldes seinen Text „Ein Bier im Banja“, der mit zwei Dutzend Pferden konfrontiert, mit dem Ehepaar Asamat und Assjel sowie den beiden Männern Anarbek und Norsultan, die in einer schneereichen Winternacht einen Wolf fangen möchten. In der personenreichen Geschichte, die von einem teilnehmenden Beobachter erzählt wird, gibt es auch Kalmirsa, den 47-jährigen Sohn eines Wolfsjägers, und seinen Vater Oorghan.
Im sommerlichen Klagenfurt wirkte dieser „schöne Text von Männern und Wölfen“, der „ins wilde Kirgistan“ entführt (Juror Stefan Gmünder), etwas exotisch. „Manchmal ist es mir ein bisschen zu Foto-Tapete“, meinte Sandra Kegel. Hildegard Kellerr konnte sich mit dem Verhandelten „nicht besonders identifizieren“, aber: „Mannhart kann schreiben, keine Frage.“ Klaus Kastberger hatte dagegen „größte Schwierigkeiten mit dem Text“, der Vladimir Putin sicher gefallen hätte.
Am morgigen Sonntag werden von den sieben Juroren in öffentlicher Abstimmung die Preise vergeben: der mit 25.000 Euro dotierte Bachmann-Preis, der erstmals vergebene Deutschlandfunk-Preis (12.500 Euro), der Kelag-Preis (10.000 Euro) sowie der 3sat-Preis (7.500 Euro). Das Publikum bestimmt via Internet, wer den mit 7.000 Euro dotierten BKS-Bank-Publikumspreis mit nach Hause nimmt. Im Vorjahr gewann Sharon Dodua Otoo den Ingeborg-Bachmann-Preis.
(S E R V I C E - http://bachmannpreis.orf.at/)