Geierwally-Bühne öffnet Fenster in dunkle Zeiten
Elbigenalp ist Schauplatz einer realitätsnahen Schwabenkinder-Geschichte. Bei der Premiere ernteten die 29 Darsteller minutenlang Standing Ovations.
Elbigenalp –Nach 50 Proben war es am Freitagabend so weit: Das Bühnenstück „Schwabenkinder“ von Erfolgsautorin Claudia Lang-Forcher feierte Premiere. Und was für eine Premiere – am Ende des Abends ernteten die 29 Darsteller, darunter die Hälfte Kinder, minutenlang Standing Ovations im ausverkauften Felsen-Stadion.
Rosen streute Kulturlandesrätin Beate Palfrader kurz vor Beginn der Aufführung: „Unter den Tiroler Amateurbühnen ist die Geierwally-Freilichtbühne die schönste.“
Regisseur Thomas Gasser aus Innsbruck ist es gelungen, eine ungeschminkte und damit realitätsnahe Darstellung der Schwabenkinderzeit umzusetzen. In den Handlungsstrang ist viel Lokalkolorit eingeflossen. Das macht die dramatische Zeitreise in der felsigen Bühnenkulisse authentisch. Es ist die Zeit um 1900, die Arlbergbahn ist bereits gebaut. Aber weil das Geld fehlt, müssen die Lechtaler Kinder Ende März zu Fuß ins Schwabenland stapfen, um sich dort am Markt den Bauern zu verkaufen. Sieben Monate schuften sie als billige Arbeitskräfte im Raum Ravensburg. Um vier Uhr in der Früh heißt es Stallarbeit machen, füttern, dann hinaus auf die Felder zum Vieh-Hüten. Kirche und Staat haben den bitteren Weg der Schwabenkinder lange Zeit toleriert.
Im kleinen Lechtaler Dorf warnt der Lehrer den autoritären Vater davor, seine Kinder „schon wieder“ hinaus zu schicken. Sie würden kaum lesen und schreiben können. Außerdem sei es gesetzlich verboten, dass die Kinder monatelang der Schule fernbleiben.
Der Vater ignoriert die Warnung. Einer seiner Buben muss sich niederknien, die Hände ausstrecken, der Vater schlägt mit dem Haselnussstock auf die Finger. Die Mutter der notleidenden Großfamilie wird abermals von ihrem Mann geschwängert. „Schon wieder ein Gschropp, ein Schwabenkind“, klagt die Frau unter Tränen.
Berührender Höhepunkt sind die Szenen rund um einen Brief aus dem Schwabenland. „Das Wolferl hat Orgel spielen in unserer Kirche gelernt“, heißt es darin. „Er kann bei uns bleiben, wir machen eine Adoption.“
Wolferls Mutter im Lechtal fragt nach: „Was ist das, eine Adoption. Kommt Wolferl dann nimmer nach Hause?“. Der überhebliche Pfarrer klärt auf: „Nein, der Wolferl kommt nimmer nach Hause.“ Die Mutter steckt in einem schweren Gewissenskonflikt. Soll sie ihr Kind freigeben, damit es Schulbildung und ein gutes Leben bekommt, oder soll sie Wolferl zurück in die Armut holen? Sie verzweifelt: „Das lasse ich nicht zu. Der Wolferl ist mein Kind.“
Nächste Aufführung: Freitag, 21. Juli, Beginn 20.30 Uhr, 13 weitere Termine folgen. www.geierwally.at. (hwe)