Bachmann-Preis: John Wrays Risiko hat sich gelohnt
Klagenfurt (APA) - Beinahe hatte man schon gedacht, er könne sich als zu gut für den Bachmann-Preis erweisen. Zu leichtfüßig wechsle John Wr...
Klagenfurt (APA) - Beinahe hatte man schon gedacht, er könne sich als zu gut für den Bachmann-Preis erweisen. Zu leichtfüßig wechsle John Wray in seinem Text „Madrigal“ die Genres, deren perfekte Beherrschung er zu ostentativ vorführe, lautete der einzige Vorwurf der Jury. Doch am Ende konnte der Austro-Amerikaner gleich mit seinem ersten literarischen Text auf Deutsch den neuen Deutschlandfunk-Preis gewinnen.
Seine bisherigen drei großen, auf Deutsch übersetzten Romane - „Die rechte Hand des Schlafes“, „Retter der Welt“ und „Das Geheimnis der verlorenen Zeit“ - hat der Sohn einer Kärntner Onkologin und eines US-amerikanischen Leukämieforschers auf Englisch geschrieben. Im „Schwebezustand“ zwischen zwei Sprachen und zwei Kulturen aufgewachsen und als Leser mit deutschsprachiger Literatur seit Kindheit vertraut (erstes erinnertes Buch: „Peterchens Mondfahrt“), hat er es als Autor erstmals gewagt, auf Deutsch zu schreiben. „Auf Deutsch denke ich anders, fühle mich anders, wage manches, das ich sonst nicht wagen würde. Und habe auch Angst vor Sachen, vor denen ich auf Englisch nie Angst haben würde“, sagte er im APA-Vorabinterview.
1971 in Washington D.C. als John Henderson geboren, wuchs er in Buffalo auf und begann ein Biologiestudium am Oberlin College. Sein Studium führte ihn auch an die Columbia University und an die Universität Wien. In dieser Zeit hat er auch einmal das Klagenfurter Wettlesen besucht: „Ich erinnere mich ganz genau: Es hat mich zutiefst beeindruckt, wie man die arme Leserin zerfetzt hat. Damals sagte ich mir: Kleiner, tue dir das nie im Leben an!“ Doch Wray, der in Brooklyn und im Kärntner Friesach, auf dem Hof der Familie seiner Mutter, lebt und auch einen österreichischen Pass besitzt, hat seine damaligen Bedenken beiseitegeräumt: „Man muss halt manchmal ein Risiko eingehen.“ Er hat riskiert und gewonnen - zwar nicht den Bachmann-Preis, bei dem er in der Stichwahl Ferdinand Schmalz unterlag, aber doch den zweithöchsten Preis.
Sein Klagenfurter Text spielt in Little Rock, Arkansas, und beginnt mit einem Telefonat zweier Geschwister: dem Schriftsteller Teddy und seiner „als Kaltanruferin für ein Inkassounternehmen“ arbeitenden Schwester Maddy, deren eigene Arbeit als Autorin nicht vorankommen will. Zwischendurch dialogisch, verändert der Text immer wieder Stimme und Perspektive und spiegelt auch ein Projekt Maddys für einen Roman, „den sie schreiben würde, wenn sie noch schreiben könnte“. „Beschreibung und Bericht, Traum und Albtraum, Zitat und Dialog - der Autor als Spieler“, urteilte Juror Stefan Gmünder. Wie sich unheimliche, in einem Teich gesichtete Tiere, als gewöhnliche Rothalstaucher entpuppen, wie Ornithologie und Kartographie mit dem Zustand der Welt verknüpft werden, wurde als „ein Zauberkunststück sondergleichen“ (Heike Feßmann) gelobt. „Da war ein Profi am Werk“, konstatierte Klaus Kastberger. Ein Profi, der seit heute um einen Preis und 12.500 Euro reicher ist.
Vielleicht geht Wray mit neuem Selbstbewusstsein gleich an die nächste deutschsprachige Erzählung. Um einen Roman auf Deutsch zu schreiben, brauche er derzeit jedoch vermutlich ein bis zwei Jahre länger als auf Englisch, sagt Wray. „Dazu habe ich vielleicht noch nicht genug Mut.“ Das nächste Buch, das von ihm auf Deutsch erscheint, dürfte daher eine Übersetzung sein: Sein 2005 erschienener zweiter Roman „Canaan‘s Tongue“ ist bisher bloß auf Englisch erhältlich.
Um sein vor dem amerikanischen Bürgerkrieg spielendes Buch zu bewerben, ist er - quasi auf den Spuren Mark Twains - mit einem Floß 600 Meilen auf dem Mississippi gefahren. „Es gibt wenige Dinge, die auf einem Fluss unnützer sind als ein Romanautor, aber Mr. Wray, der Berge zum Vergnügen besteigt, ist mit dem Abenteuer vertraut“, schrieb die „New York Times“. In Österreich an einem Badesee aus seinem ersten deutschen Text zu lesen und damit gleich viel Geld zu gewinnen, ist allerdings ein Abenteuer, das selbst der „NYT“ zu fantastisch klingen könnte, um für wahr gehalten zu werden.
(S E R V I C E - http://www.johnwray.net)