Irakische Regierung verkündet Befreiung Mossuls vom IS
Regierungschef Haider al-Abadi beglückwünschte „die heldenhaften Kämpfer und das irakische Volk zu dem großen Sieg“. Die zweitgrößte irakische Stadt wurde durch die monatelangen Kämpfe jedoch weitgehend zerstört, 900.000 Menschen verloren ihr zuhause.
Mossul – Nach neun Monaten heftiger Kämpfe hat die irakische Regierung die „Befreiung“ der Stadt Mossul vom IS (Daesh) verkündet. Regierungschef Haider al-Abadi beglückwünschte „die heldenhaften Kämpfer und das irakische Volk zu dem großen Sieg“, wie sein Büro am Sonntag erklärte. Der Verlust Mossuls ist ein schwerer Schlag für den IS, der auch in seiner syrischen Hochburg Raqqa an Boden verliert.
Ein Foto auf Abadis Twitter-Account zeigte Abadi in schwarzer Uniform bei seiner Ankunft im weitgehend zerstörten Mossul. Trotz des verkündeten Sieges waren dort auch am Sonntag Schüsse zu hören, während Abadis Besuchs flog die Armee weiter Luftangriffe.
Kämpfe brachten enormes Leid über Einwohner
Mossul ist die zweitgrößte Stadt im Irak. Die Jihadistenmiliz IS hatte die Metropole 2014 überrannt und vor fast genau drei Jahren von dort aus ein islamistisches „Kalifat“ in Teilen des Irak und Syriens ausgerufen. Die irakischen Truppen hatten im Oktober mit der Rückeroberung von Mossul begonnen. Der Ostteil der Stadt wurde im Jänner zurückerobert, einen Monat später begann der Militäreinsatz im Westteil der Stadt.
Die Kämpfe brachten großes Leid über die Einwohner, zahlreiche Zivilisten wurden getötet, mehr als 900.000 Menschen mussten ihre Häuser und Wohnungen verlassen. Laut den Vereinten Nationen kehrten bisher nur ein Bruchteil von ihnen zurück. Besonders im Westen der Millionenstadt wurden demnach mehrere Stadtteile völlig verwüstet. Von den 44 Wohnvierteln der Stadt seien sechs komplett und 22 teilweise zerstört. Die UNO rechnet mit mehr als 700 Millionen Dollar (614 Millionen Euro) Kosten für den Wiederaufbau.
Auch unter den Soldaten und Sicherheitskräften, die an der Rückeroberung beteiligt waren, gab es viele Tote - Schätzungen gehen von Tausenden aus, die irakischen Behörden haben bisher keine Zahlen vorgelegt.
Heftige Gefechte bis zuletzt
Bis zuletzt hatte es heftige Gefechte gegeben. Doch am Sonntag drangen irakische Elitetruppen dem staatlichen irakischen Fernsehen zufolge schließlich bis ans Ufer des Tigris vor und hissten die irakische Flagge dort, wo die Islamisten ihre letzte Bastion erbittert verteidigten. IS-Kämpfer seien schließlich in den Fluss gesprungen und hätten versuchten, so zu entkommen. Dem Militär zufolge wurden allein dabei 30 Extremisten getötet. In den engen Gassen der stark zerstörten Altstadt lagen noch die Leichen von IS-Kämpfern, als Ministerpräsident Abadi eintraf.
Unterstützt von Luftangriffen der US-geführten Anti-IS-Allianz hatte die irakische Armee im Oktober Mossul erreicht und sich dort ebenfalls mit internationaler Hilfe immer weiter vorgekämpft. So wurden die Elitetruppen, die am Sonntag den Tigris erreichten, von den USA ausgebildet. Sie erlitten nach US-Angaben schwere Verluste, bis zu 40 Prozent der Spezialkräfte wurden im Kampf um Mossul getötet.
Der US-Sonderbeauftragte für die Bekämpfung des IS, Brett McGurk, sprach wie Abadi von einem „Sieg“. Frankreich, das ebenfalls an dem Bündnis gegen den IS beteiligt ist, begrüßte den Triumph über den IS ebenfalls. Präsident Emmanuel Macron erklärte auf Twitter, Ehre gebühre allen, die zu dem Sieg beigetragen hätten.
Sorge vor Aufbrechen alter Konfliktlinien im Irak
Der IS hatte angekündigt, Mossul „bis zum Tod“ verteidigen zu wollen. In der Großen Moschee von Al-Nuri in Mossul hatte IS-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi das Kalifat ausgerufen. Ende Juni hatte die in Bedrängnis geratene Miliz das mittelalterliche Gebäude nach irakischen Angaben gesprengt. Die Regierung in Bagdad eroberte bald darauf die Ruinen und erklärte das IS-Kalifat für beendet. In ihrem Rückzugsgefecht setzten die stark dezimierten Kampfeinheiten zuletzt Selbstmordattentäterinnen ein. Sie zündeten ihre Sprengsätze auch in der Menge Tausender notleidender Zivilisten, die sich langsam wieder aus ihren Verstecken wagten. Die Vereinten Nationen schätzen, dass allein die Reparatur der wichtigsten Infrastruktur in Mossul mehr als eine Milliarde Dollar kosten wird.
Das bittere Ende der Kämpfe um Mossul, das den Islamisten faktisch als Hauptstadt diente, wirft ein Schlaglicht auf die Herausforderungen, vor denen der Irak steht. Zum einen hält der IS noch weitere Städte. Zum anderen dürften mit dem Niedergang der Islamisten alte Konfliktlinien in dem Vielvölkerstaat wieder aufbrechen. Schließlich hatte der Kampf gegen den gemeinsamen Feind IS das Land geeint, in dem Kurden und Araber ebenso um Territorialansprüche streiten wie sunnitische und schiitische Muslime um die politische Vorherrschaft. (APA/Reuters/AFP/dpa)