Bezirk Imst

Die Aufarbeitung kann beginnen

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Die Untersuchungen zum NS-Zwangsarbeitslager in Haiming sollten bis zum Frühjahr erste Ergebnisse bringen. LH Günther Platter präsentierte nun die Mitglieder der Expertenkommission um Manfred Grieger.

Innsbruck, Haiming –Die Umstände des NS-Zwangsarbeitslagers in Haiming untersuchen und diese in ihren historischen Zusammenhängen aufarbeiten: Das sind die ersten Ziele der jetzt vom Land Tirol eingesetzten Expertenkommission. Ausgangspunkt sind die im Rahmen von Grabungen aufgetauchten archäologischen Überreste eines Lagers neben dem Areal eines Kraftwerksprojektes. Die Mitglieder des auf Antrag von LH Günther Platter initiierten Gremiums wurden nun präsentiert – erste Ergebnisse sollen im Frühjahr 2018 vorgelegt werden.

Als Leiter der Kommission „Zwangsarbeit und Elektrizitätswirtschaft“ wurde bereits im März Manfred Grieger angekündigt: Der deutsche Historiker und Experte für Unternehmensgeschichte und Zwangsarbeit in der NS-Zeit dissertierte über „Das Volkswagenwerk und seine Arbeiter im Dritten Reich 1933–1948“. Mit ihm arbeiten Christoph Haidacher (Direktor des Tiroler Landesarchivs), Thomas Albrich (Professor am Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck und Autor zahlreicher Arbeiten über Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg in Tirol), Oskar Dohle (Direktor des Salzburger Landesarchivs und Verfasser zahlreicher Studien über Zwangsarbeit und Nationalsozialismus in Salzburg) sowie Mark Spoere­r (Professor für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Universität Regensburg mit Arbeitsschwerpunkt Unternehmensgeschichte und Zwangsarbeit). Auch Historiker der Universität Innsbruck sollen eingebunden werden.

Das von Grieger auf Grundlage des bisherigen Forschungsstands entwickelte Arbeitsprogramm konzentriert sich zunächst auf das Zwangsarbeitslager Haiming. Die Ergebnisse sollen als wissenschaftliche Grundlage für den in Haiming geplanten Gedenkstandort dienen. Darüber hinaus wird in einem dreijährigen Projekt die Organisation der Elektri­zitätswirtschaft in Tirol zur Zeit des Nationalsozialismus und der unter Ausbeutung von Zwangsarbeitern herbeigeführte Elektrifizierungs- und Industrialisierungsschub während des Zweiten Weltkriegs untersucht und diese Geschichte in den Kontext der langfristig angelegten Entwicklungszyklen der Elektrizitätsunternehmen zwischen 1920 und 1960 gestellt.

„Nur wer die Vergangenheit kennt und sich auch mit den sensiblen und dunkelsten Themen unserer Geschichte auseinandersetzt, lernt sie zu verstehen“, meint dazu LH Günther Platter, der den „Respekt vor den Opfern der NS-Herrschaft“ betont. Er erwarte sich „Zuwachs an differenziertem Wissen“ und „eine Versachlichung des öffentlichen Umgangs“. Die Politi­k habe Verantwortung für die Zukunft und für damals. Platte­r hob die Aufarbeitung dieses historischen Erbes durch das Land Tirol hervor: Beispielhaft zu nennen sei etwa die unter LH Wendelin Weingartner begonnene Provenienzforschung in den Tiroler Landesmuseen und die Praxis der Restitution.

„Als Landesunternehmen ist es uns ein wichtiges Anliegen, zur wissenschaftlichen Erforschung und Aufarbeitung der Rolle der Elektrizitätswirtschaft in der nationalsozialistischen Vergangenheit beizutragen“, so Tiwag-Vorstandsvorsitzender Erich Entstrasser. „Mit der Unterstützung der Studie zum ehemaligen NS-Zwangsarbeiterlager in Kirchbichl“ habe die Tiwag bereits „wichtige Vorarbeit geleistet“. (TT)

Die Haiminger Erben werden ungeduldig

Haiming — Ein zweiter Aspekt des Haiminger NS-Zwangsarbeiterlagers ist jener bezüglich der Rechte der Erben: Den Bauern seien nämlich nicht nur die Gründe zum Teil abgepresst, sondern auch ein Rückkaufsrecht für die nicht mehr (zum Kraftwerksbau) benötigten Flächen eingeräumt worden. Da mittlerweile die Tiwag als Rechtsnachfolger der „Westtiroler" einen Teil der Gründe an Speck Handl verkauft hat, sehen die rund 45 Erben diese Klausel endlich schlagend. Demnächst wollen sie in einer Zusammenkunft entscheiden, ob und bis wann sie durch ihren Anwalt Bernd Oberhofer eine Klage einreichen.

Wortführer der Erben sind Toni Raffl und Josef Perwög: „Uns geht es nicht ums Geld, sondern um unser Recht", halten die beiden fest und verweisen auf den jahrzehntelangen Kampf, einen Ansatz für die Durchsetzung ihrer Rechte zu haben.

LHStv. Josef Geisler hatte den Erben im März angeboten, die Verträge aus der NS-Zeit durch Landhausjuristen prüfen zu lassen. Ergebnis liegt dazu noch immer keines vor, dafür ein weiteres Angebot Geislers: Das Land werde die Rechtssituation vom Innsbrucker Uni-Institut für Zivilrecht untersuchen lassen, um ein etwaiges Prozessrisiko für die Erben zu minimieren.

Raffl sieht eine zusätzliche Expertise positiv. Allerdings zeigt er sich irritiert, weil man in all den Monaten von den Landhausjuristen nicht nach Unterlagen gefragt worden sei. (pascal)

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