Hochwasser im Ötztal steckt ,,noch tief in den Knochen“
Vor 30 Jahren wurde das Ötztal von einem Hochwasser heimgesucht, das 13 Menschenleben forderte. Heute ist das Tal gut verbaut, dennoch sitzt der Schock tief: Bei Gewitter beobachtet man die Ache genau.
Von Alexander Paschinger
Ötztal –Heute vor genau 30 Jahren brach über das Ötztal die Katastrophe herein: Das Hochwasser, das gemeinhin als ein 300-jährliches Ereignis klassifiziert wird, riss in der Nacht vom 24. auf den 25. August 1987 13 Menschen in den Tod, allein sieben davon stammten aus Umhausen. Am Samstag wird ihrer um 19.30 Uhr im Rahmen einer Messe in der Pfarrkirche Umhausen gedacht.
Der Tag zuvor sei noch heiß gewesen, wissen die Ötztaler. „Es kam eigentlich ganz überraschend“, erinnert sich der Sölder Bürgermeister Ernst Schöpf, damals frisch im Amt. Als der Regen einsetzte und Gletscherwasser mitnahm, da kamen die ersten Warnungen von der Windachache. Danach in den Abendstunden ging alles schnell: In Sölden fraß sich die Ache in die Uferverbauungen. „Zum Glück haben wir bald den Lawinenbalken zugemacht“, weiß Schöpf heute – denn bei Aschbach wurde die Brücke weggeschwemmt. Das große Unglück passierte bei Längenfeld: Dort stürzten 13 Menschen über die beschädigte Ferdinandsbrücke in den Tod. Die Warnung, dass die Brücke so gefährlich unterspült war, kam zu spät.
Richard Grüner, heute Bürgermeister von Längenfeld, war damals 13 Jahre alt: „Plötzlich war der Strom weg“, erinnert er sich. Zum Glück lebte seine Familie oben auf dem Burgstein. „Aber als wir die Schäden sahen – das war schon schlimm.“ Das stecke noch immer in den Knochen, so etwas vergesse man sein Lebtag nicht – das sagen sowohl Schöpf als auch Grüner.
Vorne in Habichen war der heute stellvertretende Ötztaler Tourismus-Direktor Ewald Schmid erst zwei Jahre zuvor ins neu gebaute Haus gezogen, sein Sohn war gerade wenige Wochen alt. „Es war ein Montag, um elf kam ich von unserer Saunarunde zurück, als das Wasser stieg.“ Um Mitternacht ging es Schlag auf Schlag. Schnell sei der Keller vollgelaufen – „ich habe Frau und Sohn zur Schwiegermutter in Sicherheit gebracht“. Fast habe man im Garten ein Schlauchboot gebraucht, „ich versuchte, im Keller Dinge zu retten“. Dramatisch sei sie gewesen, die Nacht im Dunkeln, ohne Strom, ohne Telefon, begleitet vom Rauschen des Regens und Tosen aus der Ache. Gegen zwei Uhr, sagt er, habe es sich beruhigt.
Zurück blieb ein fassungsloses Ötztal – zerstörte Straßen, weggerissene Brücken, schwer beschädigte Häuser und traumatisierte Familien. Das Bundesheer versorgte aus der Luft, Tausende Helfer standen im Einsatz, Sölden wurde über das Timmelsjoch angefahren. „Nach zehn Tagen war das Ötztal wieder befahrbar“, so Schöpf.
Verbaut habe man die Ache inzwischen gut, sagt Schöpf. Und dennoch: Der Schock von damals sitzt noch tief. „Die Leute werden nervös, wenn es länger regnet“, sagt Grüner. „Wir sitzen alle auf Nadeln, wenn ein Gewitter aufzieht, und wir Bürgermeister stehen dann in Kontakt“, schildert der Dorfchef von Umhausen, Jakob Wolf.