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Die zentralen Punkte des FPÖ-Wirtschaftsprogramms

FPÖ-Chef Strache ortet eine "Fairnesskrise".
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FPÖ-Chef Strache und sein Vize Hofer präsentierten am Mittwoch ihr lange angekündigtes Positionspapier. Die Ziele der Blauen: Entbürokratisierung, 12 Mrd. Euro Steuerentlastung, die Abschaffung des Kammern-Mitgliedszwanges und ein Nulldefizit. Wenig Anklang findet das Papier bei der politischen Konkurrenz.

Wien – Die FPÖ hat am Mittwoch ihr Wirtschaftsprogramm präsentiert. Auf 55 Seiten legt die Partei darin ihre Ideen vor, die in allfälligen Verhandlungen nach der Nationalratswahl einfließen sollen. Hauptpunkt ist eine im Endausbau 12 Mrd. Euro schwere Steuerreform, die durch diverse Maßnahmen gegenfinanziert werden soll. Im Folgenden ein Überblick über die wichtigsten Punkte:

Steuern: Senkung der Steuer- und Abgabenquote von 43,2 auf unter 40 Prozent, was eine Steuerentlastung von 12 Mrd. Euro bringen soll. Erfolgen soll dies über mehrere Jahre hinweg jeweils im Ausmaß einer Senkung von mehr als 0,5 Prozentpunkte der Steuerquote. Im Endausbau sollen über Senkung von Lohn- und Einkommenssteuer, Senkung der Lohnnebenkosten und der Körperschaftssteuer 9 Mrd. Euro hereingespielt werden; eine Entlastung der Familien soll 1 Mrd. Euro schwer sein, der Entfall von Bagatellsteuern (Werbeabgabe, Versicherungs- und Feuerschutzsteuer u.a.) soll 1,5 Mrd. Euro Entlastung bringen. Darüber hinaus will die FPÖ die NoVA abschaffen, was mit weiteren 500 Mio. Euro beziffert ist.

Gegenfinanzierung: Die „Gegenfinanzierung“ des Steuerkonzeptes ist laut FP-Vorstellungen 13,2 Mrd. Euro schwer. Je 1,8 Mrd. Euro sollen „Optimierungen“ im Förderungswesen und beim Föderalismus hereinbringen; Optimierungspotenziale in Höhe von 1 Mrd. Euro sieht die FPÖ im Gesundheitswesen (etwa durch „Absenkung stationärer Behandlungen auf EU-Schnitt“) und in der „allgemeinen Verwaltung“. Die Sozialausgaben (Arbeit, Soziales, Familie) sollen auf 40 Prozent der Gesamtausgaben gedrückt werden - das soll Einsparungen in Höhe von 3,8 Mrd. Euro bringen. Jeweils 400 Mio. Euro Einsparungspotenzial ortet das blaue Papier bei den Kammern und durch das Einheben von Studienbeiträgen durch Ausländer. Und je 1 Mrd. Euro soll durch die Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger, der „Redimensionierung der Föderalismus“, dem „Privilegien-Abbau“ und der Besteuerung von Konzernen („e-commerce-Abgabe“) hereinkommen.

Darüber hinaus sieht das FPÖ-Programm „wirtschaftspolitische Offensivmaßnahmen“ in Höhe von 2 Mrd. Euro vor (für Grundlagenforschung und Infrastruktur). Die „Selbstfinanzierung“ der Steuerentlastungen sollen durch daraus resultierendes Wirtschaftswachstum 3 Mrd. Euro hereinspielen.

Unternehmen: Diese sollen von der von der FPÖ geplanten „deutlichen Senkung der Arbeitszusatzkosten“ (Lohnnebenkosten) sowie der Reduktion des KöSt-Satzes für nicht entnommene Gewinne von 25 Prozent auf 12,5 Prozent profitieren. Bei Steuerfreibeträgen will die FPÖ eine „sofortige Abschaffung“ der „Kalten Progression“. Darüber hinaus soll es langfristig „echte Steuerfreiheit“ für nicht entnommene und reinvestierte Gewinne geben. Der Steuerfreibetrag bei Betriebsübergaben soll „deutlich“ erhöht werden. Geplant ist u.a. auch eine steuerliche Absetzbarkeit der Kosten für Eigenkapital und die Wiedereinführung von Investitionsfreibeträgen. Auch sollen „Sonderabschreibungen für Impulsmaßnahmen“ geschaffen werden, etwa für Forschungsinfrastruktur, Betriebskindergärten oder Tagesmütter.

Neue Gewerbeordnung: Für alle 440 „freien Gewerbe“ soll es einen einheitlichen Gewerbeschein geben. Darüber hinaus will die FPÖ eine deutliche Reduktion der reglementierten Gewerbe - und zwar auf jene Tätigkeiten, „mit denen Leib und Leben, Vermögen und Umwelt gefährdet werden können.“

Industrie: Die FPÖ bekennt sich klar zum Industriestandort Österreich. Gefordert wird unter anderem eine „verlässliche und planbare Steuerpolitik“, der „modernen Wirtschaft entsprechende flexible Arbeitszeitmodelle ohne Lohneinbußen“ sowie „Abbau und Vermeidung von Standortnachteilen“, etwa „Überregulierungen“.

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Kammern und ORF: Die FPÖ fordert die Abschaffung der „Zwangsmitgliedschaften“ bei den Kammern - und zwar durch eine Volksabstimmung. Sollte dies nicht umzusetzen sein, so soll zumindest eine mittelfristige Beitragsreduktion um 50 Prozent erfolgen. Darüber hinaus sollen die Kammern reformiert werden und sich nur mehr auf ihre „eigentlichen Aufgaben“ konzentrieren. Gänzlich abschaffen wollen die Freiheitlichen die Rundfunkgebühren.

Sozialstaat: Hier wird u.a. eine Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger auf maximal zwei Träger gefordert sowie eine „Minimierung“ des Abstandes zwischen faktischen Pensionsantrittsalter und der Lebenserwartung. Die Mindestsicherung soll reformiert werden und die österreichische Staatsbürgerschaft Voraussetzung zum Bezug werden. Auch Wehr- und Zivildiener sollen Anspruch auf Mindestsicherung haben. Asylwerber und Asylberechtigte sollen in der Grundversorgung bleiben, für Asylwerber will die FPÖ keine Arbeitserlaubnis.

Arbeitsmarkt: Hier plädiert die FPÖ für einen Vorrang zugunsten arbeitsloser Österreicher, dazu will man auch sektorale Zugangsbeschränkungen am Arbeitsmarkt. Ziel sei, die Wertschöpfung im Land zu halten. Gefordert wird auch ein „Kassasturz“ in der Arbeitslosenversicherung, „um zu dokumentieren, was Zuwanderung in diesem Bereich die österreichischen Steuerzahler kostet“.

Freihandel: Zwar bekennt sich die FPÖ zu Freihandel und freiem Wettbewerb, warnt aber auch vor den negativen Konsequenzen der Globalisierung. Handelsverträge wie TTIP oder CETA müssten einer Volksabstimmung unterzogen werden, „Schiedsgerichte“ wie in diesen Verträgen vorgesehen, seien abzulehnen.

Gesundheitspolitik: Im Gesundheitsbereich fordert die FPÖ die Verschiebung von Leistungen vom stationären in den niedergelassenen Bereich. Notwendig dazu sei eine Attraktivierung des Berufs der Allgemeinmediziner. Weiters plädiert die FPÖ auf eine Reduktion der Bürokratie im Spitalbereich, Einsparungen beim Medikamenteneinsatz (durch billigere Präparate) sowie mehr Sport-Prävention.

Schulen: Die FPÖ fordert einen „Ausbau und Hebung der Qualität der Elementarpädagogik“, „Deutsch vor Schuleintritt“ inklusive einer verpflichtenden Sprachstandserhebung vor Eintritt in die Primarstufe. Das Gymnasium müsse erhalten, das differenzierte Schulsystems beibehalten bleiben; die Gesamtschule wird dezitiert abgelehnt. Beim Lehrerdienstrecht fordert die FPÖ ein „Jahresarbeitszeitmodell“ sowie ein „neues Besoldungsrecht“ mit „leistungsbezogenen Komponenten“.

Universitäten: Für Österreicher wird der freie Hochschulzugang gefordert, mit der Matura bzw. Berufsreifeprüfung oder Studienberechtigungsprüfung als alleinige Zulassungsvoraussetzung. Für ausländliche Studierende will die FPÖ ein „Herkunftslandprinzip“: Nur wenn eine Studienberechtigung im Herkunftsland vorliegt, soll auch in Österreich ein solches möglich sein. Für Studierende aus dem EU-Raum sollen kostendeckende Ausgleichszahlungen durch die EU verhandelt werden, Drittstaatsangehörige sollen kostendeckende Studiengebühren zahlen.

Forschung: Hier wird u.a. eine „langfristige Anhebung der Forschungsfinanzierung“ gefordert; außerdem soll ein „Fonds für eine Digitalisierungsoffensive“ eingerichtet werden, der sich aus Erlösen der 5G-Lizenz speist.

Infrastruktur: Die FPÖ plädiert für die Erstellung einer „umfassenden österreichischen Infrastrukturgesamtstrategie“ mit einem Planungshorizont bis in das Jahr 2030. Im Bereich der Umweltverträglichkeitsprüfungen soll es NGOs erschwert werden, Genehmigungsverfahren in Österreich zu verzögern. Darüber hinaus will die FPÖ den „Abschluss des Ausbaus der Straßenverkehrsverbindungen in den Osten“ sowie einen „Ausbau hochrangiger Bahnverbindungen“; Nebenbahnen sollen in „aussichtslosen Fällen“ geschlossen werden.

REAKTIONEN

SPÖ-Klubchef Andreas Schieder meint, dass die von den Freiheitlichen geforderten Einsparungen von mindestens zwölf Mrd. Euro tiefe Einschnitte im Sozial- und Gesundheitssystem bedeuten würden. Gleichzeitig empfehle sich FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache erneut als Schutzpatron der Millionen-Erben.

Seitens der Arbeiterkammer betonte Präsident Rudolf Kaske, dass es ohne Pflichtmitgliedschaft in den Kammern auch keine allgemein verbindlichen Kollektivverträge gebe. Dabei würden gerade diese für Millionen Beschäftigte in Österreich faire Bezahlung und kollektivvertraglich abgesicherte Rechte bringen.

Wirtschaftskammer-Generalsekretärin Anna Maria Hochhauser meinte in einer Aussendung, dass mit einem freiwilligen System das breite Service-Angebot, das jetzt allen Mitgliedsunternehmen zur Verfügung stehe, in der jetzigen Form nicht mehr machbar wäre. Die Pflichtmitgliedschaft sei in Zeiten, wo „veraltete Klassenkampfparolen“ wieder aus der Schublade geholt würden, wichtiger denn je. Der Präsident des sozialdemokratischen Wirtschaftsverbands Christoph Matznetter wiederum findet, dass die Pflichtmitgliedschaft auch die Interessen von kleinen Selbstständigen gegenüber der Willkür der Großen schütze.

Den NEOS gefällt, dass auch die FPÖ die Pflichtmitgliedschaft abschaffen will. Jedoch kritisiert Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn die „unrealistische FPÖ-Diktion“, wonach ohne vernünftige Gegenfinanzierung alle mehr bekommen sollten. Schließlich meint er auch eine EU-feindliche Wirtschaftspolitik bei den Freiheitlichen zu erkennen.

Das positivste Zeugnis für das Programm gibt es von der Mittelstandsplattform „Für Leistung und Eigentum“. Deren Sprecher, der frühere ÖVP-Abgeordnete Günter Stummvoll, beurteilte die Vorschläge als „inhaltlich in die richtige Richtung gehend“. Einzig in der Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft sieht der langjährige Wirtschaftskammer-Funktionär mehr Nach- als Vorteile. (APA)

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