Bezirk Reutte

„Reutte braucht die Wohnbaubremse“

© Helmut Mittermayr

GR Hornstein zeigt auf, dass Hunderte weitere Wohnungen von Wohnbauträgern errichtet, dafür aber nur noch zwei Einfamilienhäuser pro Jahr gebaut werden. VBM Schimana fordert günstige Baugründe für Einheimische.

Von Helmut Mittermayr

Reutte –„Bei uns geht es nur noch nach dem Willen der Wohnbaugesellschaften. Was die Bevölkerung will, scheint egal zu sein. Auch wie verträglich das Ganze ist. Es geht nur noch um wirtschaftliche Maximierung; darum, jeden Zentimeter auszunutzen.“ Gemeinderat Ernst Hornstein, selbst ein Unternehmer, distanziert sich vom Bauboom, der in Reutte seit einigen Jahren grassiert. Der Malermeister hat eine Aufstellung gemacht, die eine weitere ungebremste Zunahme von Wohnblöcken in den nächsten fünf Jahren in Reutte zeigt. „Ich bin sicher unverdächtig, was meine Kritik zum Thema Bauen anbelangt. Ist es doch meine Lebensgrundlage. Aber das hier geht zu weit.“ VP-Oppositionspolitiker Hornstein hat viele Protokolle der Gemeinde zusammengetragen, um einen Gesamtüberblick zu gewinnen. Denn zumindest offiziell verfüge die Marktgemeinde nicht über derartige Daten. Gemeinsam mit VP-Vizebürgermeister Klaus Schimana präsentierte er nun ein Zukunftsszenario, das die VP-Fraktion rundweg ablehnt. Schimana: „Unsere Fraktion hat sich bei der Fortschreibung des örtlichen Raumordnungskonzeptes wirklich sehr viel angetan. Den Bauboom sehen wir sehr kritisch.“ Schimana legt Wert auf die Feststellung, dass die Volkspartei keinen prinzipiellen Baustopp fordere oder sich gegen Wachstum ausspreche. „Aber ein Prozent Bevölkerungszuwachs im Jahr sind genug. Das wären 60 bis 70 Personen.“ Schließlich könne der Bauboom nicht isoliert gesehen werden. Arbeit, Infrastruktur, Verkehr, Ortsbild – alles sei zu bedenken. Natürlich sei Reutte als Bezirkshauptort ein attraktiver Wohnraum. „Aber die Wohnzinsbeihilfe, die Reutte gewährt, macht es für viele auch interessant, hierherzuziehen. Vielleicht sollte man die immer gleich große Anzahl von seit Jahren über 200 bei der Gemeinde gemeldeten Wohnungssuchenden trotz intensiven Wohnbaus auch einmal unter diesem Aspekt betrachten.“ Der Bezirk wachse ja schließlich nicht, sondern stagniere schon lange bei 32.000 Einwohnern.

Hornstein macht geltend, dass die Gemeinde sehr wohl ein Instrument gegen die Wohnbaugesellschaften habe, nämlich den Bebauungsplan. Damit könne man zum Beispiel Bauhöhen steuern – schon bei mehreren „Kästen“ wurden ganze Stockwerke gestrichen. Erdgeschoß plus zwei Etagen seien ein verträgliches Maß für Reutte, glaubt der Gemeinderat. Blöcke könnten gesplittet oder die Gemeinde künftig überhaupt viel wachsamer bei Grundzusammenlegungen werden.

Noch nicht begonnen, aber bereits bewilligt sind derzeit drei Projekte mit insgesamt 70 Wohnungen. Gerade im Bau befindlich sind laut Hornstein vier Projekte mit insgesamt 84 Wohnungen. „Konzepte oder Absichten, also wo zum Teil Bebauungspläne erlassen sind oder das Bauverfahren begonnen wurde, gibt es bei acht weiteren Projekten mit insgesamt 253 Wohnungen“, erklärt Hornstein weiter. Für 45 Wohnungen im Bereich Therme laufen die Vorbereitungen. Das heißt nach Ernst Hornstein, dass 300 neue Wohnungen in nur drei Jahren errichtet werden und sogar über 400 in den nächsten fünf Jahren mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gebaut werden. „Und – das ist das Frappierende – im Schnitt aber nur noch zwei Einfamilienhäuser pro Jahr in ganz Reutte.“ Obwohl von der Gemeinde anders vorgesehen, würden Wohnbaugesellschaften neuerdings, wie aktuell im Bereich Hofäcker, mehrere kleinere Baugrundstücke zusammenkaufen und so die Chance auf ein Eigenheim für Einheimische zunichtemachen. Eine von der Gemeinde getragene Wohnbaubremse sei unumgänglich. Dies müsse klar an die Wohnbaugesellschaften kommuniziert werden.

Vizebürgermeister Klaus Schimana fordert in diesem Zusammenhang, dass die Marktgemeinde Reutte Gründe zur Verfügung stellen soll, „damit gewährleistet bleibt, dass junge Reuttener Familien sich überhaupt noch Eigentum in Form eines Hauses schaffen können. Tun wir nichts, dann wandern die Interessierten eben weiter in Nachbargemeinden wie Ehenbichl oder Pflach ab“, sagt Schimana. Viele Kommunen würden sich genau für diesen Zweck Gründe sichern. Ehrwald gebe ein gutes Beispiel, wie dies vernünftig und gerecht abgewickelt werden könnte. Etwa in Bezug auf vorherige Wohndauer im Ort, Wohnbauförderungswürdigkeit und vieles mehr.

Gerichtet sind all diese Wünsche an Bürgermeister Alois Oberer und seine Fraktion Liste Luis, die mit zehn der 19 Mandate die absolute Mehrheit in Reuttes Gemeinderat stellt.

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