Gesundheit

Chronomediziner: Prüfungen nicht vor 10 Uhr

Müde in die Schule: Der eigene Schlafrhythmus kann erfolgreichen Prüfungen am frühen Morgen im Weg stehen.
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In wenigen Tagen läutet für Schüler wieder der Wecker: Wie man die innere Uhr austrickst, um morgens wach zu sein und warum nicht in der Früh geprüft werden sollte, verrät Chronomediziner Horst-Werner Korf.

Herr Korf, ist es ein Problem, nach neun Wochen Ferien wieder früh aufzustehen?

Horst-Werner Korf: Es kommt auf das Ausmaß der Verschiebung an. Wie viele Stunden Unterschied haben wir zwischen dem Aufstehen in den Ferien und dem Aufstehen, das zur Schulzeit nötig ist? Wenn das stärker als zwei Stunden abweicht, kommt es in den ersten Tagen der Schule zum Schlafdefizit, was für die Konzentrationsfähigkeit nicht förderlich ist.

Inzwischen weiß man, dass es unterschiedliche „innere Uhren“, so genannte Chronotypen, gibt. Was spielt das Alter dabei für eine Rolle?

Korf: Vor der Pubertät sind Kinder, bis auf wenige Ausnahmen, Frühtypen – so genannte Lerchen. Die gehen früh ins Bett und kommen morgens früh raus. Das Problem beginnt während oder nach der Pubertät. Da ändert sich das Schlafverhalten, die Jugendlichen neigen zum Spättyp, viele werden zu Eulen. Dann ist der frühe Schulanfang besonders problematisch.

Sie wünschen sich daher, dass Prüfungen in der Schule erst um 10 Uhr geschrieben werden und nicht um 8. Was würde das ändern?

Korf: Dann hätte man eine Chancengleichheit für Lerchen und Eulen. Wenn man eine Klassenarbeit auf acht Uhr festlegt, sind die Eulen im Nachteil. Es gibt auch schon lange eine Diskussion, warum die männlichen Absolventen bei der Matura schlechter abschneiden als die weiblichen. Das könnte man damit in Verbindung bringen, dass der Chronotyp bei den jungen Frauen nicht ganz so spät ist wie bei jungen Männern.

Wie lässt es sich erklären, dass Schulen auf den Frühtyp eingestellt sind?

Korf: Wir leben in einer Lerchen-Gesellschaft, bis auf wenige Ausnahmen sind auch die meisten Berufe daran angepasst. Extreme Eulen bekommen bei jedem Wechsel zwischen Wochenende bzw. Ferien und der Arbeitszeit ein Problem.

Welche Auswirkungen hat ein Leben entgegen der eigenen inneren Uhr?

Korf: Es gibt Untersuchungen, die sagen, dass es bei häufigem Verschieben des Rhythmus ein höheres Risiko für Brustkrebs gibt, das hat man z. B. bei Stewardessen nachgewiesen. Aber diese Berufsgruppe unterliegt ganz extremen Zeitverschiebungen. Die Konzentrationsfähigkeit ist für Eulen am frühen Morgen auf jeden Fall eingeschränkter und das ist für die Schule relevant. Derzeit findet in England ein Schulversuch statt, wo eine Gruppe von Schülern den Unterricht eine Stunde später beginnt. Nach Ende des Versuchs wird man handfeste Daten haben, ob ein späterer Schulbeginn zur Steigerung der Leistungsfähigkeit führt.

Kann man die innere Uhr denn austricksen?

Korf: Ein sehr starker Weckreiz ist das (natürliche) Licht. Es bietet sich also an, die Rollläden nicht herunterzulassen.

Gibt es auch für die dunkle Jahreszeit Tricks?

Korf: Es gibt Licht-Wecker, die langsam die Lichtintensität hochfahren. Wer starke Schwierigkeiten beim Aufstehen hat, sollte das probieren.

Wieso gibt es eigentlich verschiedene Chronotypen?

Korf: Die genauen Grundlagen sind nicht bekannt. Es gibt Hinweise, die einen Zusammenhang zwischen dem in der Nacht gebildeten Hormon Melatonin und dem Chronotyp feststellen, je nachdem ob der Höhepunkt der Hormon­ausschüttung früher oder später in der Nacht liegt.

Aber der Schlafrhythmus ist in uns drin und nicht von äußeren Einflüssen wie etwa Erziehung abhängig?

Korf: Die gesellschaftlichen Umstände bedeuten nur einen schwachen Reiz für die innere Uhr. Aber wenn sie den Wecker stellen, weil die Kinder in die Schule müssen, dann handeln sie als Spättyp entgegen ihrem Chronotyp. Jeder unterwirft sich dem gesellschaftlichen Rhythmus.

Soll man Kindern zum besseren Einschlafen abends das Handy verbieten?

Korf: Die innere Uhr reagiert besonders empfindlich auf blaues Licht. Derartige Lichtquellen – Fernseher, Laptop oder Handy – verschieben den Rhythmus besonders stark, wenn sie zur Nacht einwirken.

Wie viel Schlaf braucht ein Kind bzw. ein Jugendlicher?

Korf: Teenager sollten acht bis zehn, junge Erwachsene zwischen sieben und neun Stunden schlafen. Aber es gibt große Unterschiede zwischen einzelnen Menschen. Manche brauchen regelmäßig acht Stunden Schlaf, andere kommen auf Dauer mit viereinhalb Stunden aus. Es ist wichtig zu wissen, dass der Schlafbedarf nicht nur durch die innere Uhr, sondern auch durch einen zweiten Mechanismus, die Homöostase, bestimmt wird. Dieses System wird in Schlafzentren im Hirnstamm geregelt. Wenn wir lange nicht geschlafen haben, entsteht dort ein Schlafdruck. Dann wird Schlafmangel gemeldet und wir werden unabhängig von der inneren Uhr müde.

Zuckerhaltige Getränke, Energy Drinks und kalorienhaltige Speisen – welche Auswirkungen hat die Ernährung auf den Schlaf?

Korf: Koffeinhaltige Getränke oder weckende Stimulanzien führen dazu, dass der Schlaf nicht einsetzt. Das ist ein Eingriff in das Schlafbedarfssystem. Es wird auch diskutiert, ob Fettleibigkeit mit Störungen der inneren Uhr zusammenhängt.

Das Gespräch führte Philipp Schwartze

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