Blick von Außen

Es geht uns besser

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Aus guten Gründen werden die Österreicher immer zufriedener. Allerdings sollte das endlich auch von der Politik wahrgenommen werden.

Von Johannes Huber

Hin und wieder muss man sich wundern. Unlängst zum Beispiel, als ein Nachrichten­magazin berichtete, eine relative Mehrheit der Österreicher finde, es gehe ihnen schlechter als vor zehn Jahren. Das habe eine Online-Umfrage ergeben. Und das passt wohl auch ganz gut in die Konzepte aller möglichen Parteistrategen, können sie damit doch Botschaften untermauern, wonach sich etwas ändern müsse.

Dieser Zugang täuscht jedoch darüber hinweg, dass die Stimmung seit geraumer Zeit kippt. Und zwar zum Positiven. Vor einem Jahr hieß es an dieser Stelle, es gehe uns gut. Heute muss man gemessen daran feststellen: „Es geht uns besser!" Laut dem Wirtschaftsbarometer, den das Linzer Marktforschungsinstitut Spectra führt, hat sich der Anteil derer, die zuversichtlich in die Zukunft schauen, gerade auf 22 Prozent verdoppelt. Das ist der höchste Wert seit Jahren.

Ein Trend nach oben

Und wenn man genauer hinschaut, kann diese Entwicklung auch nicht verwundern. Viele Probleme sind kleiner geworden. Stichwort „Flüchtlingskrise": Die Zahl der Asylwerber sinkt und sinkt. Mit 14.627 war sie in den ersten sieben Monaten dieses Jahres nur noch halb so groß wie im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Die Integration vor Ort läuft wiederum besser, als es der eine oder andere möglicherweise wahrhaben möchte. Das Sozialforschungsinstitut SORA hat das in Oberösterreich untersucht. Ergebnis: Sieben von zehn sind der Meinung, dass das Zusammenleben mit den Geflüchteten in ihrer Gemeinde „sehr gut" oder „ziemlich gut" funktioniere. In Wien stellten die SORA-Mitarbeiter wiederum fest, dass anfängliche Sorgen vieler Menschen verflogen sind: Vor der Errichtung von Flüchtlingsunterkünften in ihrer Umgebung waren nur 44 Prozent dafür. Danach 69 Prozent. Umgekehrt sank der Anteil derer, die dagegen waren, von 22 auf 14 Prozent.

Vor einem Jahr plagten die Österreicher im Übrigen noch andere Probleme viel stärker, als dies heute der Fall ist. Beispiel Arbeitslosigkeit. Damals hatte man befürchten müssen, dass die Wirtschaft weiterhin so verhalten wachsen werde, dass die Arbeitslosenquote unaufhaltsam auf mehr als zehn Prozent klettert. Das hätte für den Einzelnen, der ohnehin schon ohne Job dasteht, nichts weiter bedeutet, der gesamten Gesellschaft aber vor Augen geführt, dass es da eine echte Krise gibt. Doch heute? Die Konjunkturprognosen sind nicht mehr wiederzuerkennen. Im September 2016 hatten die Wirtschaftsforscher von WIF­O und IHS für heuer eine Wachstumsrate von etwa eineinhalb Prozent in Aussicht gestellt. Zuletzt haben sie diese auf bis zu 2,4 Prozent nach oben revidiert. Und das hat erfreuliche Folgen: Die Zahl der Beschäftigten steigt stark, die der Arbeitslosen geht ebenso spürbar zurück; ihr Anteil betrug zuletzt nicht zehn, sondern 7,6 Prozent.

Das hat im Übrigen auch erfreuliche Auswirkungen auf den Staatshaushalt: Gemessen am Bruttoinlandsprodukt sinkt die Verschuldung. Ja, man kann sich fast schon wundern, dass noch keine Partei auf die Idee gekommen ist, nach deutschem Vorbild nicht nur ein Null­defizit zu versprechen, sondern überhaupt gleich Überschüsse. Viel fehlt nicht mehr dazu. Zumal die Steuern sprudeln. Allein bis Ende Juli hat das Aufkommen heuer bereits 46 Milliarden Euro betragen; das ist um fast fünfeinhalb Prozent mehr als im Vorjahr gewesen.

Soziale Probleme entschärft

Auch soziale Probleme entschärfen sich. Als sich ein­e Nationalratsabgeordnete vor wenigen Wochen in einer schriftlichen Anfrage beim Sozialminister nach der Altersarmut erkundigte, erhielt sie eine überraschende Antwort: Die Zahl der Ausgleichszulagen-Bezieher, anhand derer sie das quasi faktenbasiert nachvollziehen wollte, geht signifikant zurück. Österreichweit sank sie 2016 um zwei Prozent auf 211.227 und in Tirol gar um 3,2 Prozent auf 17.982. Das ist insofern bemerkenswert, als der Richtsatz, bis zu dem diese Zulage gewährt wird, alljährlich an die Teuerung angepasst wird. Die Sache ist jedoch die, dass die Pensionsansprüche, die Frauen und Männer selbst erwerben, noch stärker zunehmen — folglich kommen immer mehr aus eigener Kraft über die Mindestpension von derzeit 889,84 Euro bei Alleinstehenden und 1334,17 Euro bei Paaren hinaus.

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Zu viele haben nach wie vor zu wenig zum Leben. Man sollte aber auch zur Kenntnis nehmen, dass es da eine Entwicklung gibt, die in die richtige Richtung geht.

Wie das auch in einem anderen Bereich der Fall ist, der den Österreichern außerordentlich wichtig ist: der Sicherheit. Laut der gerichtlichen Kriminalitätsstatistik wurden im vergangenen Jahr 27.916 Personen wegen eines Delikts verurteilt. Um 5,4 Prozent weniger als 2015. Und auch damals waren es schon zweieinhalb Prozent weniger als im Jahr davor. Und so weiter und so fort.

Man darf gespannt sein, wie sich die gerichtlichen Verurteilungen heuer entwickeln: Die Anzeigenstatistik, die das Innenministerium führt, wies für 2016 nämlich eine Zunahme aus. Das könnte sich auch hier mit entsprechender Verzögerung bemerkbar machen; Gerichtsverhandlungen finden ja immer erst nach einer Anzeige statt. Wenn, dann wird es aber wohl ebenfalls nur vorübergehend einen Anstieg geben: Für heuer vermeldete die Polizei schon wieder deutlich weniger Anzeigen. Soll heißen: Man kann beruhigt sein, Österreich wird letzten Endes nach wie vor immer sicherer.

Summa summarum ist es also ziemlich irreführend, festzustellen, dass es den Menschen zunehmend schlechter gehe. Das ist im besten Fall auf die Fragestellung zurückzuführen, die einer entsprechenden Umfrage zugrunde liegt. Im schlechtesten Fall steckt einfach nur eine bestimmte Absicht dahinter.

Wie gut es den Österreichern ihrer eigenen Wahrnehmung zufolge geht, lässt sich am besten aus dem Mikrozensus ablesen. Das ist die wohl größte Umfrage, die es gibt. Durchgeführt von der Statistik Austria, werden vierteljährlich mehr als 20.000 Haushalte dazu einbezogen. Regelmäßig lautet eine Frage: „Wie schätzen Sie Ihre Lebensqualität ein?" Es gibt vier Antwortmöglichkeiten: „Sehr gut", „gut", „weniger gut" und „schlecht".

Indikator Lebensqualität

Man kann jetzt im Bekanntenkreis noch so viele Tipps einholen; an das Ergebnis wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit niemand herankommen: Laut den vor dem Sommer veröffentlichten Daten antworteten zuletzt ganze 97 Prozent „sehr gut" oder „gut". Vor zehn Jahren waren es auch schon viele, aber „nur" 92,7 Prozent. Umgekehrt ist der Anteil derer, die ihre Lebensqualität als „weniger gut" oder „schlecht" bezeichnen, von über sieben auf nur noch drei Prozent gesunken.

Ja, das kann man kaum glaube­n. Weil man durch die Politik und über Medien, die diese transportieren, eine ganz andere Wahrnehmung gewonnen hat, die irgendwann zu einer Art Überzeugung geworden ist: Demnach schauen die Verhältnisse sehr übel aus und werden zu allem Überdruss auch noch immer schlimmer. Aber da sollte man sich nicht täuschen lassen: Politiker leben in gewisser Hinsicht von Problemen. Regierungsvertreter sehen sich gezwungen, laufend Reformen durchzuführen, um zu zeigen, dass sie sich einiger Sorgen und Nöte annehmen. So berechtigt oder unberechtigt sie auch sein mögen. Ein Beispiel dafür sind bald schon halbjährlich wiederkehrende Vorstöße für Strafrechtsverschärfungen. Ihre sachliche Notwendigkeit wird von Experten jedes Mal wieder bezweifelt. Aber der eine oder andere Minister muss zu seiner Existenzberechtigung halt ein Lebenszeichen von sich geben. Ähnlichen Zwängen ausgeliefert sehen sich Oppositionsvertreter: Sie tendierten dazu, Probleme größer zu machen, als sie vielleicht sind. Nur so ist es ihnen in einem zweiten Schritt möglich, auf vermeintliches Versagen hinzuweisen. Davon leben sie.

All das ist jedoch eine verhängnisvolle Sache: Ein grundsätzlich sehr guter Schüler, der immer nur vorgehalten bekommt, was er nicht kann, wird irgendwann scheitern. So ist das auch bei einem Sportler und überhaupt jedem Menschen. Vernünftiger ist es daher, sich auf die Stärken zu konzentrieren. Politik müsste in diesem Sinne endlich anfangen, die erfreulichen Verhältnisse und Entwicklungen in diesem Land in den Vordergrund zu rücken und darüber zu reden, wie man sie vielleicht noch verstärken könnte. Davon würde die Masse viel eher profitieren. Und zwar auf Dauer.

Zur Person

Johannes Huber (43) lebt in Wien, ist Autor und Journalist und betreibt die Internetseite www.dieSubstanz.a­t — Analysen und Hintergründe zur Politik. johannes.huber@diesubstanz.at