Europarats-Versammlung verschärft ihren Verhaltenskodex
Straßburg (APA/AFP/dpa) - Als Konsequenz aus dem Skandal um Bestechungsgelder aus Aserbaidschan hat die Parlamentarische Versammlung des Eur...
Straßburg (APA/AFP/dpa) - Als Konsequenz aus dem Skandal um Bestechungsgelder aus Aserbaidschan hat die Parlamentarische Versammlung des Europarats (PACE) den Verhaltenskodex für ihre Mitglieder verschärft. Die Abgeordneten aus den Europarats-Ländern beschlossen am Dienstag in Straßburg neue Regeln für die Annahme von Zuwendungen, Einladungen zu Reisen sowie den Umgang mit Lobby-Vertretern.
Dem neuen Verhaltenskodex zufolge müssen die Mitglieder der Versammlung vor jeder Plenarsitzung in einer „Interessenserklärung“ etwaige Geschenke oder Einladungen angeben. Diese Erklärungen sollen auf der Webseite der Versammlung veröffentlicht werden. Berichterstatter müssen zudem alle „wirtschaftlichen, kommerziellen, finanziellen oder sonstigen Interessen auf beruflicher, persönlicher oder familiärer Ebene“ offenlegen, die mit dem Thema ihres Berichts in Verbindung stehen.
Über die Einhaltung der Regeln wacht in Zukunft nicht mehr allein der Präsident der Versammlung, sondern auch der Geschäftsordnungsausschuss. Er kann Untersuchungen gegen einzelne Abgeordnete einleiten und gegebenenfalls Sanktionen beschließen - etwa den Ausschluss von Wahlbeobachtungsmissionen.
Sieht der Ausschuss einen Verstoß gegen das Strafrecht, kann er die zuständigen nationalen Strafverfolgungsbehörden einschalten. Der neue Verhaltenskodex solle ein „korrumpierendes Verhalten in der Versammlung in Zukunft vermeiden“, heißt es in dem Bericht.
Die Parlamentarier-Versammlung, der 324 nationale Abgeordnete aus den 47 Europaratsländern angehören, wird seit Monaten durch eine Korruptionsaffäre erschüttert. Dabei geht es um Geldzahlungen und teure Geschenke wie Kaviar, Teppiche und Luxusuhren, mit denen sich die autoritäre Regierung Aserbaidschans das Wohlwollen von Abgeordneten erkauft haben soll.
In der Versammlung wurde etwa ein kritischer Bericht zu politischen Gefangenen in Aserbaidschan überraschend abgeschmettert, Stellungnahmen von Wahlbeobachtern des Europarats fielen auffallend milde aus. So hatte etwa der SPÖ-Bundesrat Stefan Schennach als Wahlbeobachter des Europarates die Präsidentenwahl in Aserbaidschan 2013 zur Bestätigung von Staatschef Ilham Aliyev „überwiegend positiv“ bezeichnet. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) prangerte dagegen damals „gravierende Probleme“ an.
Mehrere Zeitungen, darunter die „Süddeutsche Zeitung“, berichteten kürzlich über dubiose Finanzströme in Höhe von rund 2,5 Milliarden Euro. Das Geld floss demnach über vier Briefkastenfirmen mit Konten bei der estnischen Filiale einer dänischen Bank. Zu den Empfängern von Überweisungen aus der ölreichen Ex-Sowjetrepublik gehören den Recherchen zufolge mehrere ehemalige Mitglieder der Versammlung, unter ihnen der italienische Christdemokrat Luca Volonte, sowie aus Deutschland der CSU-Politiker Eduard Lintner und die CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Strenz.
Es gebe Netzwerke zum Schutz autokratischer Regierungen, sagte der Abgeordnete Frank Schwabe. Der deutsche Sozialdemokrat hatte als einer der ersten eine Aufklärung der Vorwürfe gefordert. Neue Regeln zum Kampf gegen Korruption in der Versammlung seien dringend notwendig. „Sonst verlieren wir unsere Glaubwürdigkeit.“ Schwabe forderte erneut eine Aufklärung der gegen Strenz erhobenen Vorwürfe. Sie habe eingestanden, Gelder aus Baku erhalten zu haben.
Die französische Konservative Nicole Duranton betonte, auch die nationalen Parlamente hätten Verantwortung. „Sie entscheiden, wen sie in unsere Versammlung entsenden.“ Der Europarat habe wenig finanzielle Mittel. „Unsere Stärke ist unsere Moral.“
Im Juni hatte der Europarat drei unabhängige Experten ernannt, die Korruptionsvorwürfe gegen heutige oder frühere Mitglieder der Versammlung prüfen sollen. Sie sollen ihre Schlussfolgerungen bis Ende des Jahres vorlegen. Über die „Kaviar-Diplomatie“ der Regierung in Baku hatte bereits im Mai 2012 die in Berlin ansässige Organisation European Stability Initiative (ESI) ausführlich berichtet.
In der Parlamentarier-Versammlung des Europarats wurde eine Diskussion über das Thema jedoch jahrelang im Keim erstickt - nicht zuletzt durch ihren bisherigen Präsidenten Pedro Agramunt. Der spanische Christdemokrat geriet in den vergangenen Monaten wegen der „Baku Connection“ und auch wegen einer umstrittenen Syrien-Reise samt Treffen mit Machthaber Bashar al-Assad unter Druck. Am vergangenen Freitag erklärte er schließlich seinen Rücktritt, um einem Amtsenthebungsverfahren zuvorzukommen. Agramunt durfte die Versammlung wegen der Affäre schon seit April nicht mehr repräsentieren.
Zu seiner Nachfolgerin wählte die PACE am Dienstag im dritten Wahlgang mit Mehrheit die Zypriotin Stella Kyriakides. Die 61-Jährige Christdemokratin war als unabhängige Kandidatin angetreten - neben dem offiziellen Kandidaten ihrer Fraktion, dem Litauer Emanuelis Zingeris. In Zypern sitzt Kyriakides seit 2006 für die regierende, konservative Demokratische Gesamtbewegung im Parlament.
Dem Europarat gehören 47 Staaten in Ost- und Westeuropa an. Aserbaidschan wurde im Jänner 2001 in die paneuropäische Länderorganisation aufgenommen.