Die Geburtenstation von Europas Weltraum-Missionen
Plessezk (APA) - Ihren Ausgang nehmen viele Missionen der ESA an einem besonderen „Arbeitsplatz“ im European Space Research and Technology C...
Plessezk (APA) - Ihren Ausgang nehmen viele Missionen der ESA an einem besonderen „Arbeitsplatz“ im European Space Research and Technology Centre (ESTEC) in Noordwijk (Niederlande). Die Concurrent Design Facility (CDF) lässt technisch keine Wünsche übrig und wird - gefüllt mit über 30 Experten - in nur wenigen Wochen sozusagen zur Geburtenstation für ESA-Satelliten wie Sentinel-5P.
Die Arbeit an dem neuen Satelliten zur Überwachung der Luftqualität hat bereits 2008 in diesem speziellen Konferenzraum begonnen, wie Massimo Bandecchi, Manager des CDF, vor Journalisten am ESTEC erklärte. „Was hier passiert, ist fast schon Zauberei“, so der Italiener angesichts der Arbeitsweise in der Einrichtung. Gehen dort doch Spezialisten aus bis zu 20 technischen und wissenschaftlichen Disziplinen gleichzeitig einer Idee zu einer Mission nach.
Dabei entstehen nicht nur vage Konzepte: Im Fall von Sentinel-5P gingen die Experten mit einer fast 200 Seiten umfassenden Studie aus dem Prozess hinaus. Davor wurde sozusagen an dem Rezept für die Satellitenmission getüftelt. Für eine erste Version einer Mission brauchen die Experten mit dem aus der Automobilindustrie stammenden Ansatz des „Concurrent Design“ nicht nur lediglich drei bis sechs Wochen - im Gegensatz zu den früher üblichen sechs bis neun Monaten. Sie kommen laut Bandecchi auch im Schnitt mit der Hälfte der Mittel aus.
Der Schlüssel liege darin, dass hier vieles gleichzeitig passiert, was andernorts langwierig von einer in die nächsten Abteilung und von einer zur anderen Hierarchieebene weitergegeben wird. Man arbeite zwar großteils nebeneinander, trotzdem aber Hand in Hand. Die verschiedenen Disziplinen entwickeln Ideen und beginnen mit dem Design, ihre Modelle und Überlegungen können alle anderen Prozessteilnehmer ständig einsehen. Bandecchi: „Damit haben wir eine größere Chance, dass alles zusammenpasst.“
Veranschaulicht werden die gröbsten Ideen u.a. mit etwas hemdsärmelig anmutenden Methoden: Erste Modelle bestehen oft aus Bausteinen aus einer „Lego-Box“. Früher hätten durchaus auch einmal Klopapierrollen essenzielle Teile eines Satelliten oder einer Landeeinheit verkörpert. Mittlerweile nutze man jedoch auch 3D-Drucker ausgiebig. Am Ende steht ein relativ ausgefeiltes Konzept, das die ESA der Industrie vorlegen kann. Sind die ESA-Gremien und Mitgliedsstaaten davon überzeugt, folgen weitere Schritte. Bis zum Start vergehen dann wie bei Sentinel-5P allerdings mehrere Jahre.
An Ideen für zukünftige Missionen fehle es jedenfalls nicht, so Bandecchi. Im Fokus der Missionsentwickler stehen momentan der Mars und die Sonne. Für Missionen dorthin habe man einige Konzepte in der Hightech-Schublade. Vor dem Eingang der CDF steht mit dem Prototyp des „Intermediate Experimental Vehicle“ (IXV) allerdings auch ein Raumfahrzeug, mit dem in der Erdumlaufbahn Experimente durchgeführt werden können und das die Ergebnisse dann auch wieder auf die Erde zurückbringt. Ein erster Test im Februar 2015 verlief erfolgreich: IXV erreichte dabei eine Höhe von 412 Kilometern und landete nach dem Wiedereintritt in die Atmosphäre mit rund 27.000 Stundenkilometern plangemäß westlich der Galapagosinseln im Pazifik. Seinen Ausgangspunkt nahm das Projekt im CDF in Nooodwijk, erklärte Bandecchi nicht ohne stolz.