Terror-Prozess: Urteilsberatung am Landesgericht Korneuburg im Gange
Korneuburg (APA) - Im Prozess gegen einen 22-Jährigen am Freitag in Korneuburg hat sich der Schöffensenat zu Mittag zur Beratung zurückgezog...
Korneuburg (APA) - Im Prozess gegen einen 22-Jährigen am Freitag in Korneuburg hat sich der Schöffensenat zu Mittag zur Beratung zurückgezogen. Die Staatsanwältin bezeichnete die Aussagen des Angeklagten im Schlussvortrag als „unglaubwürdig“ und forderte einen Schuldspruch. Die Verteidigerin beantragte einen Freispruch von den Terrorismus-Vorwürfen. Zuvor waren Zeugeneinvernahmen am Programm gestanden.
Der nach islamischem Recht verheiratete Beschuldigte schmiedete demnach auch Heiratspläne mit einer 27-Jährigen in Wien. Die Zeugin, die per Video aus einem anderen Raum im Gerichtsgebäude zugeschaltet war, hatte den Angeklagten am 19. April in einer Straßenbahn in Wien kennengelernt. „Wir haben beide bemerkt, dass wir Tschetschenen sind“, daher sei man ins Gespräch gekommen und habe Telefonnummern ausgetauscht. Es folgten regelmäßige Treffen, die beiden hätten auch von Heirat gesprochen, sagte die Frau laut Dolmetscherin. Als die 27-Jährige Anfang Mai erfuhr, dass der 22-Jährige schon eine Ehefrau hat, wollte sie nicht mehr heiraten. Daraufhin habe er angekündigt, dass er aus ihrem Leben verschwinden und wegfahren werde. Der Angeklagte habe der Zeugin geschrieben, es sei „seine Pflicht“, wegzufahren, zitierte die Staatsanwältin aus Chat-Protokollen. Wohin er reisen wollte, habe er ihr nicht verraten, meinte die Zeugin.
Ein Verfassungsschutz-Beamter sagte im Zeugenstand aus, der Angeklagte sei aufgrund seiner Verurteilung als „Gefährder“ eingestuft. Auf einem sichergestellten Handy des 22-Jährigen sei ein Chat-Verlauf gesichert worden, wonach der Angeklagte heuer am 27. Mai - zwei Tage vor der Hausdurchsuchung - ein Video eines Hasspredigers in einer Gruppe mit 13 Personen versendet habe. Zudem seien Propagandavideos gefunden worden, die u.a. martialische Aufmärsche von IS-Kämpfern und eine Jihad-Fahne zeigen.
Der Bewährungshelfer des Angeklagten war nicht in die Reisepläne des 22-Jährigen eingeweiht. Seinem Bericht zufolge habe der Angeklagte eine „ideologisch sehr verfestigte Meinung, die durchaus als radikal bezeichnet werden kann“. Da er bestreite, dass er nach Syrien reisen wollte, hätten sich die Gespräche vor allem um religiöse Ansichten und Probleme wie Arbeits- und Wohnungslosigkeit gedreht. Ein Abdriften habe er nicht feststellen können, schilderte er im Zeugenstand. Laut einem Vertreter eines Vereins für Deradikalisierung und Prävention hat der Angeklagte „Sinn gesucht und Religion gefunden“. „Ich halte ihn für nicht aggressiv“, so der Zeuge. Anschließend wurde die Aussage des untergetauchten Grazers verlesen, der gemeinsam mit dem Beschuldigten bei der Ausreise am Flughafen Wien-Schwechat mit gefälschten Dokumenten erwischt worden war. Am 19. Mai habe er gemeinsam mit dem 22-Jährigen in einem Wiener Reisebüro One-Way-Tickets nach Istanbul gekauft. Weder er noch der Angeklagte hätten Bekannte in Istanbul, „wir wollten nur Urlaub machen“, lautete die Aussage.
In dem sichergestellten Chat-Verlauf sei mehrmals von „Pflichterfüllung“ die Rede gewesen - der beisitzende Richter wollte wissen, was damit gemeint war. Das habe sich auf die Heirat mit der Frau in der Türkei bezogen, erklärte der Angeklagte.
Die Staatsanwältin äußerte im Schlussvortrag Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Aussagen des Beschuldigten und führte dazu zahlreiche Punkte an. Es gebe etwa - auch auf den sichergestellten Mobiltelefonen - keine Aufzeichnungen, die auf die Existenz der Frau in der Türkei, die der 22-Jährige seinen Angaben zufolge heiraten wollte, hindeuten. Der Angeklagte hatte dazu angegeben, er habe nach der Anhaltung in Schwechat Daten auf seinem Handy gelöscht. Ein Zettel in der Wohnung der Mutter des Mannes, auf dem der Beschuldigte die Kontaktdaten der Frau in der Türkei notiert haben will, wurde nicht gefunden. „Die Geschichte ist einfach unglaubwürdig“, erklärte die Vertreterin der Anklagebehörde, „er hatte vor, sich wie beim ersten Mal nach Syrien zu begeben und sich dem IS anzuschließen.“
Die Verteidigerin sagte, die Vorwürfe gegen ihren Mandanten seien auf der Verurteilung im Oktober 2015 aufgebaut. Es gebe keine Beweise für die Mitgliedschaft an einer terroristischen Vereinigung oder die angelasteten Pläne für eine Weiterreise nach Syrien. Die Behauptungen der Staatsanwaltschaft seien lediglich Mutmaßungen, die den Angeklagten in einem schlechten Licht darstellen sollen. Die Rechtsanwältin beantragte einen Freispruch von den Terrorismus-Vorwürfen und eine milde Strafe für die Urkundendelikte.