“Don't Blink“

Scharf und aus der Hüfte geschossen

?14th Street White Tower?, 1948: Bis 21. Jänner 2018 sind in der Albertina die Fotoarbeiten Robert Franks zu sehen.
© ETH-Bibliothek

Laura Israel porträtiert in ihrem Dokumentarfilm „Don’t Blink“ den Jahrhundertfotografen und grandiosen Selbstdarsteller Robert Frank.

Von Peter Angerer

Innsbruck –Am Anfang von Laura Israels Dokumentarfilm „Don’t Blink – Robert Frank“ versperrt ein Kamerateam einen New Yorker Gehsteig. Für den Durchlass müssen Passanten die drei wichtigsten Fotografen des 20. Jahrhunderts nennen. Es folgen die üblichen Verdächtigen – Walker Evans, Cartier-Bresson, Richard Avedon. „Frank! Frank“, souffliert ein Mitglied des Teams, das sich schließlich als Robert Frank zu erkennen gibt. Nicht einmal Susan Sontag wollte sich in ihrem Essay „Über Fotografie“ jenseits von Paul Strand festlegen, aber neben Walker Evans, der mit seinen Aufnahmen über das „Amerika während der Depression“ entscheidend die New-Deal-Politik beeinflusst hatte, war es der gebürtige Schweizer Robert Frank, der mit seinem Fotobuch „The Americans“ (1958) eine neue, enttabuisierte Wahrnehmung der amerikanischen Wirklichkeit ermöglicht hatte.

Zehn Jahre lang war Frank durch US-Bundesstaaten gefahren, hatte dort den Alltag zwischen Elend und Rassentrennung dokumentiert. Nach dem Erscheinen des Bandes wurde Frank zum Staatsfeind erklärt, sogar angesehene Kritiker fragten in ihren Rezensionen: „Wie sehr muss dieser Mann Amerika hassen?“ Da war „The Americans“ längst ein Welterfolg geworden und katapultierte den Fotografen, der als 24-jähriger Emigrant 1948 in New York angekommen war, in eine Liga, in der plötzlich alles möglich war, in der sich aber auch Leute bewegten, die mit Begehrlichkeiten und Betrug arbeiteten. Im Kleingedruckten seiner Verträge musste Frank Paragraphen übersehen haben, denn plötzlich hatte der Fotograf sämtliche Urheberrechte an seinem Bilderschatz verloren. Es ist ein Manko in Israels Film, der (fast) alle Details in Franks ereignisreichem Leben dokumentieren möchte, dass sich manches in Nebensätzen verliert und mehr Fragen als Antworten liefert.

Auf dem Höhepunkt seines Ruhms gaben 1971 die Rolling Stones bei Frank die Cover­gestaltung ihres Albums „Exile On Main Street“ und einen Dokumentarfilm über ihre erste US-Tournee seit dem Desaster von Altamont, wo Mitglieder der Hells Angels einen Fan getötet hatten, in Auftrag. Die Stones packten Truman Capote, Andy Warhols Factory und andere Prominente in ihr Tourflugzeug und hofften auf die endgültige Eroberung von Amerikas Pophimmel. Was Mick Jagger dann in Franks Film „Cocksucker Blues“ über diese Tour sehen musste, war ein Ausflug in die Hölle und ließ ihn zu seinen Anwälten taumeln, die den Film verbieten ließen. Vor Gericht erwirkte Robert Frank zumindest die gelegentliche Aufführung der Dokumentation. Die nächste Vorführung wird es Mitte Jänner im Wiener Filmmuseum geben, wo derzeit auch eine Retrospektive des Filmwerks von Frank zu sehen ist. In der benachbarten Albertina ist – bis 21. 1. 2018 – eine Ausstellung der Fotoarbeiten Franks zu sehen.

Wie erkennt man eine gute Fotografie, erkundigt sich einmal Laura Israel, die seit über 20 Jahren Franks Filme schneidet, bei ihrem Protagonisten. Wenn das Foto scharf ist, ist das schon einmal gut. Die besten seiner Fotos schoss Frank aus der Hüfte, um zu verhindern, dass seine Modelle die Kamera entdecken und sich beobachtet fühlen. Das könnte man auch anders sehen.

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