Jörg Dräger: „Digitaler Bildungs-Tsunami wird kommen“
Die zunehmende Digitalisierung bringt enorme Chancen im Bildungsbereich, sagt der deutsche Bildungsexperte Jörg Dräger.
Innsbruck –Mit eindrucksvollen Beispielen untermauerte gestern der deutsche Bildungsexperte Jörg Dräger, Vorsitzender der Bertelsmann-Stiftung, wie sich Digitalisierung im Bildungsbereich nutzen lässt. „Der digitale Bildungs-Tsunami kommt“, ist Dräger überzeugt. Man müsse Digitalisierung in der Bildung nun bestmöglich einsetzen.
Da wäre etwa das Beispiel einer 12-Jährigen aus Pakistan. Sie war eine von mehr als 160.000 Personen weltweit, die das Angebot eines Professors der renommierten Eliteuniversität Stanford annahm, seine Vorlesungen zu künstlicher Intelligenz online und kostenlos zu verfolgen. Sie absolvierte schließlich wie 20.000 andere „Online-Studenten“ auch erfolgreich die Prüfung.
Oder das Beispiel einer US-Schule in einer sozialen Problemregion. In einem ersten Schritt integrierte sie digitale Lerninhalte in den Unterricht, zum Beispiel Online-Videos oder Lernspiele. Mittels einer Software wurde in einem zweiten Schritt das Lernverhalten der Schüler analysiert und ausgewertet. Mit der Folge, dass mittlerweile jeder Schüler jeden Tag aufs Neue seinen individuellen Lernplan erhält, wie Dräger ausführte.
Oder das Beispiel einer US-Universität, der es gelang, mittels einer Software den Studenten die Möglichkeit zu geben, sich aus dem Angebots-Dschungel das für die individuellen Fähigkeiten und Interessen erfolgversprechendste Studium auszuwählen. Mit der Folge, dass die Zahl jener Studenten, die ihr Studium in der Regelzeit erfolgreich absolvierten, um 61 Prozent stieg.
Aus diesen und anderen Beispielen zog Dräger Schlüsse, wie die Digitalisierung dem Bildungssektor nutzen könne. „Durch die Digitalisierung kann das Lernen viel individueller gestaltet werden“, sagt Dräger. Digitalisierung führe auch zur Demokratisierung der Bildung, weil sie viel mehr Menschen Zugang zu Bildung ermöglicht. Auch könne die Lernmotivation verbessert werden und jedem einzelnen eine Orientierung in einem Dschungel an Bildungsangeboten bieten. Lehrer und Professoren hätten durch Digitalisierung mehr Zeit, sich mit Schülern und Studenten zu beschäftigen, statt „80-mal den Satz des Pythagoras runterzubeten – denn das kann man mit Videos besser machen“, so Dräger. Das derzeitige Bildungssystem biete Schülern zudem viel zu wenig Raum für Kreativität.
Die Herausforderung der Digitalisierung sei weniger eine technische, sondern eine pädagogische. „Man muss Lehrer und Professoren fortbilden“, betont Dräger. Es gehe um ein Miteinander von Mensch und Maschine. „Teilweise sind Menschen durch Digitalisierung ersetzbar, pauschal aber sicher nicht.“ (mas)