Buch mit Zeitzeugen-Interviews: Erinnern, bevor es zu spät ist
Der frühere Lehrer Heinrich Gritsch veröffentlicht Interviews mit zwanzig Zeitzeugen in einem Sammelband. Am Samstag, den 11. November, wird das Buch in Silz präsentiert.
Von Agnes Dorn
Silz –Die Erinnerungen von Zeitzeugen an die Vorkriegszeit, an den Zweiten Weltkrieg und die Zeit des Wiederaufbaus für die nachfolgenden Generationen aufzuzeichnen und zu bewahren ist ein Vorhaben, für das nicht mehr allzu viel Zeit bleibt, denn die Zeugen dieser längst vergangenen Tage werden immer weniger. Ihre Erinnerungen in einem Buch zu erhalten, hat sich daher der Silzer Autor und pensionierte Lehrer Heinrich Gritsch zur Aufgabe gemacht und nun das Sammelwerk „Letzte Zeugen erinnern“ im Eigenverlag herausgegeben.
Das knapp 300 Seiten starke Buch, das mit zahlreichen Fotografien bereichert ist, gibt Erinnerungen an die erste Hälfte des vergangenen Jahrhunderts aus verschiedenen Perspektiven wieder: Die Bewohnerin eines Flüchtlingslagers, ein Offizier der Wehrmacht, eine Jüdin, ein Südtiroler Optant – die Geschichten, die die Porträtierten im gerade erschienenen Buch von Heinrich Gritsch erzählen, könnten unterschiedlicher nicht sein. Rund die Hälfte der Interviewten sind Frauen und auch bei den Männern finden sich keine Kriegshelden, sondern im Gegenteil: „Uns junge Menschen hat man zu Mördern erzogen“, lässt ein ehemaliger Offizier der Wehrmacht im Interview mit Gritsch seine Erlebnisse Revue passieren.
Es sind keine routinierten Erzählungen, die sich im Buch wiederfinden, denn viele der Zeitzeugen haben überhaupt zum ersten Mal die Gelegenheit ergriffen, ihre Erinnerungen jemandem mitzuteilen. „Es ist nicht nur mir ein Bedürfnis, die Geschichten zu veröffentlichen, sondern ihnen liegt das auch sehr am Herzen“, weiß Gritsch vom Bedürfnis nach Mitteilung seiner Interviewpartner zu berichten und hofft darauf, dass das Buch auf vielen Wegen zu seinen Lesern findet, wie zum Beispiel als Gabe zur Jungbürgerfeier.
Außerdem würde sich der Autor wünschen, dass noch andere Menschen die Aufgabe übernehmen, Zeitzeugen zu interviewen. Mit dem Silzer Ortschronisten Wolfgang Schöpf hat er schon einen Begeisterten gefunden, der die Idee ebenfalls aufgreifen wird.
Sein erstes Interview hat Heinrich Gritsch in seiner unmittelbaren Umgebung geführt und dann immer weitere Kreise gezogen. Über Mötz, Haiming, Roppen, Ischgl, Fließ und Innsbruck sowie bis ins Unterland, nach Osttirol, zu Südtiroler Optanten, in die Steiermark und nach Wien hat ihn sein Verlangen zur Dokumentation der Zeitzeugnisse dann geführt. Das Konzept, nach dem er die Interviews führte, hatte Gritsch bereits im Vorfeld in der Tasche, denn die insgesamt über 1800 Jahre Lebenserfahrung, über die seine Interviewpartner verfügen, mussten irgendwie gefiltert werden. Zunächst holte er sie dort ab, wo sie sich derzeit befinden, und ließ sie von ihrer Gegenwart erzählen. Erst danach befragte er sie gezielt zu ihren Erinnerungen an die Kriegszeit.
Ihr späteres Leben raffte er zusammen, wobei er zusätzliches Augenmerk darauf legte, was die im Durchschnitt 90-Jährigen über aktuelle Themen zu sagen haben. Denn eines vereint die Interviewten ganz klar, wie Gritsch betont: „Sie sehen den Frieden als höchsten Wert und wollen auf keinen Fall mehr einen Führer.“ Die derzeitige Krise der Europäischen Union und die wieder erstarkenden Nationalismen beobachten sie daher zumeist mit Sorge, wie Gritsch erklärt.
Am 11. November wird der Schauspieler Dietmar Mößmer um 16 Uhr im Silzer Gemeindesaal Passagen aus dem Buch vorlesen, musikalisch unterstützt wird er dabei von der Bläsergruppe der Musikkapelle Silz. Der Reinerlös aus dem Buchverkauf geht an die Caritas Tirol für konkrete soziale Projekte im In- und Ausland.