Sportpolitik

Schröcksnadel-Kritik am Bergisel: „Ambiente wie in Nachkriegszeit“

Um klare Worte nicht verlegen, auch wenn diese mitunter Widerspruch hervorrufen – ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel kritisiert die Stadt Innsbruck, da aus seiner Sicht fällige Investitionen ausbleiben: „Nein, nicht wir – die Politik blamiert sich!“
© EXPA/ Feichter

Eigentlich wollte ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel (75) gestern die vom Verband finanzierte Bergisel-Eisspur präsentieren. Aber dann platzte dem Tiroler doch der Kragen, als es um die nordische Ski-WM 2019 ging.

Wir stehen hier an einem historischen Ort, im Februar 2019 Schauplatz der nordischen Ski-WM. Was die Adaptierung des Berg­isel anbelangt, sind aber noch finanzielle Fragen unbeantwortet.

Schröcksnadel: Die Situation in Seefeld ist geregelt, auch wenn noch nicht die ganze Zusage vom Bund eingetroffen ist. Für den Umbau am Bergisel gibt es Zusagen von Bund und Land, von der Stadt gar nichts.

Und doch steckten Sie unlängst 350.000 Euro in die Installation der neuen Eisspur im Anlauf.

Schröcksnadel: Wir haben die neue Eisspur installiert und bezahlt, weil wir nicht mehr auf Zusagen warten konnten und die Athleten dadurch einen Nachteil hätten. Wir machten das auf unser Risiko: Sollten wir Förderungen dafür bekommen, wären wir froh, denn dieses Geld gehört eigentlich in den Sport. Es ist nämlich nicht Aufgabe des Verbandes, eine Sportstätte zu bauen — kein Fußballplatz wird vom Verein bezahlt.

Das Verhältnis Peter Schröcksnadel und ÖSV zu Innsbrucks Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer ist seit der Rückübernahme des Patscherkofel nicht unbelastet. Sind Dissonanzen von damals neuerlich spürbar?

Schröcksnadel: Nein, man muss das Thema völlig wertneutral sehen. Die Stadt fuhr früher mit dem Bergisel Riesenverluste ein, jetzt haben wir den Betrieb über und Innsbruck verdient durch unsere Abgaben bei Veranstaltungen 250.000 Euro. Klar haben auch wir Einnahmen, aber wir können nicht das Stadion finanzieren. Wir erhalten die Anlage ja ohnehin, obwohl: In vielen Fällen ist es auch so, dass so etwas die öffentliche Hand übernimmt.

Ihre Forderung geht über die Refinanzierung der Anlaufspur hinaus, das Stadion soll hinsichtlich der WM attraktiviert werden.

Schröcksnadel: Genau! Seit 1976 ist der Bergisel quasi unverändert, es herrschen katastrophale Toiletten-Zustände. Der Internationale Skiverband hätte das Stadion schon um 2000, als wir es übernommen haben, nicht mehr abgenommen. Deshalb erfolgte der Schanzenumbau, für den ich mich eingesetzt habe.

Für die sportlichen Belange engagierte sich der Österreichische Skiverband, jetzt geht es ums Rundherum.

Schröcksnadel: Wenn wir das bei der WM herzeigen (deutet ins Stadion, Anm.) — mit so einem desolaten Stadion, wo nicht einmal die Stufen gleich hoch sind, blamieren wir uns. Nein, nicht wir, die Politik blamiert sich. Für uns vom Skiverband macht das keinen Unterschied, aber wollen wir das wirklich der Welt zeigen? Polen, Slowenien, dort ist alles zehnmal so gut, da sind wir Armenhäusler, das haben wir alles nicht. Aber unsere Sportler sollen Erfolge haben, da stehen dann die Politiker daneben. Das Ambiente bei uns erinnert an die Nachkriegszeit.

Auch von einer Flutlichtanlage — mobil oder fix installiert — war die Rede.

Schröcksnadel: Die WM wäre eine Möglichkeit, das Flutlicht hätte uns auch für die Tournee viele Möglichkeiten eröffnet (Abendspringen, Anm.). Aber die Anrainer sind dagegen.

Kritik mancher Anrainer gibt es auch, was die massiven Umbauarbeiten in Seefeld anbelangt.

Schröcksnadel: Der sportliche Bereich muss gemacht werden, Loipen sind vorgegeben. Du erntest ohnehin immer Kritik, wenn du etwas baust. Dabei wird dort ja nichts beschädigt, aber es ist halt immer so: Bei Großereignissen hast du Gegner, mit denen muss man leben. Ich glaube, wenn das Areal dort renaturiert ist, passiert nichts, die Öffentlichkeit nützt ja die Loipen auch.

Stichwort Gegenwind: Waren Sie vom Gegenwind, was die Olympia-Bewerbung Tirols im Jahr 2026 anbelangt, überrascht?

Schröcksnadel: Für den Sport ging viel verloren, und da spreche ich nicht von Tourismus und Geschäft, sondern vom Nachwuchs. Man hätte Sportstätten adaptieren können, wenn ich etwa an Natters (Schanzenanlage, Anm.) denke. Eigentlich eine Schande, dass der Sport immer betteln gehen muss.

Der Sport in Österreich steht demnächst wieder auf neuen Beinen. Minister Hans Peter Doskozil (SP) geht ins Burgenland zurück, wieder kommt ein neuer Verantwortlicher.

Schröcksnadel: Kaum hat man eine Struktur, wird wieder daran gesägt. Doskozil hat es geschafft, den Sport selbstbestimmt und unabhängig von der Politik zu gestalten. Würde man das jetzt zurücknehmen, wäre das ein Rückfall wie vor 30 Jahren, wo der Minister entscheidet: Wer bekommt Geld, wer nicht. Dann wären wir wieder Staatssport. Ich finde das neue Konzept mit der Bundessport GmbH gut (Präsentation kommende Woche, Anm.). Es handelt sich um den ersten richtigen Versuch, Sport ohne politischen Einfluss zu gestalten.

Sie betonten das auch immer, wenn es um Ihren Nachfolger als ÖSV-Präsident geht. Das müsse einer sein, der unabhängig entscheidet.

Schröcksnadel: Genau daran arbeiten wir, das ist das Ziel. Wir suchen schon und ich kenne auch meinen Zeithorizont, gebe ihn aber nicht bekannt. Bei der nordischen Ski-WM in Seefeld bin ich noch Präsident ?

Denken Sie in Olympiaden (Zeitraum von vier Jahren, Anm.) oder in WM-Intervallen (zwei Jahre, Anm.)?

Schröcksnadel: Das sage ich nicht, aber es gibt ja auch noch das Ziel, die alpine Ski-WM 2023 nach Saalbach zu bringen. Da wird man mein Know-how brauchen.

Weil Sie von Erfahrung sprechen: Wie beurteilen Sie die politische Situation vor Ihren mittlerweile achten Olympischen Winterspielen in Pyeongchang (Februar 2018, Anm.) im Zusammenhang mit Nordkorea?

Schröcksnadel: Wir hatten kürzlich ein Gespräch mit dem chinesischen Botschafter: Er meinte, es seien zu viele Nationen in Südkorea, die ein großes Interesse haben, dass dort nichts passiert.

Zurück nach Europa: Der alpine Ski-Weltcup geht am Wochenende in Levi (FIN) weiter. Marcel Hirschers Teilnahme wackelt, er war wie andere verletzt. Beunruhigt Sie die Serie an Operationen in Ihrem Lager?

Schröcksnadel: Das betrifft ja nicht nur uns, auch andere Nationen. Ich glaube, dass das Material so weit ausgereizt ist, dass es solche Auswirkungen hat. Bereits der geringste Fehler führt dann zur Verletzung.

Plädieren Sie für einen Schritt zurück?

Schröcksnadel: Nein, aber wir wollen dem auf den Grund gehen. Es wird jeder Athlet, jede Bindung, jeder Ski und jeder Schuh nachvermessen — die wahre Ursache kennen wir nicht. Ich orte das Problem im Schuhbereich, aber auch die Bindungen sind ein Thema. Die sind alle zu (fest verschlossen, Anm.). Wir haben die Trainer bereits veranlasst, vor allem im Training darauf einzugehen. Das Risiko erscheint mir geringer, wenn die Bindung von selbst aufgeht, auch wenn das bei der Fahrt passiert.

Von Risiko ist auch die Rede, wenn es um Lindsey Vonns anvisierten Start in einem Herren-Rennen geht.

Schröcksnadel: Ich bin dafür, dass sie startet, ich bin für diese Promotion-Geschichte. Aber auf einer Männer-Strecke wie Gröden, nicht auf einer Damenstrecke.

Das Gespräch führte Florian Madl

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