Bezirk Reutte

Highline 179: Rutschpartie endete vor Gericht

Himmelsgehänge: Die Highline 179 ist der Publikumsmagnet in der Marktgemeinde Reutte.
© Mittermayr

Schon der Weg zur Highline 179 kann zur Mutprobe werden, wie ein Sturz mit Folgen nun zeigt. Die Verantwortung wurde wie beim Pingpongspiel hin- und hergeschoben.

Von Helmut Mittermayr

Reutte –Die Highline 179, eine der längsten Hängebrücken weltweit, ist eine Touristenattraktion ersten Ranges und zieht Gäste aus nah und fern magisch an. Jeder will die Aussicht von der Brücke und das lustvolle Kribbeln beim Überqueren der Stahlkonstruktion erleben; eine ursprünglich aus Reutte stammende Touristin musste erfahren, dass nicht die Brücke selbst eine Mutprobe darstellt, sondern der Gehweg zu dieser. Die Dame machte sich an einem Februartag des Jahres 2015 einige Monate nach Eröffnung der Highline 179 auf, um diese zu beschreiten. Sie hatte auf der Brücke bereits Besucher gesehen und war der Meinung, dass man über den Zugangsweg problemlos zur Brücke hinaufgelangen könne. Sie folgte den Hinweisschildern zur Brücke und begab sich sodann auf den Weg, der von der Klause zur Hängebrücke führt. Es lag Schnee, der Weg war jedoch nicht gesperrt, wenn auch Warnschilder auf Rutschgefahr hinwiesen.

Im Verlauf des Aufstiegs bemerkt­e die Touristin, dass der Weg immer rutschiger und gefährlicher wurde. Als sie etwa die Hälfte des Weges zurückgelegt hatte, musste sie feststellen, dass dieser immer steiler wurde, auch nahm die Glätte zu. Als sie wahrnahm, wie ein holländisches Ehepaar, das in die Gegenrichtung unterwegs war, ausrutschte, setzte sie den Weg umso vorsichtiger fort und entschloss sich knapp vor Erreichen des Zieles, umzukehren. Beim Hinuntergehen rutschte sie dann selbst aus und stürzte zu Boden. Sie schlug mit dem linken Ellenbogengelenk auf dem gefrorenen Boden auf und erlitt eine massive Bruchverletzung. Sie wurde aufgrund der sofort auftretenden, starken Schmerzen fast bewusstlos, konnte aber schließlich den ebenerdigen Bereich um die Klause erreichen. Die Genesung erwies sich als schwierig und lang dauernd. Die Touristin wollte dieses Ereignis nicht auf sich beruhen lassen, zumal sie aufgrund des aufrechten Betriebes der Brücke davon ausgehen durfte, auch einigermaßen gefahrlos dorthin zu gelangen. Sie kontaktierte Rechtsanwalt Christian Pichler aus Reutte, um Schadenersatzansprüche geltend zu machen. Bis zur endgültigen Klärung sollten dann zweieinhalb Jahre vergehen.

Der Anwalt wandte sich zuerst an den Betreiber der Highline, dessen Haftpflichtversicherung lehnte alle Ansprüche mit der Begründung ab, dass die Schneeräumung und Wartung des Zugangsweges in dritte Hände gelegt worden sei und somit keine Pflichtverletzung des betreibenden Unternehmers vorläge. Die Institutionen, die nach diesen Angaben verantwortlich gewesen sein sollten, schoben sich wieder wechselseitig ein Verschulden zu, sodass der Anwalt schließlich wiederum auf den Betreiber zurückgriff, der vorvertragliche Sorgfaltspflichten zu verantworten hatte. Pichler reichte die Klage beim Bezirksgericht Reutte ein und argumentierte, dass die Touristin den Aufstieg zur Brücke wagen durfte, weil der Weg nicht gesperrt war und sie ordnungsgemäßes Winterschuhwerk trug. Er zeigte auf, dass die Strategie der beklagten Partei, die Verantwortung gleichsam nach dem Pingpongsystem anderen zuzuschieben, nicht entlasten könne, weil eine klare Regelung der Streu- und Räumtätigkeit gar nicht getroffen worden sei.

Nach einem umfangreichen Beweisverfahren vor dem Bezirksgericht Reutte stellte sich nun heraus, dass zumindest zur damaligen Zeit die Organisation der Schneeräumung einigermaßen chaotisch erfolgt ist. Während am Beginn des Betriebes der Highline 179 noch ein Fachmann selbstständig die Räumung und Streuung des Weges betrieben hatte, wurde bald danach diese Vorgehensweise geändert und der Räum­unternehmer angewiesen, dass nur noch auf Aufforderung bzw. einmal täglich ein Einsatz des Schneeräumers stattfinden sollte. Im Resultat oblag es dem Hausmeister des Burgenvereines, zu kontrollieren, ob Räumtätigkeiten nötig waren oder nicht. Aufzeichnungen über dessen Tätigkeiten existierten nicht.

Das Gericht stellte deshalb fest, dass die beklagte Partei, das Unternehmen, das die Highline 179 betreibt, ein Organisationsverschulden zu vertreten habe. Die ordnungsgemäße Räumung und Sicherung des Weges zur Brücke war nämlich in der Winterzeit zumindest damals in keiner Weise gegeben. Damit begründete das Gericht eine Haftung des Unternehmens.

Der Touristin selbst wurde ein Mitverschulden dadurch angelastet, dass sie trotz des Erkennens der Glätte ihren Weg fortgesetzt hatte und nicht sogleich umgekehrt war. Im Ergebnis erhielt sie 50 Prozent der eingeforderten Schmerzengeldsumme zugesprochen.

Die Verantwortlichen des Betriebes der Hängebrücke reagierten und organisierten die Schneeräumung im Winter nunmehr wiederum in akzeptabler und ausreichender Form. Christian Pichler meint abschließend: „Für die Touristin, die nach wie vor an den Folgen des Sturzes leidet, bringt das Urteil die Genugtuung, dass sie Schadenersatz erhält und zudem die Organisatoren der Highline 179 wachrüttelte, damit in Zukunft derartige Unfälle vermieden werden können.“

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