Mögliches Aus für Rauchverbot: Widerstand wächst
ÖVP und FPÖ könnten das vor langer Zeit beschlossene Rauchverbot in der Gastronomie, das im Mai 2018 in Kraft treten sollte, kippen. Während die Pläne noch nicht offiziell bestätigt sind, schlagen Ärzte und Beratungsstellen bereits Alarm.
Wien – Die Koalitionsverhandlungen werden Freitagnachmittag auf Spitzenebene fortgesetzt. ÖVP-Obmann Sebastian Kurz und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache treffen sich um 16 Uhr im Palais Epstein. Besprochen werden dabei die Cluster-Zwischenergebnisse sowie „Leuchtturmprojekte“.
Thematisch drang aus Verhandlerkreisen im Vorfeld der Gespräche am Nachmittag wenig nach außen. Medial spekuliert wurde in den vergangenen Tagen über eine - von der FPÖ geforderte - Rücknahme des geplanten generellen Rauchverbots in der Gastronomie. Offiziell bestätigt wurde dies weder von der ÖVP noch von der FPÖ.
Widerstand gegen schwarz-blaue Pläne
Gegen das angeblich von FPÖ und ÖVP verhandelte Aus für das generelle Rauchverbot ab Mai 2018 formiert sich bereits Widerstand. Gegner des blauen Qualms in Lokalen warnten am Freitag davor, beim Nichtraucherschutz einen Schritt zurück zu machen, auch unter Wirten wäre es nicht unumstritten, würde das generelle Rauchverbot wieder gekippt.
Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) erklärte, die rauchfreie Gastronomie in Österreich, die 2015 von der ÖVP und Sebastian Kurz mitbeschlossen wurde, sei aus gesundheitspolitischer Sicht ein Erfolg. „Ein Zick-Zack-Kurs der ÖVP wäre ein massiver Rückschritt.“ Die Rauchverbote in anderen Ländern würden einen positiven Trend bei Atemwegserkrankungen, Herzinfarkten und Frühgeburten zeigen.
„Es wäre völlig unverständlich und medizinisch unverantwortlich, die endlich begonnene Trendwende jetzt plötzlich wieder umzukehren und nachhaltig zu vernichten,“ erklärte der Mediziner und Krebshilfe-Präsident Paul Sevelda. Rauchen sei für ein Drittel aller Krebserkrankungen verantwortlich. Die Initiative „Don‘t smoke“ verfolge die Koalitionsverhandlungen mit großer Sorge.
Lungenfachärzte machen für Rauchverbot mobil
Die Gerüchte, dass die an den Regierungsverhandlungen beteiligten Parteien ÖVP und FPÖ womöglich das für 1. Mai 2018 geplante Rauchverbot in der Gastronomie kippen, haben die heimischen Lungenfachärzte auf den Plan gerufen. In einer Aussendung forderten sie am Freitag die Umsetzung des Verbots.
„Die erwartbaren positiven Effekte eines generellen Rauchverbotes in der Gastronomie sind für die Gesundheit der Menschen so bedeutend und so vielfältig, dass ein Kippen des für 2018 geplanten Rauchverbots nicht in Frage kommen darf“, sagte Peter Schenk, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP). „Irland und Italien zeigen, dass es durch eine solche Maßnahme bei Aktiv- und bei Passivrauchern zu einer raschen Reduktion von kardiovaskulären Ereignissen kommt - bis hin zum Herzinfarkt.“
Die ÖGP verwies dazu auf eine „Vielzahl langfristiger positiver Effekte auf die Gesundheit der Menschen“ und nannte als Beispiel „weniger Lungenkrebs- und COPD-Neuerkrankungen“. Die ÖGP weiter: „Es werden auch weniger Kinder geboren werden, deren Körpergröße aufgrund des – aktiven oder passiven – Rauchens der Mutter während der Schwangerschaft zu gering ist.“
Krebshilfe: „Irrsinn“ stoppen
Österreichische Krebshilfe und die Österreichische Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (OeGHO) die Regierungsverhandler zur Besinnung aufgerufen. Ein Kippen wäre „völlig unverständlich und medizinisch unverantwortlich“, sagte Krebshilfe-Präsident Paul Sevelda.
„Die 2015 beschlossene Novelle des Tabakgesetzes war ein Meilenstein in der österreichischen Gesundheitspolitik“, hieß es in einer Aussendung der beiden Organisationen. Der einzige Wermutstropfen sei die lange Wartezeit auf das Inkrafttreten des Gesetzes 2018 gewesen.
Sevelda machte darauf aufmerksam, dass Rauchen für ein Drittel aller Krebserkrankungen verantwortlich sei – „das sind in absoluten Zahlen jährlich 13.000 Neuerkrankungen in Österreich“. Gut ein Drittel davon würden auf Lungenkrebs entfallen. „Eine Aufweichung des Nichtraucherschutzes bedeutet nicht nur einen Rückschritt, sondern vor allem eine massive Bedrohung der Gesundheit für die österreichische Bevölkerung – insbesondere der Jugend. Deshalb fordern wir diesen Irrsinn nicht vorzunehmen: Das Nichtrauchergesetz muss bleiben“, betonte der Krebshilfe-Präsident.
Fachstelle weist auf lange Übergangszeit hin
Kein Verständnis dafür, das 2015 beschlossene Tabakgesetz wieder aufzuheben, hat auch die Fachstelle für Suchtpräventation Vivid. „Die Übergangszeit waren also knapp drei Jahre. Diese außergewöhnlich lange Frist gab allen Beteiligten ausreichend Zeit, sich darauf einzustellen“, heißt es in einer Aussendung. Für Geschäftsführerin Claudia Kahr „ist offensichtlich, dass das derzeitige Gesetz zum Nichtraucherschutz nicht funktioniert.“ Österreich sei seit 2007 das EU-Land mit den schlechtesten Gesetzen zu Tabak, verwies sie auf das Ranking „European Tobacco Control Scale“.
Unter Wirten gibt keine einhellige Meinung zum Thema Rauchen. Die „Initiative für einen gesunden Wettbewerb in der Gastronomie“, der laut Eigenangaben 15 Lokale angehören, spricht sich für einheitliche Rahmenbedingungen für alle Wirte aus, denn die derzeitigen Regeln würden von vielen Gastronomen gebrochen, wie Sprecher Peter Tappler zur APA sagte. „Ich bin mir zu hundert Prozent sicher, die Mehrheit ist für das Rauchverbot, denn kein Wirt will sich schon wieder mit einer Änderung herumschlagen müssen.“ Ein generelles Rauchverbot bedeute auch Chancengleichheit für alle Gastronomen.
Gastronomen für und gegen Rauchverbot
Als Gegner des Rauchergesetzes ist auch immer wieder der Gründer von Wein & Co., Heinz Kammerer, aufgetreten. 2015 führte er eine Umfrage unter seinen Gästen durch. 75 Prozent waren dafür, das erst ab 2018 geltende Rauchverbot schon sobald wie möglich umzusetzen. Seit Juli 2015 sind die Lokale des Weinhändlers rauchfrei.
Ein klarer Verfechter des Rauchens ist hingegen der Wiener Gastronom Heinz Pollischansky. Ein Aus für das geplante generelle Rauchverbot „wäre das Überleben für die Wirte“, so Pollischansky. Aus seiner Sicht würde das Verbot vor allem die Kleinen treffen. Pollischansky forderte, zur Regelung von 2008 zurückzukehren, dass Wirte wieder entscheiden können, ob sie ein Raucher- oder Nichtraucherlokal führen wollen. Die ÖVP-Ansage im Wahlkampf, Bürokratie abbauen zu wollen, habe er in diese Richtung interpretiert, so Pollischansky.
Der Obmann des Gastronomie-Fachverband in der Wirtschaftskammer, Mario Pulker, geht davon aus, dass die FPÖ ihr Wahlversprechen einhalten wird und sich auch die ÖVP als Wirtschaftspartei den Wünschen der Wirte nicht verschließt, wie er zur APA sagte. Das generelle Rauchverbot sei 2015 auf starkes Drängen der SPÖ beschlossen worden, man dürfe Gesundheitspolitik aber nicht auf dem Rücken der Wirte machen, so der Interessensvertreter, der laut eigenen Angaben selbst ein Nichtraucherlokal betreibt. Pulker befürchtet allerdings, dass vor allem am Land Gäste vom Wirtshaus in Vereinshäuser abwandern würden. (TT.com/APA)
Rauchverbot in der Gastronomie in der EU
In allen 28 EU-Staaten gibt es Rauchverbote, nicht zuletzt auch, weil im Jahr 2009 in Brüssel eine Resolution verabschiedet wurde, die alle Mitglieder aufforderte, bis 2012 im gesamten öffentlichen Raum in Gebäuden für Rauchfreiheit zu sorgen. Einheitlich sind die Rauchverbote in der Gastronomie aber nicht, jedoch dominieren Regelungen, die keine Ausnahmen wie etwa Raucherräume vorsehen.
Staaten wie Vorreiter Irland brauchten keine Einladung von der EU, um tätig zu werden. Dort ist das generelle Rauchverbot in geschlossenen öffentlichen Räumen und an allen Arbeitsplätzen, also auch in allen Pubs und Restaurants, bereits seit dem 29. März 2004 Realität. Ein Jahr später folgte Italien, wo seit dem Jänner 2005 der Rauchstopp in öffentlichen Gebäuden und in der Gastronomie gilt – hier sind Raucherbereiche zwar möglich, werden aber aufgrund der strikten Auflagen kaum in Anspruch genommen.
Es gibt aber auch EU-Staaten, wo weiterhin Rauchverbote mit Ausnahmen gelten. So gab es in Deutschland den umfassenden Schutz vor den Gefahren des Rauchens nur in den Gaststätten Bayerns, Nordrhein-Westfalen und des Saarlandes. In den übrigen Bundesländern gibt es nach wie unterschiedliche Regelungen, wenn jedoch geraucht werden darf, dann dürfen Gaststätten erst ab 18 Jahren betreten werden.