Die Zukunft im Anzug
Wer meint, mit einem Elektro-Auto die Technik der Zukunft zu fahren, hinkt tatsächlich bereits hinterher – die Brennstoffzelle ist schon ein Stück weiter, wie Honda mit dem Clarity eindrucksvoll belegt.
Von Stefan Pabeschitz
Sooß –Die Elektrifizierung mag zwar langfristig kommen – am Ende aber kaum mit den in Ladezeiten und Reichweiten eingeschränkten Batterie-Autos. Die Alternative machte bereits vor fünfzehn Jahren von sich reden – schaffte es wegen technischer Schwierigkeiten aber damals nicht in die Serienproduktion: die Brennstoffzelle. Sie stellt aus Wasserstoff durch chemische Reaktion den Strom zum Fahren an Bord her.
Von der Vorgängergeneration des Clarity zum neuen Modell ist die Zelle bei gleicher Leistung um mehr als ein Drittel kleiner geworden und nun etwa so groß wie ein Kabinen-Gepäckstück fürs Flugzeug. Untergebracht ist sie zusammen mit dem Elektromotor und der Regeltechnik unter der vorderen Haube, während je ein Tank hinter und unter der Rücksitzbank sitzt. Bis dato das einzige Manko der Brennstoffzellen-Autos: Die Ausführung als Hochdruck-Speicher bedingt eine zylindrische Form. Er kann also nicht individuell geformt und der Umgebung im Fahrzeug-inneren angepasst werden. Daher ist der Platzbedarf groß – und der Kofferraum für eine Limousine mit 4,9 Metern Länge ziemlich bescheiden: 334 Liter Ladevolumen ist weniger, als etwa ein aktueller VW Polo bietet. Der Passagierraum für fünf Personen ist dagegen außerordentlich geräumig und komfortabel, mit allen digitalen Raffinessen ausgeführt – und ökologisch nachhaltig zu 80 Prozent aus Recycling-Materialien gefertigt.
In Bedienung und Fahrverhalten ist der Clarity seinen Batterie-elektrischen Verwandten ähnlich – mit ein paar Eigenheiten: Beim Aktivieren des Sytems ist kurz ein föhnartiges Geräusch zu hören – die Restfeuchtigkeit wird vor jedem Start aus der Brennstoffzelle geblasen. Denn ein wasserstoffbetriebenes Autos erzeugt eine einzige Art von Emission: Wasserdampf. Die Fahr-Funktionen Drive, Retourgang oder Neutral werden, wie bei vielen modernen Automatik-Getrieben, auf Knopfdruck angewählt. 176 PS und 300 Newtonmeter Drehmoment sorgen für ordentlichen Vortrieb und etwa 9 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h. Sportlichen Experimenten setzt das Gewicht von knapp 1,9 Tonnen Grenzen, auch ist die Fahrwerksabstimmung betont komfortabel. Das sonst bei Elektrofahrzeugen verbreitete Ziehen an den Vorderrädern und das mangelnde Feedback der deswegen meist stark gedämpften Lenkung kennt der Clarity nicht – Honda hat hier gute Entwicklungsarbeit in Sachen Direktheit und Spurtreue auch beim Beschleunigen geleistet.
Aus dem gemessenen Praxis-Verbrauch von etwas unter einem Kilogramm Wasserstoff je Kilometer ergeben sich über 500 Kilometer Reichweite. Das Betanken dauert nicht länger und ist auch nicht komplizierter als das mit Benzin- oder Diesel-Kraftstoff. Die Kosten sind derzeit ebenfalls in etwa identisch: 9 Euro je Kilogramm Wasserstoff war der Preis beim Tankstopp in Wiener Neudorf nahe Wien.
Der Reichweiten- und Zeit-Vorteil beim Befüllen steht und fällt selbstverständlich mit der Infrastruktur an Wasserstoff-Tankstellen. Derzeit sind es gerade einmal vier in Österreich, in Deutschland etwa fünfzig. Spätestens der bevorstehende Einstieg der deutschen Premium-Hersteller Mercedes und BMW mit eigenen Modellen dürfte den Ausschlag geben, das Netz in Europa kontinuierlich auszubauen. Bis dahin bleibt die Entscheidung für einen Brennstoffzellen-PKW noch ein Zukunfts-Statement. Der Honda Clarity ist vorerst nur für den US-amerikanischen und den japanischen Markt vorgesehen – frühestens 2019 könnte er nach Europa kommen. In den USA kostet er derzeit ab umgerechnet etwa 51.000 Euro, wird aber nur zum Dreijahres-Leasing angeboten – die monatliche Rate beträgt etwa 310 Euro.