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Neuer Pirelli-Kalender: „Alice im Wunderland“ mal anders

Fotograf Tim Walker mit Jaha Dukureh, Duckie Thot und Thando Hopa bei der Präsentation des neuen Pirelli-Kalenders.
© AFP/Angela Weiss

Naomi Campbell, Sean „Diddy“ Combs, Whoopi Goldberg und ein paar umwerfend schöne, schwarze Models: Der Pirelli-Kalender 2018 ist eine Hommage an schwarze Menschen. Fotograf Walker hofft, dass seine Botschaft ankommt.

Von Johannes Schmitt-Tegge undChristina Horsten, dpa

New York – Bis in die Fingerspitzen streckt sie die Pose. Verwunschen wirkend blickt Duckie Thot den Betrachter an, ihr Abbild von einer Fischauge-Linse verzerrt. „Es ist der Eingang“, sagt Fotograf Tim Walker über sein Lieblingsbild im Kalender 2018 des Reifenherstellers Pirelli, der als einer der wichtigsten Gradmesser anspruchsvoller Fotografie gilt. Mit dem Thema „Alice im Wunderland“, dargestellt von ausschließlich schwarzen Protagonisten, hat Walker sich Großes vorgenommen.

Seine 28 Aufnahmen sind im wörtlichen Sinne fantastisch. Es ist eine Traumwelt, eine unwirkliche Szenerie, die Walker in einem nur dreitägigen Shooting in London zum Leben erweckt hat. „Als Fotograf konnte ich Alice nicht noch einmal erzählen, wie ich sie schon eine Million Mal gesehen habe“, sagt Walker. Warum, so habe er sich gedacht, kann Alice nicht auch schwarz sein? Nun beginnt die Erzählung mit Thot, jenem südsudanisch-australischen, gerade einmal 22 Jahre alten Model, das Walker als „unfassbar anmutig“ beschreibt.

1964 hatte der italienische Reifenhersteller Pirelli erstmals einen Kalender herausgebracht und ihn an Freunde des Unternehmens verschenkt. Damals stand noch die erotische Aktfotografie im Vordergrund. Über die Jahre wandelte sich der Kalender zum gesellschaftlichen Gradmesser und zur Messlatte der Fotografie. Jedes Jahr wurden Star-Fotografen und Topmodels engagiert. „Wenn man an den Pirelli-Kalender denkt, bin ich nicht das Gesicht, das einem in den Sinn kommt, das weiß ich“, sagt Schauspielerin Whoopi Goldberg in einem Kurzfilm zum Kalender. „Aber ich weiß auch, dass viele Menschen wollen, dass jemand wie ich dort auftaucht - und hier bin ich.“

30 Jahre hat Pirelli seit der letzten „all black“-Ausgabe gebraucht, auch dazwischen waren Schwarze aber regelmäßig in den Kalendern zu sehen. Neben Nachwuchs-Stars wie Duckie Thot und Adut Akech sind nun das Supermodel NaomiCampbell, die Schauspielerinnen Lupita Nyong‘o und Whoopi Goldberg sowie Rapper Sean „Diddy“ Combs vertreten. „Es spricht Bände darüber, wo wir morgen sein wollen“, sagt der aus Benin stammende Schauspieler Djimon Hounsou („Guardians of theGalaxy Vol 2“), der in die Rolle des Herzkönigs geschlüpft ist, über die politische Botschaft.

Zu wenig Raum für Schwarze in Mode und Fotografie

Auch Galionsfigur Campbell und Fotograf Walker meinen, dass Schwarze in Mode und Fotografie noch zu wenig Raum bekommen. „Wir konzentrieren uns in der Modeindustrie zu sehr auf weiße Models“, sagt Walker. Vor allem in Werbekampagnen für Beauty-Produkte gebe es häufig lediglich Quoten-Mädchen anderer Hautfarbe, „weil es das geben muss“, sagt Campbell. Walker sieht die Branche aber an einem Wendepunkt. Er, der bereits für Namen von Tilda Swinton bis Kate Moss gebucht wurde, will mit dem Kalender zumindest einen „sehr kleinen Satz in einer sehr langen Unterhaltung“ beigetragen haben.

Der Satz mag klein sein – aber er sitzt. Die „Alice“-Erzählung des Autors Lewis Carroll, bekannt vor allem als Disney-Verfilmung, bekommt durch die schwarzen Charaktere einen ganz neuen Dreh. Hounsou geht es auch darum, Vorbild zu sein. Klar geworden sei ihm das, als sein Sohn eines Tages sagte: „Es wäre toll, die Wände hoch zu klettern wie Spiderman, wenn ich weiß wäre.“

„Ich kann nicht sagen, wie sehr einen das schlaucht“

Für Walker, dem „Alice“ als Kind vorgelesen wurde, schließt sich ein Kreis. In jungen Jahren assistierte er Richard Avedon, als dieser für Pirelli am Set stand – nun steht Walkers eigener Name in goldener Blockschrift auf dem Karton. Aus dem Ärmel geschüttelt hat er die großformatige Sammlung nicht gerade: „Ich kann nicht sagen, wie sehr einen das schlaucht“, sagt Walker über das Shooting.

Fotos stellen bloß, sie sind persönlich. Am Set sollen sich die Models so wohl fühlen wie möglich, wie Walker sagt. Er sehe ein, wenn sich jemand nicht sofort locker machen kann:„Ich würde es hassen, fotografiert zu werden.“

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