Schmerz und Leid in Liedern
Innsbruck – Anfang der Neunzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts fanden die Regisseurinnen Catherine Gund und Daresha Kyi die längst totge...
Innsbruck –Anfang der Neunzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts fanden die Regisseurinnen Catherine Gund und Daresha Kyi die längst totgeglaubte Sängerin Chavela Vargas (1917–2012) und füllten mit persönlichen Gesprächen einige Videokassetten, die dann in Vergessenheit gerieten. Chavela, die in den mexikanischen Nachtklubs zwischen der Hauptstadt und Acapulco zum Star geworden war und die Tequila-Flaschen der Bars leergetrunken hatte, lebte in den Jahren vor dem Interview alkoholkrank in Absteigen, konnte sich nicht einmal ein Essen leisten. Aber ihre Weltkarriere sollte erst beginnen. Ohne es zu ahnen, hatte sie mit ihren Ranchero-Liedern über Einsamkeit und Schmerz Pedro Almodóvar zu einigen seiner Filme („Kika“) inspiriert, ihre Platten eroberten Spitzenplätze in den Hitparaden, doch für die Branche existierte sie nicht. Die Missachtung der Produzenten erklärt sie mit einem Lachen: „Sie hassten mich, weil ich ihnen ihre Frauen ausspannte.“
Die Abgründe der homophoben Musikindustrie sind für die Regisseurinnen kein Thema. Chronologisch rollen sie die Biografie der Sängerin auf, die von den Eltern wegen ihres Aussehens versteckt wurde, die mit ihren Eroberungen (Frida Kahlo, Ava Gardner) prahlt, aber nie lesbisch sein wollte, da „Lesbe“ ein Schimpfwort war. Erst nach ihrer Ankunft in Europa, als Pedro Almodóvar für sie große Bühnenauftritte organisierte, erfuhr sie, dass sie auch als Kämpferin für sexuelle Freiheit gefeiert wurde. Diese ironische Wendung konnte sie dann noch fast 20 Jahre lang genießen. (p. a.)