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Der Kern-Wahlkampf: Eine Nachlese des Scheiterns

#kernunterwegs: SPÖ-Spitzenkandidat Christian Kern beim Auftakt seiner Wahlkampftour.

Wer von Wahlkampfanalysen noch nicht genug hat, dem sei Markus Hubers Longread über die SPÖ und ihren Spitzenkandidaten empfohlen.

Von Carmen Baumgartner-Pötz

Wien — Wenn man ein Buch nicht mehr aus der Hand legen kann, weil man auf der ersten Seite bereits total hineinkippt und dem Stil des Schreibers verfällt, dann kann man das als gutes Zeichen werten. Und nein, hier ist nicht die Rede von einem Krimi, sondern von einer politischen Analyse — wobei das in diesem Fall durchaus vergleichbar ist. Denn es geht um den „absurden Wahlkampf" (so die vielsagende Unterzeile am Cover) von Noch-Kanzler Christian Kern. Anders als beim Krimi ist es aber so: Auch wenn man das Ende bereits kennt, tut das der Spannung beim Lesen keinen Abbruch. Aus mehreren Gründen.

"Die letzte Ausfahrt" (115 Seiten) ist um 7 Euro erhältlich: Bestellungen an redaktion@fleischmagazin.at
© Fleisch/Ingo Pertramer

Da ist zum ersten der besondere Blickwinkel. Man kennt das aus der US-Medienszene: Journalisten, die ins Geschehen „embedded", also eingebettet werden und so viel mehr erfahren, als auf herkömmliche Rechercheweise möglich ist. Der Begriff wurde im Irak-Krieg erstmals genutzt und geprägt und findet auch Verwendung, wenn Journalisten ganz nahe an Politiker herankommen und dann aus dieser Perspektive berichten. Markus Huber, ehemaliger Innenpolitik-Journalist und nun Herausgeber des Magazins Fleisch, hat harte, intensive Wochen hinter sich. Er war mit Kern so gut wie pausenlos unterwegs, unter anderem in dessen Wahlkampfbus (in den irgendwann doch ein Vorhang eingezogen wurde, warum, soll hier nicht verraten werden), und konnte so einen besonderen Blick hinter die Kulissen werfen. Das ist in dieser Form hierzulande eine Seltenheit. So erfährt man von deprimierenden Fahrten in die Provinz (noch schlimmer, als man sich das ohnehin schon vorstellen mag), darüber, wie Kern seine Emotionen absolut unter Kontrolle hat und welche Rolle seine Frau spielt.

Die kritische Distanz: Eingebettete Journalisten haben das Problem, dass sie nur eine Seite der Geschichte sehen (die dafür sehr intensiv), und laufen damit Gefahr, sich mit der Sache gemein zu machen. Huber weiß das und spricht auch dezidiert an, was es mit einem macht, wenn man bei den täglichen Morgenbriefings des Wahlkampfteams dabei ist und gezwungenermaßen auch mit einer Partei mitleidet, wenn es nicht so gut läuft. Im Fall der SPÖ also über mehrere Wochen.

„Der wahrscheinlich beste Bundeskanzler, den Österreich seit Langem hatte, und gleichzeitig die traurigste Kanzlerfigur seit Fred Sinowatz", zu diesem Befund kommt der Autor in seinem knapp 100 Seiten langen Büchlein. Und obwohl der Ton gegenüber Kern relativ freundlich bleibt, ist das Buch keine Anbiederung an den SPÖ-Chef geworden. Dass Kern als Kanzler und im Wahlkampf scheitern musste, und das auch noch hauptsächlich an sich selbst, konnte laut Huber gar nicht anders kommen: „Weil Christian Kern der Typ Mensch ist, von dem wir gerne hätten, dass er in die Politik geht (klug, dynamisch, nachdenklich, nicht auf die Pointe aus), aber wenn diese Typen dann in der Politik sind, dann sind sie für die meisten viel zu kompliziert und deshalb einfach nicht mehrheitsfähig", analysiert der Autor. Damit wird der SPÖ-Chef aber nicht gütlich entlassen: Die vielen anderen Fehler, die sonst noch in dem „absurden Wahlkampf" passiert sind, kommen ebenfalls zur Sprache.