Felssturz in Vals

Angespannte Lage in Vals: Minütlich donnern Felsen ins Tal

Auf wenige Meter drangen die Geröllmassen bis in bewohntes Gebiet vor.
© Michael Kristen

Ganz begreifen kann man im Dorf die Ereignisse von Heiligabend noch immer nicht. Der labile Hang wird beobachtet, über Lösungen für die nahe und fernere Zukunft sinniert. Ein Augenschein in Vals.

Von Benedikt Mair

Vals –Er verzieht keine Miene, während er mit seinen meerblauen Augen den steilen Hang hinaufblickt. Der ältere Mann mit den markanten Gesichtszügen steht gestern vor seinem Haus, seiner Heimat, dem Tumelerhof, den er und seine Familie am Heiligen Abend fluchtartig verlassen mussten – und der aus Sicherheitsgründen bis auf unbestimmte Zeit unbewohnbar bleibt. Gerade ist man dabei, noch einige Habseligkeiten aus dem Haus zu holen. An den „Weltuntergang“ habe er gedacht, erzählt der Valser, als Tausende Kubikmeter Stein, Geröll und Staub zu Tal rasten.

Auch drei Tage nach dem massiven Felssturz im Wipptaler Seitental ist die Lage unverändert angespannt. Wenn der Wind über den Hang bläst, steigen schwarze Staubwolken auf. Fast im Minutentakt brechen Felsen ab, fallen ins Tal und verursachen dabei ein markerschütterndes Donnern. Die Bild- und Geräuschkulisse ist unheimlich, erinnert an einen Vulkan, der nur darauf wartet, ausbrechen zu können.

Wie berichtet, war am 24. Dezember, kurz nach 18 Uhr, ein riesiger Hang in Vals abgebrochen. Die Geröllmassen waren bis auf wenige Meter zu bewohnten Häusern vorgedrungen, hatten die Hauptstraße verlegt und den hinteren Teil des Tales von der Außenwelt abgeschnitten. Rund 150 Menschen waren eingeschlossen. Am späten Dienstagnachmittag wurde die Zufahrt durch einen provisorisch errichteten Notweg wieder gesichert.

„Es kann schnell gehen, bis wir weitere Maßnahmen setzen können, aber auch lange dauern“, versucht Landesgeologe Gunter Heißel gestern die ungewisse Situation zu umschreiben. Immer noch sei der Hang in Bewegung. Man habe begonnen, den Berg mit Lasermessgeräten zu beobachten, wolle abwarten, wie sich die Situation entwickle. Bei einem Erkundungsflug am Morgen war ersichtlich geworden, dass noch weitere Tausende Kubikmeter abbruchgefährdet sind. Eine Sprengung des lockeren Materials wird aber ausgeschlossen.

„Wir werden versuchen, die Hauptstraße freizuräumen, wenn sich der Fels nicht mehr bewegt,“ sagt der Valser Bürgermeister Klaus Ungerank .
© Michael Kristen

Während das weitere Vorgehen nach den ersten Sicherungsmaßnahmen noch diskutiert und geplant werden muss, ist der Felssturz Gesprächsthema Nummer eins im Tal. „Wie im falschen Film“, „Es war einfach nur unheimlich“, „Ein Wunder, dass es keine Toten gab“ und „Als wäre die Welt untergegangen“: Das sind die Sätze und Floskeln, die man dutzendfach erzählt bekommt, spricht man die Valser auf den 24. Dezember an.

Die meisten von ihnen fühlen sich inzwischen sicher. Obwohl dann doch der Rest eines mulmigen Gefühls bleibe, wie ein Bauer berichtet: „Ich sitze so oft es geht in der Stube, lausche und schaue den Berg hinauf, ob nicht noch mehr abbricht.“ Auch aus den umliegenden Gemeinden und von weit her kommen die Schaulustigen in Scharen.

Bürgermeister Klaus Ungerank kann das verstehen. „Es ist eben eine Ausnahmesituation. So etwas passiert nur einmal alle 50 oder 100 Jahre.“ Er selbst ist seit Tagen ständig unterwegs, berät sich mit Einsatzkräften, Landesgeologen und -vertretern und gibt Interviews für Zeitungen, Rundfunk- und Fernsehanstalten aus aller Welt. Das weitere Vorgehen stehe „in den Sternen. Fest steht nur, dass wir versuchen werden, die Hauptstraße freizuräumen, wenn sich der Fels nicht mehr bewegt.“ Danach, sagt Ungerank, dürfte so schnell wie irgend möglich eine langfristige Lösung angegangen werden. „Eine Galerie über die Straße zum Beispiel.“ Für eine rasche Lösung plädiert auch der Wipptaler Landtagsabgeordnete Florian Riedl: „Der langfristige Schutz des ländlichen Siedlungsraumes muss gewährt werden.“

Für die Familie vom Tumelerhof ist das im Moment nur ein geringer Trost. „Ich konnte die letzten Tage nicht ruhig schlafen“, sagt der Bauer. Ein Kissen und ein paar Kleider in der Hand haltend, stapft er über den vom Staub schwarz gefärbten Schnee zu seiner Notunterkunft – ein Haus, nur wenige Gehminuten von seinem Hof entfernt.

Der Tumelerhof bleibt bis auf unbestimmte Zeit unbewohnbar.
© Michael Kristen

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