Der Staatschef verordnet eine Modernisierung
Der politische und wirtschaftliche Reformprozess in Kasachstan sei unumkehrbar, sagt Außenminister Kairat Abdrakhmanow im TT-Gespräch.
Wien — Die Führung von Kasachstan plant nichts weniger als die umfassende Erneuerung des riesigen, aber dünn besiedelten Landes in Zentralasien. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sollen ins 21. Jahrhundert geführt werden. „Wir befinden uns im Fortschritt. Es ist ein Prozess, der unerschütterlich voranschreitet und nicht mehr umkehrbar ist", sagt der kasachische Außenminister Kairat Abdrakhmanow. Die TT traf ihn am Rande der OSZE-Konferenz in Wien.
Seit der Unabhängigkeit von der zerfallenden Sowjetunion im Jahr 1991 regiert Präsident Nursultan Nasarbajew mit harter Hand. Doch es gibt Bemühungen, Folter und Korruption zurückzudrängen. Heuer veranlasste Nasarbajew außerdem eine Verfassungsänderung, die das Parlament stärkt. Die Venedig-Kommission des Europarats lobte einen „weiteren Schritt im Prozess der Demokratisierung". Doch wie weit soll dieser Prozess führen?
In der Antwort verweist Abdrakhmanow zunächst auf die „visionäre Führung" durch den Staatschef. Nasarbajew habe „bewiesen, dass er sehr fähig ist, den Weg durch so viele Unsicherheiten vorzugeben". Andererseits sei die Frage schwierig zu beantworten, „weil es nicht die letzte Station ist, ein bestimmtes Maß an vollwertiger Demokratie zu erreichen". Aus der Beobachtung der Demokratie in anderen Ländern folgert der Außenminister: „Es ist nicht so leicht, alle Erwartungen zu bedienen — besonders die der Wählerschaft."
Abdrakhmanow zufolge geht es zunächst einmal darum, das Humankapital zu vermehren und eine starke Mittelschicht aufzubauen. Im postsowjetischen Raum „braucht die Mittelschicht noch Zeit, um ein robuster Pfeiler unserer Gesellschaften zu werden", sagt er. Kasachstan setzt deshalb u. a. auf Bildung und auf eine „Modernisierung des öffentlichen Bewusstseins". Zu den Maßnahmen zählen etwa neue Übersetzungen von Lehrbüchern und Investitionen in Computer- und Fremdsprachenkenntnisse.
Die Reformen in Politik, Verwaltung und Gesellschaft gehen Hand in Hand mit den wirtschaftlichen Ambitionen von Kasachstan. Ja, sie bilden sogar eine Voraussetzung für die geplante Transformation, wie Abdrakhmanow durchklingen lässt.
Zur Person
Kairat Abdrakhmanov repräsentiert Kasachstan seit einem Jahr als Außenminister. Zuvor war er u.a. Botschafter in Österreich und bei den international- en Organi- sationen in Wien.
Bislang hängt die kasachische Wirtschaft einseitig ab vom Rohstoffexport — vor allem Öl und Metalle. „Wenn wir über ein wettbewerbsfähiges Kasachstan reden, dann wünschen wir uns, dass unsere Wirtschaft diversifiziert wird", erklärt der Außenminister. „Wir wollen auch etwas exportieren, was in Kasachstan gebaut wurde, wodurch in Kasachstan Mehrwert geschaffen wurde."
Dafür notwendig seien u. a. ein technologischer Durchbruch, „eine Liberalisierung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, damit sich kleine und mittlere Betriebe entwickeln", sowie Maßnahmen im Bereich der Makroökonomie und der Rechtsstaatlichkeit.
Quasi als Anschubhilfe veranstaltete Kasachstan heuer in der Hauptstadt Astana eine Weltausstellung (Expo) zum Thema Zukunft der Energie. 115 Länder nahmen teil, der Österreich-Pavillon sei mit 600.000 Besuchern einer der populärsten gewesen. In der Nachnutzung sollen nun internationale Zentren für grüne Technologie, IT-Start-ups und die Finanzbranche entstehen. „Wir laden kleine und mittlere Unternehmen ein, nach Kasachstan zu kommen und dort in die Zukunft nach der Expo zu investieren", wirbt Abdrakhmanow.
Besonders im Blick hat der Außenminister auch Österreich, das er im Gespräch als Vorbild in vielen Bereichen preist — von der Mittelschicht bis zur Qualität seiner Produkte. Selbst der Alpenverein möge in Kasachstan helfen, „unsere Naturschönheiten zu erforschen", wünscht er sich.
Abdrakhmanow sieht eine Parallele: Sowohl Österreich als auch Kasachstan sind Binnenländer mit einer wichtigen Transitfunktion. „Wir bauen jetzt die Infrastruktur auf, um China mit Europa und mit dem Nahen Osten zu vernetzen." Österreich und seine Firmen könnten Partner sein auf der neuen Seidenstraße.
Gute Beziehungen mit Europa bedeuten für Kasachstan zugleich eine strategische Verbreiterung. Denn in der unmittelbaren Nachbarschaft liegen die nicht immer einfachen Großmächte Russland und China sowie die anderen zentralasiatischen Länder mit ihren eigenen Entwicklungsproblemen. Abdrakhmanow freilich hält fest: „Wir haben mit allen in der Region ausgezeichnete Beziehungen." (floo)