Regierung sucht Experten für Task Force zu Sexualdelikten
Bevor über weitere Strafrechtsverschärfungen diskutiert wird, sollen die jüngsten Verschärfungen erst evaluiert werden, fordern die Präsidentin der Richtervereinigung und die Opferschutzorganisation „Weißer Ring“. Die Rechtsanwälte sehen keine Notwendigkeit für Änderungen.
Wien – Die von der Regierung angekündigte Task Force zur Reform des Strafrechts bei Sexualdelikten und bei Gewalt gegen Frauen und Kinder soll demnächst Gestalt annehmen. In den kommenden drei Wochen sollen Experten gewonnen werden, hieß es aus dem Büro von Staatssekretärin Karoline Edtstadler (ÖVP). Erste Ergebnisse solle es im Sommer geben, den Endbericht im ersten Halbjahr 2019.
Nicht nur Experten der beiden federführenden Regierungsressorts, Justiz und Inneres, will Edtstadler in die Task Force einbinden. Zusätzlich wolle man etwa Opferschutzvereine, Staatsanwälte und Wissenschafter gewinnen, um die angepeilten Verschärfungen des Strafrechts auszuarbeiten.
Die Umsetzung werde durch das Justizministerium erfolgen, bekräftigte die Regierung am Montag. Die Richtervereinigung hatte sich zuvor verwundert darüber gezeigt, dass die Arbeitsgruppe im Innenministerium angesiedelt ist.
Auf mehreren inhaltlichen Ebenen erwartet sich die Regierung Ergebnisse der Task Force: Zum einen beim Strafrecht selbst, wo erst einmal eruiert werden soll, welche Möglichkeiten bei den geltenden Strafrahmen jetzt schon bestehen und an welchen „Rädchen“ man noch schrauben könne. Edtstadler: „Damit das Strafrecht Wirkung zeigen kann, müssen Taten und Strafen im richtigen Verhältnis zu einander stehen. Da haben wir Handlungsbedarf.“
Aber auch der Opferschutz solle nicht zu kurz kommen. Neben einer Bestandsaufnahme der bereits schon jetzt bestehenden Angebote will die Staatssekretärin etwa eine bessere Vernetzung unter den Behörden sicherstellen. Aber auch Abschreckung und Prävention sollen zum wichtigen Punkt der Arbeit werden. Niemand solle „zwei Mal zum Täter werden“, heißt es aus Edtstadlers Büro.
Richter: Jüngste Verschärfungen zunächst evaluieren
Bevor über weitere Verschärfungen im Strafrecht diskutiert wird, sollen zunächst die jüngsten Änderungen evaluiert werden, das fordern die Richtervereinigung sowie die Opferschutzorganisation „Weißer Ring“. „Wir haben bereits mehrmals darauf hingewiesen, dass die letzte Reform noch nicht evaluiert wurde. Das sollte man tun, bevor eine neue angegangen wird“, erklärte die Präsidentin der Richtervereinigung, Sabine Matejka.
Sie hält außerdem fest, dass gerade bei Sexualdelikten „keine Strafe, egal wie hoch, das Leid der Opfer lindern kann“. Matejka ortet viel eher eine „plakative Maßnahme“, denn ein höherer Strafrahmen halte niemanden von Sexualdelikten ab. „Man sollte das in Ruhe angehen und schauen, wie sich bisherige Reformen in der Praxis ausgewirkt haben“, forderte die Richter-Präsidentin. Die Richter sollen auch in der Task Force vertreten sein, noch sei aber niemand an sie herangetreten.
Rechtsanwälte: „Das Opfer hat davon nichts“
Rechtsanwältepräsident Rupert Wolff erkennt ebenfalls keinen Sinn in derartigen Überlegungen und stellte fest: „Wir sehen in der Praxis die Notwendigkeit nicht. Richter haben ohnehin genug Spielraum im Rahmen der vorgesehenen Höchststrafen.“ Die Rechtsanwälte wollen aber die Pläne der Regierung intensiv verfolgen und sich in die Diskussion einbringen. Auch er gibt zu bedenken, dass eine höhere Strafdrohung nicht automatisch dazu führt, dass tatsächlich höhere Strafen verhängt werden. „Ob das irgendeinen Effekt hat zum Rückgang, wage ich zu bezweifeln.“
Wolff sieht viel eher ein Signal an die Bevölkerung, dass man härter durchgreift und die Opfer durch höhere Strafen besser schützen möchte: „Das ist zu hinterfragen, weil das Opfer hat davon nichts.“ Diesen wäre vielleicht mit einer höheren finanziellen Entschädigung oder einer besseren psychologischen Begleitung zulasten des Straftäters geholfen, findet der Rechtsanwältepräsident.
Auch die Opferschutzorganisation „Weißer Ring“ plädiert dafür, anstelle einer Diskussion um eine neuerliche Änderung zunächst jene Verschärfungen des Strafrechts, die erst vor wenigen Jahren umgesetzt worden seien, zu evaluieren. Präsident Udo Jesionek ist der Meinung, dass nicht die Strafhöhe das Problem ist, sondern eher, dass der Strafrahmen von Richtern aus Sicht der Bevölkerung nicht ausreichend ausgenützt werde. „Prinzipiell ist den meisten Opfern die Strafhöhe egal. Wichtig ist ihnen meist, dass reagiert wird und der Täter bestraft wird“, stellte Jesionek fest.
Auch Opposition übt Kritik
Zurückhaltend bis ablehnend reagierte auch die Opposition auf die Pläne der Regierung. Auch SPÖ und NEOS meinen, dass man zunächst die letzte Reform evaluieren sollte, und auch die Liste Pilz ortet im Koalitionsvorhaben lediglich den „Versuch eines Imagegewinns“.
NEOS-Justizsprecherin Irmgard Griss stellte in einer Aussendung infrage, ob höhere Strafen tatsächlich mehr Sicherheit bringen. „Hohe Strafen anzudrohen ist zwar einfach und kostengünstig, löst aber nicht das grundlegende Problem. Weit wirksamer sind mehr Mittel für die Aufklärung von Straftaten“, meinte die ehemalige Höchstrichterin.
Zurückhaltend reagierte die SPÖ. Gegenüber Ö1 erinnerte die ehemalige Regierungspartei in einer schriftlichen Stellungnahme an die große Strafrechtsreform 2016, bei der schon viel getan worden sei. Nun müsse man deren Auswirkungen auf die Praxis evaluieren.
Der Strafrechtswissenschafter Alois Birklbauer von der Uni Linz glaubt, dass es für eben so einen Vergleich zur Evaluierung einen Zeitraum von drei Jahren braucht. Das Ergebnis sollte man abwarten, meinte er im „Mittagsjournal“. Strafrechtsexperte Klaus Schwaighofer von der Uni Innsbruck sieht derzeit auch keinen Anlass für noch eine Reform: „Ich halte weitere Verschärfungen eindeutig für nicht notwendig.“ (APA, TT.com)