Vilser Gemeinderat pfeift auf Volkes Stimme
Der Ausgang der von Gegnern einer Ansiedelung eines Logistikcenters initiierten Volksbefragung beeindruckte die Vilser Mandatare nicht. Sie stimmten erneut mit zwölf zu eins für die Einleitung der nötigen Umwidmung.
Von Helmut Mittermayr
Vils –Gemeinderat Markus Petz stand ein wenig verloren im Raum, bis die Sitzung endlich losging. Den übrigen Mandataren der Vilser Einheitsliste schien er keinen Gruß wert. Nicht einmal neben ihm Platz nehmen wollte die längste Zeit jemand. Petz hatte die Volksbefragung in Vils gegen die Ansiedelung eines Logistikcenters des deutschen Werkzeugmaschinenherstellers Deckel-Maho initiiert, nachdem sich der Gemeinderat im Herbst 2017 mit zwölf zu einer Stimme dafür ausgesprochen hatte. Nur Petz hatte damals dagegen gestimmt – und anschließend gleich mit einer erfolgreichen Unterschriftensammlung die Volksbefragung erzwungen. Die Vilser und Vilserinnen hatten sich heuer im Jänner, wie berichtet, mit 66 Prozent gegen das Logistikcenter in der für den Gemeinderat nicht bindenden Befragung ausgesprochen. Nun stand erneut derselbe Punkt als einziger auf der Tagesordnung der Gemeinderatssitzung. Denn Bürgermeister Günter Keller hatte das erste Abstimmungsergebnis mit Einleitung der Volksbefragung ausgesetzt.
Würden die Gemeinderäte nun Volkes Willen folgen oder weiterhin das Gewerbegebiet im Westen der Stadt entwickeln wollen? Angesichts der emotionalen Aufwallungen, die Vils in den letzten Wochen durchlebt hatte, blieb die Zahl der Besucher überschaubar. BM Günter Keller ließ nach kurzem Vorgeplänkel geheim abstimmen. In alphabetischer Reihenfolge verschwanden die Mandatare in der kleinen Küche des Sitzungsraumes im Kulturhaus. Während Amtsleiter Reinfried Brutscher die Auszählung vornahm, machte sich gespenstische Stille im Saal breit. Die berühmte Nadel hätten alle fallen hören. Dann die Verlesung. Die Stille setzte sich fort, so unglaublich erschien den Zuschauern das verlautbarte Ergebnis. Wieder zwölf Ja-Stimmen, ein Nein. Die Volksbefragung hatte an der Haltung des Gemeinderates nichts geändert. Und auch die geheime Abstimmung hatte bei diesem Ausgang plötzlich etwas Aberwitziges an sich, war doch völlig klar, wie jeder Einzelne gestimmt hatte. Erst jetzt setzte Bürgermeister Günter Keller zu Erläuterungen an. Er habe ja nichts präjudizieren wollen, wie er sagte. Während seiner Ausführungen verließen einige Zuhörer wutentbrannt die Sitzung. Vor dem Kulturhaus wurde wild gestikuliert, der Fassungslosigkeit Ausdruck verliehen.
Drinnen setzte Stadtchef Keller stattdessen zu einer Art Generalabrechnung an. Fehlinformationen seien verbreitet worden. Nie und nimmer komme – wie behauptet – ein europäisches Ersatzteillager nach Vils, so etwas wisse der Gemeinderat per Widmung zu verhindern. Auch die Behauptung, dass das künftige Gewerbegebiet Vils West direkt an das Siedlungsgebiet Angerwies heranreichen werde, nannte Keller „Schwachsinn pur“.
Der Stadtchef machte den Gegnern eines künftigen Gewerbegebietes Vils West keine Freude. Schon vor 54 Jahren, vor neun Gemeinderatsperioden, hätten die Vorväter dort vorausschauend eine Gewerbeentwicklung ermöglicht. Genau dies solle auch kommen und sei dringend notwendig für die wirtschaftliche Entfaltung der Kommune. Das von GR Petz immer wieder als Alternative ins Spiel gebrachte Gewerbegegebiet im Osten der Stadt sei auf Grund des angrenzenden Natura-2000-Raumes und dann notwendiger Unterführungen von Bahn und Straße keine wirkliche Option.
Günter Keller erklärte auf die Frage von Stadtrat Hubert Keller, dass Deckel-Maho neben zwei anderen Standorten weiterhin Interesse an Vils zeige. Anderslautende Medienberichte würden nicht stimmen. Die Stadt sei natürlich auch erpicht darauf, Kommunalsteuereinnahmen zu bekommen, um vom Kindergarten bis zum Pflegeheim das öffentliche Leben finanzieren zu können. „Wie jede andere Gemeinde auch“, sagte Keller. Und Richtung Publikum: „Die Einleitung der Änderung des Raumordnungskonzeptes ist ein langer Prozess. Das Land Tirol muss erst zustimmen. Wir werden die Sorgen jener, die dagegen gestimmt haben, nicht vergessen“, worauf ein ganzer Schwung Zuhörer gerade wegen dieser Äußerung erzürnt den Sitzungssaal verließ.
Für den Bürgermeister „gibt es keinen guten oder schlechten Verkehr. Jeder von euch, der bei Amazon bestellt, löst Lkw-Verkehr aus.“ Er hätte sich – wenn schon notwendig – einen bindenden Volksentscheid mit genauem Quorum gewünscht, nicht eine völlig unverbindliche Befragung.
Markus Petz war am Tag nach der Sitzung noch immer perplex: „Mir fehlen die Worte. Vils hat verloren, mehr fällt mir nicht ein.“ Auf die Frage der TT, ob er sich in dieser Runde überhaupt noch wohlfühle, vielleicht auch schon an Rücktritt denke, erklärte Petz: „Ich bleibe jetzt erst einmal, solange die Verfahren zur Ansiedelung des Logistikcenters im Laufen sind. Aber mir ist auch sonnenklar, dass im Gemeinderat für mich nun alles sehr schwierig werden wird.“
Der Obmann der Wirtschaftskammer Reutte, wohnhaft in Sichtkontakt zum möglichen Logistikcenter, war ebenfalls zur Sitzung gekommen. Christian Strigl, der Schwager von Gemeinderatsrebell Petz und selbst auch ausgewiesener Gegner der Maho-Ansiedelung, nahm die Entscheidung pro Wirtschaft mit stoischer Miene zur Kenntnis.