Landtagswahl 2018

TT-Diskussion: Schlagabtausch auf offener Bühne mit einigen Spitzen

Josef Schett (Impuls), Andrea Krumschnabel (Family), Elisabeth Blanik (SPÖ), TT-CR Alois Vahrner, Günther Platter (ÖVP), Ingrid Felipe (Grüne), TT-CR Mario Zenhäusern, Markus Abwerzger (FPÖ), Andrea Haselwanter-Schneider, Dominik Oberhofer (NEOS, v.l.)
© Thomas Böhm

Auf Einladung der TT matchten sich am Samstag erstmals die Spitzenkandidaten aller acht am 25. Februar bei der Landtagswahl antretenden Parteien im direkten Duell. Über 500 Zuhörer waren zur Diskussion in der Messe Innsbruck gekommen.

Von Manfred Mitterwachauer

Innsbruck — Von Wahlmüdigkeit war Samstag nicht viel zu spüren. Weder in der Messe Innsbruck noch vor den Bildschirmen zuhause. Über 500 politikinteressierte Zuhörer waren dem Ruf der Tiroler Tageszeitung gefolgt und verfolgten live vor Ort den ersten öffentlichen Schlagabtausch der acht Spitzenkandidaten für die Landtagswahl am 25. Februar. Weit über 10.000 Tirolerinnen und Tiroler hingegen nutzten die Chance, die Diskussion via Live-Blog von TT.com mitzuverfolgen. Politik zieht — die gut zweieinhalbstündige Polit-Konfrontation von Angesicht zu Angesicht hatte dann Samstag Nachmittag auch schon so etwas wie einen Showdown-Charakter, zwei Wochen vor dem Urnengang.

Moderiert von den beiden TT-Chefredakteuren Alois Vahrner und Mario Zenhäusern kreuzten LH Günther Platter (VP), LHStv. Ingrid Felipe (Grüne), Elisabeth Blanik (SPÖ), Markus Abwerzger (FPÖ), Andrea Haselwanter-Schneider (Liste Fritz), Josef Schett (Impuls), Andrea Krumschnabel (Family) und Dominik Oberhofer (NEOS) erstmals in diesem Wahlkampf im persönlichen Infight die Klingen.

Nach einer kleinen Aufwärmphase war es dann auf dem Podium auch recht schnell vorbei mit den zuvor ausgetauschten Begrüßungs-Nettigkeiten. Wenig verwunderlich war es Abwerzger, der für den umstrittenen ORF-Bericht und die dort getätigten antisemitischen Sager eines Bürgers sein Fett abbekam. SPÖ und Grüne forderten den FP-Chef auf, mit dem „braunen Mief" aufzuräumen. Platter will „kein LH in einem Land sein, wo solche Diskussionen stattfinden — Antisemitismus hat bei uns nichts verloren".

Was die Sachthemen Wohnen, Transit und Soziales betraf (siehe Seite 4), waren Unterschiede zwischen den Parteien zwar greifbar, die Ziele jedoch nahezu ident. Zumal diese Themen zwar brandaktuell, jedoch auch schon in vergangenen Wahlkämpfen die Wahlplakate beherrschten.

Eine Richtungswahl

Anders verhielt es sich hingegen bei der Koalitionsfrage. Wie bei kaum einer Wahl zuvor drängt nach dem 25. Februar dieses Mal gleich eine ganze Reihe an Parteien darauf, die Grünen als Juniorpartner der ÖVP zu beerben. Allen voran die FPÖ. Sie versucht die Wahl zur Richtungswahl hochzustilisieren, wie Abwerzger gleich mehrmals betonte: „Die VP wird wieder stimmenstärkste Partei werden, Platter wird Landeshauptmann bleiben." Für ihn geht es um nichts weniger, als Schwarz-Grün II zu verhindern. Abwerzger rechnet sich gute Chancen hierfür aus, auch wenn er 29 Prozent für unrealistisch hält. Vielmehr wolle er die FPÖ auf Platz zwei führen und Verantwortung in einer Regierung übernehmen. Wenngleich nicht um jeden Preis — und nicht ohne Deckel für die Mindestsicherung.

Auch die SPÖ will regieren. Diese Deutlichkeit für Koalitionsverhandlungen war von Blanik im bisherigen Wahlkampf von manchen vermisst worden. Nur: Die SPÖ müsse hierfür zunächst gestärkt aus der Wahl hervorgehen — wie hoch, ließ Blanik offen. Und auch sie selbst stünde für ein Regierungsamt zur Verfügung — sofern die Agenden passen, nannte die Lienzer Bürgermeisterin das Gemeinde- und Wohnressort. Auch diese klare Ansage war von Blanik neu.

Kommt Schwarz-Grün II?

Regieren wollen — das täten auch die Grünen gerne wieder, sagte Felipe mit Verweis auf fünf skandalfreie Amtsjahre. Entgegen den Unkenrufen vieler hätten nämlich auch die Grünen in der Regierung einiges erreicht — wie der Schutz der Kalkkögel, den Luft-100er oder Natura 2000. Und ja, die Suche nach Kompromissen mit der ÖVP sei hart gewesen — letztlich aber habe auch das Tirol gutgetan. Prozentuell wollte sich auch Felipe nicht festlegen lassen — zufrieden sei sie dann, wenn sie am Ende des Tages ein Regierungsprogramm für Schwarz-Grün II vorlegen könne.

Eine Regierungsbeteiligung will Oberhofer nicht gänzlich ausschließen, obwohl er sich auch mit der Oppositionsrolle gut zurechtfinden würde. Die NEOS wollen den Einzug in den Tiroler Landtag schaffen: „Das Regieren trauen wir uns aber auch zu." Wenngleich die Pinken der ÖVP eine rote Linie hierfür ziehen: und zwar in Sachen Kinderbetreuung und Freizeitwohnsitze.

Über 500 politikinteressierte Zuhörer saßen im Saal.
© Thomas Boehm / TT

Alles für die Familie und das mit einer Portion Mut — dafür steht Krumschnabel. Während sie deshalb für ihre Family-Partei gar nicht genug Prozente als Wahlziel ausgeben kann, so „unschlagbar" sei ihr Programm, sieht Schett die Lage für die in der letzten Landtagsperiode arg gebeutelte Impuls-Fraktion da schon wesentlich pragmatischer: „Wir haben eine Chance, wieder einzuziehen. Wenn nicht, fällt uns der Himmel aber auch nicht auf den Kopf."

Oppositionsrolle pickt

Unter keinen Umständen sieht sich indes die Liste Fritz auf der kommenden Regierungsbank Platz nehmen. Vielmehr wolle man die Mandate von zwei auf vier verdoppeln. „Auch die Opposition hat einen Wert." Ein Wert, den die derzeit kleinste Oppositionspartei an zwei Erfolgen dingfest macht: Agrargemeinschaften und die negative Olympia-Volksbefragung. Alle, die im Herbst 2017 Nein gesagt haben, hätten sich bereits die erste Goldmedaille verdient, so Haselwanter-Schneider.

VP lässt sich alles offen

Bleibt die ÖVP. An ihr wird es auch dieses Mal regierungstechnisch kein Vorbeikommen geben. Das sagen alle Umfragen. Wenngleich eine Regierung kein Spaziergang auf der grünen Wiese sei, wie Platter sich eine Spitze in Richtung Grüne nicht verkneifen konnte. Die VP wolle er bei 16 Mandaten halten, die 40-Prozent-Marke sollte hierfür aber schon übersprungen werden. Eine Motivationsspritze setzte es für die eigenen schwarzen Wähler: Wer ÖVP möchte, müsse auch ÖVP wählen, so Platter. Denn nur ein starker Regierungschef könne auch in Rom, Wien oder Brüssel stark auftreten. Ähnlich zähe und langwierige Koalitionsverhandlungen wie in Deutschland wolle er in Tirol nicht. Einen Lieblingspartner verriet er übrigens nicht: „Beim Regieren geht es nicht um die Farbe der Partei, sondern um Inhalte und Verlässlichkeit." Gespräche werde er aber mit allen Fraktionen führen.

Noch warten auf die Wahlkämpfer zwei lange Wochen. Die gestrige TT-Diskussion ließ erahnen, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.

Tirols größte Baustellen

Blechlawinen auf Tirols Straßen, Grundrecht Wohnen und soziale Gerechtigkeit: Über diese Probleme wurde bei der TT-Elefantenrunde am hitzigsten diskutiert.

Verkehr und Transit

Das Thema ist ein altes, ein leidiges, und seit vielen Jahren scheint kaum ein Lösungsvorschlag wirklich nachhaltig zu greifen. Verkehr und Transit, Maut und die Verlagerung des Warenverkehrs von der Schiene auf die Straße beschäftigen die Parteien nicht erst bei dieser Landtagswahl. So war diese Problematik auch gestern bei der TT-Elefantenrunde jene, die am breitesten debattiert wurde. Dass Handlungsbedarf besteht, waren sich alle einig – nur die Ansätze gingen oft auseinander.

Entgegen allen anderen Parteien glaub­e man bei den NEOS nicht daran, dass der Verkehr in Zukunft zurückgehe, wie Dominik Oberhofer eingangs klarstellte. „Das Problem kann nur durch eine Abschaffung des Diesel-Privilegs, eine Erhöhung der Maut sowie eine Verlegung des Transits auf die Schiene – Stichwort Brennerbasistunnel – gelöst werden.“ Außerdem spreche man sich für einen überlegten Ausbau des Tiroler Straßennetzwerkes aus.

Andrea Haselwanter-Schneider von der Liste Fritz sah die Touristiker gefordert. „Fast alle der 12 Millionen Gäste jährlich reisen mit dem Auto an. Da braucht es aus dieser Branche Ideen, um das zu reduzieren.“

Einigkeit, dass Tirol dem wachsenden Verkehr nicht alleine Herr werden könne, herrschte bei den Kandidaten von Impuls und Family. Eine „EU-weite Lösung“ ist für Andrea Krumschnabel unumgänglich, während Josef Schett vor allem auf die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern pochte.

Der Transit müsse auf die Schiene verlegt, die öffentlichen Verkehrsmittel weiter gefördert werden, befand FPÖ-Obmann Markus Abwerzger. Die Blockabfertigung halte er „in Ehren, weil es gut war, Bayern gegenüber Muskeln zu zeigen“, aber sie „bringt keinen Lkw weniger“.

Dass erst drei Monate vor den Wahlen das Thema Verkehr ernsthaft angegangen wurde, stieß SPÖ-Spritzenkandidatin Elisabeth Blanik sauer auf. Dennoch sei sie für eine Fortführung der Blockabfertigungen. „Es braucht stärkere Maßnahmen.“

ÖVP-Landeshauptmann Günther Platter brachte wiederholt Lkw-Obergrenze, Korridormaut sowie eine Angleichung der Maut zwischen München und Verona als Antwort auf die Verkehrsfrage ins Spiel.

Grünen-Frontfrau Ingrid Felipe appellierte hingegen an alle Parteien: „Die Herausforderung ist so groß, die schafft keiner von uns alleine.“

Wohnen

Weitgehend einig waren sich die Diskutierenden, als das Thema Wohnen angesprochen wurde: die Mieten zu hoch, der Baugrund zu teuer, zahlreiche leerstehende Wohnungen. Die Herangehensweisen an das Problem wichen dann aber doch stark ab.

„Käfighaltung für die Einheimischen und Freilandhaltung für die Touristen“ fasste Andrea Haselwanter-Schneider von der Liste Fritz ihre Auffassung der Problematik zusammen. „Die Bauern jammern immer über den Bodenfraß und dann bauen wir landauf, landab Chaletdörfer“, sagte sie.

Dass das „Grundrecht Wohnen in Tirol zu einem Spekulationsgeschäft verkommen ist“, befand Elisabeth Blanik (SPÖ). Wohnen müsse leistbar gemacht werden, dies gehe nur, wenn man den öffentlichen Bau von Wohnungen mehr fördert. Auch bestand sie auf dem Bau eines Campus für die Innsbrucker Studenten.

„Es stimmt, dass wir viel zu tun haben“, erwiderte ÖVP-Spitzenkandidat Platter auf die Kritik, die ihm alle Kandidaten entgegenbrachten. „Wir wollen in den kommenden fünf Jahren 12.000 Wohnungen bauen. Für Innsbruck wollen wir einen Stundentencampus zustandebringen.“ Leistbares Wohnen sei ein wesentlicher Teil seiner Politik, aber die Umsetzung gestalte sich nicht immer einfach.

Soziales

Ähnlich wie beim Wohnen musste sich Günther Platter auch in Fragen der sozialen Gerechtigkeit einiges an Kritik anhören.

Besonders harsch fiel diese bei Andrea Haselwanter-Schneider aus: „Herr Landeshauptmann, Sie sagen, das Soziale sei Ihnen etwas Wesentliches. Und dann kürzen Sie Familien mit mehr als zwei Kindern die Unterstützung.“ Und auch von Andrea Krumschnabel, Spitzenkandidatin von Family, musste sich Platter einiges anhören. Der ÖVP-Chef betone immer wieder, wie sehr er für Soziales eintrete. „Warum entlasten Sie also nicht endlich junge Familien?“

Den Vorwürfen widersprach der Landeshauptmann. Er habe den Bezieherkreis der Familienförderung erweitert und eine soziale Staffelung eingezogen, damit nicht die Bestverdiener gleich viel bekommen. Zudem sei es immer Teil seiner Politik gewesen, Initiative zu ergreifen, „wenn Menschen in Not geraten, bei Katastrophen oder sonstigen Anlässen“. (bfk)