FPÖ reichte Beschwerde ein, Justiz ermittelt gegen Passanten
Wegen des umstrittenen TV-Beitrags des ORF Tirol hat die FPÖ nun eine Beschwerde bei der KommAustria eingebracht. ORF-Landesdirektor Krieghofer entschuldigte sich bei Abwerzger und begründete den mangelhaften Beitrag unter anderem mit „technischen Problemen“. Die Justiz nahm indes Ermittlungen gegen den Passanten wegen Verdachts auf Verstoß gegen das NS-Verbotsgesetz auf.
Wien – Die FPÖ Tirol und deren Spitzenkandidat für die Landtagswahl, Markus Abwerzger, haben wegen des Berichtes in der ORF-Sendung „Tirol heute“ vom Freitagabend – wie angekündigt – Beschwerde gegen den ORF bei der KommAustria eingelegt. Die Beschwerdeführer beantragen in dem anwaltlichen Schreiben (das der APA vorliegt) festzustellen, dass der ORF das Objektivitätsgebot verletzt habe.
Die Beschwerde von Abwerzger und der Tiroler FPÖ (die beide als Beschwerdeführer auftreten) sieht zwei Vorgaben des ORF-Gesetzes verletzt: Erstens das im Gesetz (§ 4 Abs 5 Z 1) verankerte Gebot, bei der Gestaltung seiner Sendungen und Angebote für eine „objektive Auswahl und Vermittlung von Informationen in Form von Nachrichten und Reportagen einschließlich der Berichterstattung über die Tätigkeit der gesetzgebenden Organe und gegebenenfalls der Übertragung ihrer Verhandlungen“ zu sorgen.
Beschwerdeführer orten Verstoß gegen ORF-Gesetz
Darüber hinaus orten die Beschwerdeführer auch einen Verstoß gegen § 10 Abs 5 des ORF-Gesetzes. Demnach hat die Information „umfassend, unabhängig, unparteilich und objektiv“ zu sein. „Alle Nachrichten und Berichte sind sorgfältig auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen, Nachricht und Kommentar deutlich voneinander zu trennen“, heißt es dort.
Der kritisierte TV-Beitrag zeigte Abwerzger bei einem Wahlkampftermin in Tirol. Die Aufnahmen bei einem Gespräch mit einem Bürger suggerierten, der FP-Spitzenkandidat hätte widerspruchslos antisemitisches Gedankengut des Mannes zur Kenntnis genommen. Abwerzger bestritt dies, und eine schließlich vom ORF nachgereichte modifizierte Version bestätigt auch, dass Abwerzger dem Mann sehr wohl widersprochen hatte.
In der Beschwerde verweisen Abwerzger und die FPÖ Tirol darauf, dass die Reaktionen von Abwerzger wie auch jene des Tiroler FP-Klubobmanns Rudolf Federspiel auf die Aussagen des Mannes im TV-Beitrag herausgeschnitten wurden. „Die Zuseher erhielten daher den falschen Eindruck, dass der Beschwerdeführer Mag. Markus Abwerzger zu diesen Aussagen nichts erwidert und daher stillschweigend zugestimmt hätte“, heißt es in dem Schreiben.
Auch wird in dem Brief an die KommAustria betont, dass die Sendung zu einem „Aufschrei in vielen Medien des Landes“ geführt habe. „(...) in den Sozialen Medien wurden die Beschwerdeführer ganz offen als Antisemiten, Rassisten und Wiederbetätiger im Sinne des VG (Verbotsgesetzes, Anm.) verunglimpft.“ Der „dadurch eingetretene Schaden“ für Abwerzger und die Tiroler FPÖ - „insbesondere im Hinblick auf die kommende Landtagswahl“, sei „nicht abzusehen“.
Vilimsky: „Nur Spitze des Eisbergs“
Auch sehen sich Abwerzger wie auch die Tiroler Landespartei durch die Berichterstattung „unmittelbar geschädigt“. Die „Manipulation“ in dem Beitrag würden den Tatbestand der Üblen Nachrede sowie die Tatbestände der Ehrenbeleidigung und der Kreditschädigung verwirklichen. Denn Abwerzger sei dadurch vorgeworfen worden, er hätte zu den geschilderten antisemitischen Aussagen nichts erwidert und daher stillschweigend zugestimmt.
Generalsekretär Harald Vilimsky erklärte in einem Statement gegenüber der APA zu der nun eingebrachten Beschwerde, seine Partei werde es sich „auch künftig nicht gefallen lassen, wie der ORF gegen die FPÖ agitiert. Dieser aktuelle Fall ist nur die Spitze des Eisbergs. Kaum ein Tag vergeht, ohne dass das ORF-Gesetz verletzt wird, so wird das Attribut der Objektivität im öffentlich-rechtlichen Rundfunk permanent ad absurdum geführt.“
Justiz ermittelt gegen Passanten
Die Staatsanwaltschaft leitete indes ein Ermittlungsverfahren gegen jenen Mann ein, der in dem umstrittenen ORF-Beitrag scheinbar antisemitisches Gedankengut von sich gab. Man ermittle wegen des Anfangsverdachts des Verbrechens nach dem NS-Verbotsgesetz, sagte ein Sprecher.
Derzeit laufe das Verfahren gegen Unbekannt, weil man ja die Identität des Mannes noch nicht kenne, erklärte Sprecher Florian Oberhofer. Der ORF hatte die FPÖ im Olympischen Dorf in Innsbruck bei ihren Wahlkampfaktivitäten begleitet.
ORF-Landesdirektor entschuldigte sich
Der Tiroler ORF-Landesdirektor Helmut Krieghofer hat sich am Montag indes bei Markus Abwerzger für den Beitrag entschuldigt. Abwerzger bestätigte ein Gespräch, pochte aber gegenüber der APA auf ein öffentliches Fehler-Eingeständnis des ORF. „Ich habe heute mit Mag. Markus Abwerzger und Rudi Federspiel persönlich gesprochen und mich im Namen des ORF entschuldigt“, berichtete Krieghofer von einem Gespräch mit dem Landesobmann sowie dem FPÖ-Stadtparteichef. Die verantwortliche Redakteurin habe ihm versichert, „nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt zuhaben“.
Aus „Zeitknappheit“ und wegen „technischer Probleme“ sei der Beitrag erst unmittelbar vor Sendungsstart fertig geworden und auf Sendung gegangen, schilderte er die Causa aus ORF-Sicht. Die Distanzierungen Abwerzgers und Federspiels von den antisemitischen Äußerungen eines Passanten seien nicht dabei gewesen, räumte er ein. Man habe dies dann am Samstag in der „Zeit im Bild“ um 13.00 Uhr und in „Tirol Heute“ mit einer ausführlichen Stellungnahme von Abwerzger „nachgeholt“.
Die „Unabhängigkeit der Redaktion“ sei ihm „oberstes Gebot“, versicherte der Landesdirektor außerdem. Zugleich betonte er, dass er sich „für eine gewohnt objektive Berichterstattung seines Teams in der verbleibenden Wahlkampfzeit in Tirol verbürge“. Er habe am Montag überdies auch mit Esther Fritsch von der Israelitischen Kultusgemeinde gesprochen, die „sich vergangene Woche erschüttert über die antisemitischen Aussagen eines Passanten vor laufender Kamera gezeigt hatte“.
Wrabetz zog Konsequenzen
ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz hatte nach dem umstrittenen TV-Beitrag über den Tiroler FPÖ-Spitzenkandidaten Markus Abwerzger am Sonntag erste Konsequenzen gezogen: Landesdirektor Helmut Krieghofer wurde beauftragt, bis Dienstag einen Bericht zur Causa vorzulegen, sagte ein ORF-Sprecher am Sonntag. Die verantwortliche Redakteurin wurde als Moderatorin für die „Elefantenrunde“ abgezogen.
In dem Bericht an Wrabetz soll dargelegt werden, wie die Causa aus Sicht des Landesstudios journalistisch zu bewerten sei. Dabei gehe es einerseits um den Aspekt, warum Abwerzger verkürzt bzw. sinnverstellend wiedergegeben worden sei, und andererseits um die Frage, warum antisemitische Äußerungen eines Passanten unkommentiert im Fernsehen gezeigt würden. Wrabetz behalte sich nach Vorliegen des Berichts auch weitere Schritte vor.
Jene Redakteurin, die für den umstrittenen Fernseh-Beitrag verantwortlich ist, war ursprünglich auch für die Moderation der Diskussion der Spitzenkandidaten zur Landtagswahl vorgesehen. Weil ihre Überparteilichkeit ob der aktuellen Diskussion angezweifelt wird, werde sie diese Aufgabe nun auf Geheiß des Generaldirektors nicht wahrnehmen, hieß es aus dem ORF.
Nach dem Wirbel will der Redakteursrat des ORF zudem nun „Leitlinien für den Umgang mit journalistischen Fehlleistungen“ erarbeiten, teilte er am Montag in einer Aussendung mit. In dieser nahmen die Redakteursvertreter nicht explizit Bezug auf die Causa, hielten aber fest: Im Fall von Fehlern müssten schnelle Korrektur und „falls notwendig eine Entschuldigung“ stattfinden. (TT.com, APA)