Landespolitik

Und ewig lockt eine Bildungsreform

Der Bildungsbereich wurde in der Vergangenheit stets kontroversiell diskutiert. An der Ganztagesschule scheiden sich auch die Parteien in Tirol.
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Die letzte Reform ist noch nicht in den Klassenzimmern angekommen, da sind schon neue, einheitliche Herbstferien und strengere Strafen für Schulschwänzer geplant. Das Bildungsthema bleibt heftig diskutiert.

Von Marco Witting

Innsbruck – Lehrermangel, schlechte PISA-Tests, Feriendebatte, Ganztagesschule, Streit ums Gymnasium, die Ziffernbenotung in der Volksschule, Cluster-Schulen – die Liste der brennenden Schulthemen ist ungefähr so lange wie jene der Bildungsreformen der vergangenen Jahre. Und während die vorherige Bundesregierung nach monatelangen Grabenkämpfen einen Minimalkompromiss zusammenzimmerte, der teilweise noch nicht einmal in den Klassenzimmern angekommen ist, hat die neue Koalition schon ihre ersten Schwerpunkte anklingen lassen. Herbstferien, Strafen für Schulschwänzer, Rückkehr zum bekannten Notensystem für die Taferlklassler.

Die einzigen Konstanten im österreichischen Bildungssystem waren zuletzt der ständige Richtungsstreit und die Veränderung.

Und auch auffallend: Es besteht in Österreich auch weiterhin ein sehr starker Zusammenhang zwischen dem Bildungsstand der Eltern und den Leistungen der Schüler. Das zeigten zuletzt sowohl die Ergebnisse der Bildungsstandard-Testungen in Mathematik in der achten Schulstufe als auch die Volksschul-Vergleichsstudien beim Lesen und in den Naturwissenschaften. Der Schluss daraus: Das Bildungsniveau wird in Österreich vererbt.

Andere Untersuchungen (etwa der OECD) haben gezeigt, dass es in Österreich wenig Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit gibt. Welchen Bildungsabschluss man erreicht oder nicht, hängt sehr stark davon ab, welche Bildung die Eltern genossen haben. In Österreich hat sich auch der Anteil jener Kinder, die trotz ungünstiger sozioökonomischer Bedingungen gute Leistungen bei der PISA-Studie erbringen, zwischen den Tests 2006 und 2015 verringert. Das zeigt eine Sonderauswertung Ende Jänner. Im Gegensatz dazu konnte Deutschland den Anteil dieser „resilienten Schüler“ zum Beispiel stark erhöhen.

Aktuell gibt es in Tirol übrigens rund 51.590 Pflichtschüler – 7548 Kinder wurden im Herbst neu eingeschult. Insgesamt gehen im Land über 92.000 Kinder in die Schule. Allein an den heimischen Pflichtschulen sind rund 7000 Lehrer tätig – insgesamt zählt man fast 11.000 Lehrer im Land.

Wie stehen die Tiroler Parteien zur vieldiskutierten Ganztagsschule?

ÖVP: Ein bedarfsorientiertes Angebot von Nachmittagsbetreuung ist notwendig. Die Wahlfreiheit muss erhalten bleiben. Eine „Zwangstagesschule“ lehnen wir ab.

Grüne: Sehr positiv. Sie bietet mehr Chancen für alle Kinder und entlastet Familien. Handlungsbedarf gibt es bei der Einbindung von Vereinen und bei den Schulgebäuden.

FPÖ: Die Ganztagsschule in Form einer Gesamtschule lehnen wir ab. Wir sprechen uns klar für das differenzierte Schulsystem mit Hauptschulen und Gymnasien aus.

SPÖ: Die gemeinsame Ganztagsschule für alle bis 14 bleibt für uns ein klar definiertes Ziel. Außerdem machen wir uns für verschränkte Unterrichtsformen stark.

NEOS: Die ideologische Debatte bringt uns nicht weiter. Wir fordern umfassende Autonomie in pädagogischer, personeller und finanzieller Hinsicht.

Liste Fritz: Wir befürworten sie. Die Kinder sollen in der Schule Unterricht erhalten, Hausaufgaben erledigen, Freizeit haben und Sport ausüben. Und danach haben sie frei.

Impuls: Die Ganztagsschule soll nur mit entsprechenden Mehrheiten im Schulgemeinschaftsausschuss der jeweiligen Schule beschlossen werden.

Family: Sie ist ein hervorragendes Instrument, um für Kinder und Jugendliche die größtmögliche Chancengleichheit herbeizuführen. Einen Zwang lehnen wir aber ab.

Es droht in den kommenden Jahren ein Lehrermangel. Wie sollte der Beruf attraktiver werden?

ÖVP: Besonders wichtig ist die Förderung der öffentlichen Wertschätzung. Lehrer leisten einen unverzichtbaren Beitrag. Wir möchten das stärker herausstreichen.

Grüne: Nachmittagsbetreuung ordentlich bezahlen, Entlastung durch Schulassistenz, Schulsozialarbeit, Schulpsychologie. Lehrer sollen Coaches für Kinder sein.

FPÖ: Es braucht die Schaffung eines zeitgemäßen Lehrerdienstrechts mit einem Jahresarbeitszeitmodell sowie eines neuen Besoldungsrechts mit leistungsbezogenen Komponenten.

SPÖ: Der Beruf muss eine generelle Aufwertung erfahren. Gesellschaftlich, finanziell, und auch was die Arbeitsbedingungen am Schul­standort betrifft.

NEOS: Wir wollen mehr Wertschätzung für die Lehrperson. Sie sind „Bildungsexperten der Praxis“, die eigenverantwortlich Entscheidungen treffen sollen und müssen.

Liste Fritz: Lehrer brauchen vernünftige Arbeitsbedingungen an den Schulen und sie verdienen mehr Anerkennung. Wir wollen ein Bonus-System für engagierte Lehrer.

Impuls: Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Lehrer durch Bürokratieabbau und mehr Gestaltungsspielraum in methodischer und pädagogischer Hinsicht.

Family: Wir müssen uns für unsere Kinder die besten Lehrpersonen leisten. Diese sollen dafür auch wirklich angemessen entlohnt werden. Das würde das Ansehen steigern.

Wie soll die Schule reformiert werden, um die Kinder auf die Herausforderungen von morgen vorzubereiten?

ÖVP: Wichtiger als der Ruf nach neuen Reformen ist die konsequente Umsetzung bereits beschlossener Neuerungen. Die Freude am Lernen soll im Vordergrund sein.

Grüne: Es muss Geld in die Hand genommen werden. Besonders in die Bildung der kleinen Kindern muss mehr investiert werden. Tirol braucht die Chance auf eine Modellregion.

FPÖ: Das Beherrschen der deutschen Sprache ist unerlässlich für schulischen Erfolg. Es braucht regelmäßige, standardisierte Leistungsüberprüfungen durch eine externe Stelle.

SPÖ: Alle Klassen mit W-Lan ausstatten, die tägliche Turnstunde an allen Schulen, mehr politische Bildung, den Ausbau der Schulsozialarbeit und Berufsorientierung.

NEOS: Wer mündige Menschen will, braucht eine mündige Schule. Wir verlangen die volle personelle, finanzielle und pädagogische Autonomie.

Liste Fritz: In einer modernen Schule gehören Stärken unterstützt und bei Schwächen gehört nachgeholfen. Dazu soll die Schule verstärkt Schlüsselqualifikationen vermitteln.

Impuls: Durch Entrümpelung der Lehrpläne und Umstellung auf zeitgemäße Inhalte. Praxisorientiertere Übungseinheiten.

Family: Die Lehrpläne in den Schulen müssen sich natürlich den modernen Gegebenheiten und Bedürfnissen der Wirtschaft anpassen. Im Bereich der Digitalisierung fehlt es noch an Inhalten.

Was wollen sie tun, um den Bildungsstandort Tirol zu stärken?

ÖVP: Vorschulische Bildung legt den Grundstein für den weiteren Bildungsweg. Daher werden wir weiter in die Elementarpädagogik investieren.

Grüne: Investieren. Von Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung bis zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Und Tirol braucht neue IT-Studiengänge.

FPÖ: Den Uni-Standort Innsbruck stärken, und in den Bezirken mehr höhere Schulen, vor allem im technischen Bereich. Es braucht Fachhochschulen in der Peripherie.

SPÖ: Setzen wir Maßnahmen, um die Zahl der MINT-Absolventen an Universitäten und Fachhochschulen zu heben. Wir wollen zudem einen Innovationsfonds.

NEOS: Den Chancenbonus einführen: Als kurzfristige Maßnahme ist es notwendig, allen Standorten finanzielle Mittel für besondere Herausforderung zu stellen.

Liste Fritz: Wir müssen mehr in Bildung statt in Beton investieren. So sollen nur die Besten und Geeignetsten Betreuer, Erzieher und Lehrer unserer Kinder werden.

Impuls: Mehr Geld für Lehre und Forschung. Zeitgemäße Ausstattung der schulischen und universitären Einrichtungen. Qualitätsoffensive der Lehrerausbildung.

Family: Erheben, in welchen Bereichen wir noch Mängel haben. Hier müssen wir großzügig investieren, da nur eine gute Bildung uns auf Dauer nach vorne bringen kann.