Experte: Zuma-Rücktritt zeigt Stabilität der Demokratie Südafrikas
Der neue Präsident Cyril Ramaphosa wird es aber laut Südafrika-Experten Jacob Sauer nicht leicht haben, diese optimistische Stimmung für die Parlamentswahlen 2019 zu nützen.
Wien – Für den Südafrika-Experten Walter Sauer ist der Rücktritt von Präsident Jacob Zuma ein „sehr starkes Lebenszeichen der südafrikanischen Demokratie“. Es zeige „die Stabilität des politischen Systems“. Gleichzeitig seien die Probleme, die dem Rücktritt zugrunde lägen, aber weiterhin ungelöst, sagte der Historiker im APA-Interview.
In jenen Kreisen, die eine „Rückkehr zu den Mandela-Werten anstreben“, konstatiert der Leiter des Dokumentations- und Kooperationszentrums Südliches Afrika (SADOCC) eine große „Aufbruchsstimmung“ nach dem Rücktritt Zumas. Der neue Präsident Cyril Ramaphosa werde es aber nicht leicht haben, diese optimistische Stimmung für die Parlamentswahlen 2019 zu nützen. Denn jene, die an der Korruption im Umfeld Zumas „mitverdient“ hätten, seien immer noch im Afrikanischen Nationalkongress (ANC) vertreten. „Je mehr Reformen Ramaphosa ankündigt, desto mehr wird er in seiner Partei auf Widerstand stoßen.“ Das könne auch zur Parteispaltung führen.
Rasante Geschwindigkeit der Entwicklungen
Überrascht zeigte sich Sauer im Interview über die Geschwindigkeit der Ereignisse, die zum Rücktritt Zumas führten. Die Pro-Zuma-Allianz innerhalb des ANC sei innerhalb kürzester Zeit „zerbröckelt“, wofür man zum jetzigen Zeitpunkt zwei Ursachen ausmachen könne: Die Wahlaussichten für das kommende Jahr, und das Agieren des Sicherheitsapparats, der „unerwartet stark“ gegen die „Oligarchisierung“ vorgegangen sei. In den Tagen vor dem Rücktritt seien nicht nur „Gupta-Leute“ verhaftet worden – viele gegen Zuma gerichtete Korruptionsvorwürfe stehen im Zusammenhang mit der wohlhabenden Familie Gupta –, sondern auch Spitzenpolitiker des ANC ins Visier genommen worden. „Diese Drohgebärde hat wahrscheinlich nicht nur Zuma zum Einlenken gebracht, sondern auch die Zuma-treuen Personen im ANC.“
Was die Bilanz der Amtszeit Zumas betrifft, sieht Sauer „Licht und Schatten“, wobei der Schatten – die zahlreichen Korruptionsaffären – „in den letzen Jahren“ die Oberhand gewonnen habe. Auf der Habenseite Zumas steht laut Sauer die Gesundheitspolitik, die sich engagiert dem Thema Aids angenommen habe, und die großzügige – wenngleich auch zu bürokratische – Sozialpolitik, ohne die vieles im Land „zusammengebrochen“ wäre.
Große Herausforderungen für neue Führung
Südafrika sei in Zumas Amtszeit wirtschaftlich unter Druck gestanden, woran externe Faktoren – ungünstige Handelsverträge mit der EU und den USA, Schwankungen der Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt – ebenso Schuld hätten wie interne. Als Beispiele nennt Sauer die vernachlässigte Industriepolitik und Versäumnisse im Infrastrukturbereich. Außerdem habe Zuma der Bildungsmisere zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt.
Ramaphosa, den Sauer als „Pragmatiker“ einstuft, stehe vor großen Herausforderungen. Das Sozialsystem müsse verbessert und transparenter gemacht, der grassierenden Wohnungsnot ein Ende bereitet werden. Zwar sieht Sauer wie viele internationale Analysten Reformbedarf bei staatlichen Unternehmen, Forderungen nach mehr Privatisierungen steht er aber skeptisch gegenüber. „Es ist schon zu viel privatisiert worden.“ Die meisten Korruptionsaffären seien im Umfeld von Privatisierungen entstanden, so Sauer. Dass der Millionär Ramaphosa in Medien als Wirtschaftsfachmann präsentiert wird, ist für Sauer außerdem eine „Legende“. „Du bist in Südafrika, wenn du gut vernetzt warst, sehr schnell sehr reich geworden. Denn die Politik war, dass alle börsennotierte Unternehmen einen gewissen Prozentsatz der Aktien an Schwarze abgeabgeben mussten.“ Der Reichtum Ramaphosas habe wenig mit kaufmännischem Geschick zu tun.
Kritisch sieht der langjährige Anti-Apartheid-Aktivist die Außenpolitik Österreichs in Bezug auf Südafrika. Die österreichische Botschaft in Pretoria sei nun acht Monate unbesetzt gewesen. Erst am Freitag sei der neue Botschafter in Südafrika eingetroffen. „Das zeugt von einem völligen Desinteresse an einem der wichtigsten Staaten Afrikas. Das ist unser größter Handelspartner und unsere größte Tourismusdestination in Afrika, und als Mitglied der BRICS-Staaten auch weltpolitisch nicht uninteressant.“ In einer so „entscheidenden Phase“ sei es „fahrlässig“ vom damaligen Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) gewesen, die Botschaft acht Monate vakant zu lassen. „Vielleicht hat die neue Außenministerin jetzt ein Machtwort gesprochen“, vermutet der Historiker. (APA)