Ukraine - Politologe: Kiew will militärische Lösung
Wien/Kiew (APA) - Im Ukraine-Konflikt suchen die politischen Kräfte in Kiew nach Ansicht eines Politologen der Nationalen Technischen Univer...
Wien/Kiew (APA) - Im Ukraine-Konflikt suchen die politischen Kräfte in Kiew nach Ansicht eines Politologen der Nationalen Technischen Universität (KPI) in der ukrainischen Hauptstadt nicht nach einer friedlichen, sondern einer militärischen Lösung. Das Minsker Abkommen betrachte die Regierung als überflüssig, sagte der Experte Oleksii Iakubin bei einer Podiumsdiskussion am Montagabend in Wien.
Während laut Iakubin 70 Prozent der ukrainischen Bevölkerung für eine friedliche Lösung der Ukraine-Krise seien, würde die Politik eher nach einer militärischen Lösung trachten. „In der politischen Sphäre spricht sich nur die Oppositionspartei (Volksfront, Anm.) für eine friedliche Lösung aus“, so der Universitätsprofessor bei der Veranstaltung „Ukraine, quo vadis - Krieg oder Frieden?“, die auf Einladung der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft im Palais Kaiserhaus stattfand.
„Es wirkt so, als sei der Konflikt für einige der Regierungsvertreter in der Ukraine vorteilhaft“, meinte Iakubin. In Kiew würde der Konflikt benutzt, um „auf die demokratische Freiheiten in Anbetracht der 2019 stattfindenden Wahlen Einfluss zu nehmen.“ Auch an der Umsetzung des Minsker Abkommens zur Befriedung des Ukraine-Konflikts ist Kiew nach Ansicht des Experten wenig interessiert. Im internationalen Diskurs zeige sich Präsident Petro Poroschenko und seine Partei Block Petro Poroschenko (BPP) zwar als hundertprozentige Unterstützer des Abkommen, in den eigenen Reihen würden sie das Abkommen jedoch als überflüssig bezeichnen.
Europa beharre auf der Umsetzung des Minsker Abkommens, obwohl es wisse, „dass dieses nicht umgesetzt werden kann“, erklärte Harald Noack, ehemaliger deutscher Staatssekretär und Mitglied des Präsidiums des Europäischen Rechnungshofes (EuRH). Die Verantwortung von Europa finde „im Augenblick nicht statt“, so Noack. „Wir müssen auch einsehen, dass wir nicht mit immer schärferen Sanktionen gegen Russland vorgehen sollen, sondern einen Dialog herstellen müssen“, forderte er. Gleichzeitig müsse man sich in der Ukraine „zuerst darüber einigen, wie es weitergehen kann“.
„Wir sind am Rande eines neuen Kalten Krieges, aber die roten Linien fehlen - wir wissen nicht, wo sie sind“, zeichnete Vladislav Belov, stellvertretender Direktor des Europa-Instituts der Russischen Akademie der Wissenschaften (RAN), ein düsteres Bild. Für Russland sei es wichtig, keine Isolierung zuzulassen, weder eine außen-, noch eine innenpolitische oder eine wirtschaftliche. Jedes Jahr schrumpfe der Außenhandel zwischen Russland und der Ukraine, dabei werde Russland immer als Aggressor gesehen, kritisierte er.
Belov empörte sich zudem über die Aussage Poroschenkos bei der Sicherheitskonferenz in München, dass Moskau „an allem Schuld“ sei. „Russland wird schuldig gemacht, wo es keine Beweise gibt“, so Belov wohl auch in Anspielung auf den Giftanschlag auf den russischen Ex-Doppelagenten Sergej Skripal in Großbritannien, für den London Moskau verantwortlich macht.
Für Gregor Woschnagg, Ständiger Vertreter Österreichs in der EU zwischen 1999 und 2007, liegt die Lösung im Ukraine-Konflikt jedenfalls in einer diplomatischen Annäherung: „Jede Seite müsste einen Schritt machen - die EU, Ukraine und Russland - so könnte man die Situation wieder deeskalieren.“ Russland und die Ukraine hätten viele gemeinsame Interessen, wie etwa Cybersecurity, Terrorismusbekämpfung, aber auch wirtschaftliche Fragen wie die Start-Up-Förderung. Der ehemalige EU-Botschafter glaubt, dass gemeinsame Schritte gegenseitiges Vertrauen zwischen den beiden Ländern schaffen und Missverständnisse beseitigen könnten. „Ein wirtschaftlich starkes Russland ist überdies für uns alle von Interesse.“