“Glory“: Demütigung der Machtlosen
Kristina Grozeva und Petar Valchanov erzählen in ihrer preisgekrönten Polit-Satire „Glory“ vom schnellen Geld für korrupte Beamte in Bulgarien.
Von Peter Angerer
Innsbruck –Mit 170 Euro, die nicht einmal regelmäßig ausbezahlt werden, im Monat auszukommen, ist auch in Bulgarien ein Kunststück. Der Streckenwärter Tzanko (Stefan Denolyubov) lebt daher äußerst bescheiden, zieht in seinem kleinen Garten Gemüse und züchtet Kaninchen. Der einzige Luxus, den er sich gönnt, ist ein bescheidener Flatscreen, um mit dem Frühstücksfernsehen den Magen vom kargen Mahl ablenken zu können. Aber was er an diesem Tag hört, ist doch ein starkes Stück. Sein Dienstgeber hat die neuen Zuggarnituren für ein Zehntel des Wertes verkauft und dafür ausrangierte Waggons zu überteuerten Preisen angeschafft. Irgendwo müssen Millionen gebunkert sein, aber solche Nachrichten gehören längst zum Alltag.
Tzankos Kollegen ist die Korruption längst zur Gewohnheit geworden. Wenn sich schon die da oben bedienen, kann es kein Verbrechen sein, den Diesel aus den Loks für private Zwecke abzupumpen.
Mal sind es Züge, mal sind es Flugzeuge oder Banken, die in den Korruptionsgängen dunkler Labyrinthe verschwinden, sich verwandeln und veredelt Profit abwerfen. Journalisten, die an der noch feuchten Lackschicht kratzen oder der Spur des Geldes folgen, werden ermordet. Doch das Entsetzen über solche Skandale hat im schnellen Nachrichtenfluss, wenn sich das Netz in eine von beiden Ende glühende Zündschnur verwandelt, ein immer kürzeres Ablaufdatum. Wenn schon nicht ein neuer Skandal für Ablenkung sorgen kann, gibt es Spezialisten, die für Verwirrung sorgen. Kristina Grozeva und Petar Valchanov erzählen in ihrem zweiten Kinofilm „Glory“ von dieser Kommunikationstechnik am Beispiel von Bulgarien.
Julia Staikova (Margita Gosheva) ist mit ihrer Marketingabteilung dafür verantwortlich, den Ruf des Verkehrsministers vor jedem Verdacht zu schützen. Als Tzanko auf seinem Streckenabschnitt prall gefüllte Geldsäcke findet und statt ein diskretes Versteck zu suchen, die Polizei informiert, wird er schnell zum (stotternden) Kronzeugen einer ehrlichen Republik, während er an den Stammtischen als „Dummkopf der Nation“ verhöhnt wird.
Julia organisiert einen Staatsakt, bei dem der korrupte Minister dem ehrlichen Finder eine Urkunde überreicht und eine billige Plastikuhr umbindet. Für die makellosen TV-Bilder muss der verschüchterte Arbeiter seine eigene legendäre Slava-Uhr ablegen. Dieses Modell, ein Relikt aus der kommunistischen Ära, ist ein unverwechselbares Erbstück – und plötzlich verschwunden.
Wie Heinrich von Kleists Pferdehändler „Michael Kohlhaas“, der sich nach der Schändung seiner Rappen in einen Wutbürger verwandelt, zieht auch der Streckenwärter für diese Uhr in eine aussichtslose Schlacht gegen ein System, das mit Gewalt und existenzieller Vernichtung auf seine Feinde reagiert.
Trotz des absehbaren Ausgangs der Geschichte lassen sich Kristina Grozeva und Petar Valchanov von den herrschenden Verhältnissen nicht zu einem pathetischen Politthriller verführen, sondern greifen zu den Mitteln der politischen Satire. Nach mehreren in Locarno beginnenden Festivalerfolgen wollte sich auch das Filmland Bulgarien nicht lumpen lassen und reichte „Glory“ 2017 als besten Film für den Auslands-Oscar ein.