Nach Anfeindungen und Attacken: Wer ist George Soros?
Der Name George Soros ist derzeit ein Lieblingsobjekt von Verschwörungstheoretikern – auch die FPÖ verwies jüngt auf „stichhaltige Gerüchte“ gegen den US-Milliardär. Wer ist dieser Mann eigentlich?
Von Petra Edlbacher/APA
New York/Budapest/Wien – Ein schwerreicher US-Milliardär jüdischer Herkunft, der weltweit liberale Organisationen unterstützt und sogar auf wichtige politische Umbrüche Einfluss hat – das ist der Stoff, aus dem die Verschwörungstheorien sind. Der Name von George Soros ist mittlerweile international zum Symbol geworden: Seit der jüngsten Attacke von FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus auch in der österreichischen Politik.
Dabei hat der aus Ungarn stammende Soros, wie viele Selfmademen, klein angefangen, und musste schon jung Verfolgung und Emigration erleben. 1930 wurde er unter dem Namen György Schwartz als zweiter Sohn eines jüdischen Rechtsanwalts in Budapest geboren. 1936 ließ sein Vater Tivadar, der sich auch als Esperanto-Schriftsteller einen Namen machte, den Familiennamen auf Soros magyarisieren. Die Familie überlebte den Holocaust mit gefälschten Papieren.
1947 konnte sich der junge Soros durch den Besuch eines Esperantokongresses nach Großbritannien absetzen, wo er in Folge an der London School of Economics studierte. Hier traf er den aus Wien stammenden Philosophen Karl Popper, den er bis heute als seinen „Mentor“ bezeichnet und dessen Konzept der „offenen Gesellschaft“ ihn lebenslang prägte.
Finanzspekulationen brachten schnell Vermögen ein
1956 wechselte Soros in die USA, wo er es durch Finanzspekulationen, unter anderem durch seinen Quantum Funds, bald zu einem märchenhaften Vermögen brachte. Aus seinem Spekulantenleben blieb besonders der 16. September 1992 in Erinnerung, als er das britische Pfund an der Börse massiv unter Druck setzte – und gewann. Großbritannien verließ ob des Kursverfalls seiner Währung das Europäische Währungssystem.
Außerhalb von Finanzkreisen wurde der US-Milliardär für seine weltweiten politisch-philanthropischen Aktivitäten für eine „offene Gesellschaft“ im Popper‘schen Sinn bekannt, die er hauptsächlich über seine Open Society Foundations (früher Open Society Institute) abwickelt. Der Startschuss dafür kam 1979 mit Stipendien an Schwarze im damaligen Apartheidstaat Südafrika. Bald schon wurde seine frühere Heimat Osteuropa zum Zentrum seiner Mission. Er unterstützte in den 1980er-Jahren eine ganze Generation junger Intellektueller, aber auch Oppositionelle wie die polnische „Solidarnosc“. Anfang der 1990er-Jahre gründete er dann die in Budapest ansässige englischsprachige Central European University (CEU).
Auch Orban bekam Stipendium von Soros
Die durch die Soros-Stipendien Geförderten sollten in den Jahren nach dem Fall des Eisernen Vorhangs eine junge, liberale osteuropäische Elite bilden, die nach Soros‘ Absicht die „offene Gesellschaft“ in ihren Ländern aufbauen sollte. Darunter war auch ein gewisser Viktor Orban, 1989 Stipendiat für die Universität Oxford, der heute als gar nicht mehr liberaler Regierungschef Ungarns zu den prononciertesten Feinden des Milliardärs zählt.
In den darauffolgenden Jahren weiteten sich die Aktivitäten von Soros‘ Stiftungen sukzessive aus und sind mittlerweile weltweit vertreten.
Manchen Politikern ist der US-Financier indes weniger wegen seiner Förderung von benachteiligten Bevölkerungsgruppen wie den Roma oder den Prostituierten unheimlich, sondern eher aufgrund seiner finanziellen Unterstützung für zahlreiche Protest- und Umsturzbewegungen, von der Ukraine über Georgien bis hin zu den Wall-Street-Protesten. Sogar am „Brexit“-Referendum beteiligte sich der passionierte Befürworter einer britischen EU-Mitgliedschaft. Seine Stiftungen mussten in den vergangenen Jahren vor allem in Osteuropa zahlreiche Rückschläge hinnehmen; in Russland erfolgte 2015 sogar ein völliges Verbot.
Ungarische Regierung setzt auf Dämonisierung
In jüngerer Zeit hat sich Soros – trotz seines hohen Alters nach wie vor äußerst aktiv – in ein aktuelles brennendes Problem Europas, nämlich die Flüchtlingsfrage, eingeschaltet. Durch seine Zeitungsartikel, in denen er Vorschläge für das Management der Flüchtlingsströme brachte, geriet er alsbald in Konfrontation mit Orbans rechtsnationaler ungarischer Regierung. Diese erkor ab 2016 Soros als persönlichen „Gottseibeiuns“ und fokussierte in mehreren Kampagnen – auch im Wahlkampf vor der Parlamentswahl am heurigen 8. April – völlig auf die dämonisierte Figur des Investors.
Dieser wolle Millionen Muslime in Europa ansiedeln und die Bevölkerung gewissermaßen „austauschen“, hieß es da. Die Politiker der Regierungspartei Fidesz sprachen andauernd von einem „Soros-Plan“, den der Philanthrop mithilfe allerhöchste Kreise der Europäischen Union umsetzen wolle. Sogar die gesamte ungarische Opposition sei bloß eine Marionette des Milliardärs und wolle mit ihm zusammen den von Orban errichteten Grenzzaun abreißen, suggerierte eine Fotomontage auf einem Wahlplakat. Soros wehrte sich zwar empört gegen derartige Attacken – seinem Engagement tut dies indes keinen Abbruch.
Vergangenes Wochenende hat sich nun auch in Österreich FPÖ-Klubobmann Gudenus in die Kampagne eingeschaltet. Er sprach gegenüber der Presse von „stichhaltigen Gerüchten“, wonach Soros daran beteiligt sei, „Migrantenströme nach Europa zu unterstützen“. Ähnliche Aussagen hatten früher schon FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und der führende FPÖ-Politiker Norbert Hofer getätigt. Gudenus‘ Behauptungen riefen diesmal sehr heftige Proteste hervor; auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) distanzierte sich von ihnen.