TT-Interview

Wiesberger: „Privat schaue ich kein Golf im TV“

Österreichs Golf-Aushängeschild Bernd Wiesberger.
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Im Golfclub Achensee nahm sich ein entspannter Bernd Wiesberger unter anderem Zeit für die TT. Das burgenländische Ausnahmetalent sprach über Wertschätzung, Puls 100 und Superstar Tiger Woods.

Wie steht es derzeit um Ihre verletzte linke Hand?

Bernd Wiesberger: Es ist etwas kompliziert. Ich habe mir Anfang Mai bei einem Sponsortermin bei einem Schlag eine Sehnenverletzung zugezogen. Wie lange es dauert, weiß ich noch nicht. Ich habe seit zwei Wochen keinen Ball mehr geschlagen. Ich bin sozusagen auf Abruf.

Und was macht Bernd Wiesberger, wenn er keine Bälle durch die Luft schlagen kann?

Wiesberger (lacht): Das habe ich mich zuerst auch gefragt, denn leider bin ich beim Ruhigsitzen ganz schlecht. Privat schaue ich kein Golf im TV. Auf der anderen Seite bleibt so mehr Zeit für meine Freundin und die Familie, die wir sonst nicht hätten. Das tut auch einmal gut.

Wenn man von Weltsportarten spricht, sind Sie, neben unter anderem Tennis-Ass Dominic Thiem, unser rotweißrotes Aushängeschild. Trotzdem ist ein Hype um einen Marcel Hirscher größer. Schmerzt das?

Wiesberger: Dass Skifahren einen höheren Stellenwert in Österreich genießt, ist einfach kulturell und aus dem touristischen Standpunkt heraus so. Und was Marcel leistet, das ist Weltklasse. Auch wenn Golf weltweit gespielt wird, braucht es bei solchen Sportarten oft außergewöhnliche Leistungen, damit man Leute in den Bann ziehen kann. Wenn ich durch Wien laufe, gibt es nicht so viele Selfie-Anfragen, aber es ist so, wie es ist. Wenn Marcel über einen Golfplatz in den USA gehen würde, wäre es womöglich auch ruhiger. (lacht)

Vor nicht allzu langer Zeit gab es in Österreich eine emotional geführte Diskussion, ob Sport nur Sport ist, wenn der Puls über 100 schlägt. Was sagt da der Golfer dazu?

Wiesberger: Wenn ich in Aktion bin, ist mein Puls ja eh über 100. Und wenn ich meine Kollegen anschaue, wie ihnen nach einer Runde Golf zwei Tage lang alles wehtut, weiß ich, dass es nicht ganz so einfach ist.

Im Amateurbereich hat der Golfsport keine Probleme – im Nachwuchs sieht es nicht ganz so gut aus. Wie viel Entbehrungen mussten Sie dafür aufbringen?

Wiesberger: Nicht viele, weil meine Eltern ja einen Golfshop an einem Platz betreiben. Da war der Aufwand sehr gering. Aber heute stehe ich sechs Stunden pro Tag am Platz, dazu kommt noch Fitnesstraining. Im Jahr sind es bis zu 30 Turniere, die ich weltweit spiele, und da ist natürlich sehr viel Reisen angesagt. Es ist nicht einfach, aber man muss motiviert sein und sich hohe Ziele stecken. Ich habe schon in meiner Jugend gesagt: „Ich will einmal mit den Besten spielen.“

Apropos die Besten – Superstar Tiger Woods (USA) hat sich stark zurückgemeldet. Wie nimmt man den wahr?

Wiesberger: Persönlich hatte ich noch nie mit ihm zu tun. Zum ersten Mal wahrgenommen habe ich ihn ausgerechnet in seiner Hoch-Zeit. Da war er sehr abgeschottet von allem. Mittlerweile sieht das anders aus. Autogramme schreiben usw. sind kein Tabu mehr. Ob das eine Sache der Imagebereinigung oder ein Lernprozess ist, kann ich nicht beurteilen. Ansonsten sind Spieler wie Rory McIlroy (Nordire, Anm.) oder Sergio García (ESP, Anm.) ganz entspannte Jungs, mit denen man gut unter der Woche essen gehen kann.

Gibt es Dinge, die man sich abschaut?

Wiesberger: Das Schöne am Golf ist, dass jeder in einem anderen Bereich seine Stärken hat. Am Ende des Tages geht es einfach nur darum, ein kompletter Spieler zu sein. Das versuchst du mit viel Training zu erreichen. Es ist sehr wichtig, das Training so nah wie möglich an Wettkampf-Bedingungen heranzuführen. Es muss kribbeln, wenn du am ersten Abschlag stehst – nur dann kann dich, wenn es darauf ankommt, nichts überraschen.

Wie fühlt man sich als Österreicher unter solchen Stars?

Wiesberger: Das ist keine Frage, wo man herkommt, sondern eine Frage, wie ich erzogen worden bin. Der Triumph am Platz darf nie eine zwischenmenschliche Beziehung übertrumpfen.

Golf kann man auch noch im hohen Alter spielen. Gibt es für Sie ein Ablaufdatum, das Sie sich selbst gesetzt haben?

Wiesberger (lacht): Mit 60 oder 65 werde ich wohl nicht mehr um den Globus fliegen. Aber ich werde dem Sport immer in irgendeiner Art verbunden bleiben.

Das Gespräch führte Daniel Suckert